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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Ausstellungen von 1888, [3]: die deutsche Historienmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0371

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Die Münchener Ausstellungen von i?88. Die deutsche Historienmalerei

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bedauern, daß der Künstler es über sich vermocht hat, sein so achtbares Können an solch abscheulichen, jedes
gesunde Gefühl beleidigenden Gegenstand zu verschwenden, so ist die Art wie er es gethan, nicht tröstlicher.
Denn da er sich solcher Unthat fähige Menschen begreiflich nicht vorstellen konnte, so ward er gespreizt und
theatralisch. Man würde das Stück genau so in jedem Zirkus spielen, und daß wir preußische Gendarmen als
römische Krieger maskiert sehen müssen, macht die Sache nicht besser. Dergleichen kann offenbar nur aus einer-
gründlich ungesunden akademischen Anschauung heraus entstehen, wie sie in gewissen Berliner Kreisen leider noch
immer zu herrschen scheint — zum größten Schaden der Kunst selber. — Seit dreihundert Jahren mühten sich
komischerweise unzählige Künstler ab, die römische Geschichte nach des Livius Fabeln darzustellen, ohne daß dies
auch nur ein einzigesmal zu einem erquicklichen Resultat geführt hätte, von Lebrun und Poussin oder David
bis auf Hildebrand. Daß sie es nicht längst satt bekommen haben! Ja, jetzt soll man gar in Berlin den
alten Plan wieder ausgenommen haben, in Rom eine deutsche Akademie gründen zu wollen, während alle
einsichtigen Franzosen die ihrige längst gern los sein möchten, uns aber der römische Aufenthalt schon einmal
eine große und edle Kunstbewegung gründlich verpfuscht und eine Anzahl begabter Maler zu fanatischen Ultra-
montanen umgeschaffen hat! Hoffentlich besitzt der deutsche Reichstag den Verstand, unfern Geldbeutel fest zu-
zuhalten bei solchen Zumutungen.

Die Ausstellung ist leider nur zu reich an Beispielen, wie wenig günstig Italien und Paris auf die
jungen deutschen Künstler wirken. So hat der durch seine genialen Radierungen rasch berühmt gewordene
Klinger nach einem Aufenthalt dort uns mit einem kolossalen Urteil des Paris beschenkt, das nur den Wunsch
rege machen kann, daß er die Palette wieder schleunig mit der Radiernadel vertauschen möchte. Selbst der
große Heide Böcklin zeigt bei seinem „Im Spiel der Wellen" gewiß keinen Fortschritt gegen seine früheren
Leistungen, obwohl er sich der Kunstgrenzen viel zu bewußt ist und ein zu gesundes Talent hat, um auf so
krankhafte Dinge zu geraten wie Hildebrand oder Klinger. Auch Karl Voß hat sich durch seinen Aufenthalt in
Rom zu einem ganz vergriffenen Stoff aus der abscheulichen mittelalterlichen Geschichte desselben verführen lassen.
Lassen wir doch die Freude an solchen Schauerszenen den Franzosen! Dagegen habe ich von Eugen Klimsch
in Frankfurt noch eine liebenswürdige kleine Madonna und von Flüggen dessen ebenso schön empfundenen als
gut komponierten Tod der hl. Elisabeth zu erwähnen, während Plockhorst mit seinem Christus frühere
Leistungen nicht erreichte. Auch den barocken Hans Thoma in Frankfurt haben bei seinem „Paradies" und
der „Flora" offenbar Klingers Lorbeeren nicht schlafen lassen. Von deutscher Geschichte ist noch der Tod
Mannsselds vom Düsseldorfer Forell als eine sehr achtbare und gewissenhafte Arbeit zu erwähnen. Manches
andere, was im Katalog steht, war mir aufznfinden unmöglich, zum Teil wohl darum, weil die Hängekommission
mit großer Weisheit vieles, was die Jury sehr unnötig durchschlüpfen ließ, ihrerseits für unbewaffnete Augen
unsichtbar zu machen verstand, wofür wir ihr in den meisten Fällen nur Dank schuldig sind.

Ganz zuletzt, erst zehn Tage nach Eröffnung der Ausstellung, erhielt dieselbe endlich ihre Krönung in
dem wie erwähnt schon lange sehnlichst erwarteten Bild Professor Kellers in Karlsruhe, welches die Apotheose
des uns jüngst entrissenen ruhmvollen Gründers des neuen deutschen Reiches und seines ritterlichen Helden-
sohnes darstellt. Diese herrliche Aufgabe löst es zugleich in so überraschender Vortrefflichkeit, daß es selber
voraussichtlich einen Markstein in unserer Kunstgeschichte bilden dürfte. -— Man atmet förmlich auf, wenn man
dies Bild sieht, und dankt Gott, daß die glänzendste Periode unserer nationalen Geschichte hier doch einmal
einen Verherrlicher gefunden hat, der ihren wunderbar poetischen Gehalt mit so hinreißender Schönheit ins
Malerische zu übersetzen, uns nicht etwa die einzelnen Thatsachen zu erzählen — das thaten andere, vorab
A. von Werner schon vortrefflich genug —, sondern den ganzen berauschenden Jubel, den sie in uns Mitlebenden
erzeugen mußten, auf der Leinwand festzuhalten wußte. Da sieht man doch wieder einmal, wie ein glücklich
gegriffener Stoff den Künstler trägt! Hier hat er zu einem Kunstwerk geführt, wie wir deren seit Makarts
Karl V. kein ähnlich reizvolles mehr zu verzeichnen hatten in der Malerei. Das Bild stellt denn auch die
Überlegenheit der deutschen Kunst über die all ihrer Rivalen auf der Ausstellung erst endgültig fest, denn keine
Nation hat bis jetzt auch nur entfernt etwas von ähnlicher Bedeutung unter ihren großen Historienbildern auf-
zuweisen.

Doch sehen wir zu, was Keller gibt, um dann zugleich zu zeigen, wie er es gibt. Seine Komposition
trägt durchaus den Charakter einer freien Dichtung, wie ihre Erfindung alle großen Künstler seit Raffael, Paul
Veronese und Rubens ganz gleichmäßig als ihr Recht betrachtet haben. In einem von vier Zeltern gezogenem
Triumphwagen sehen wir Kaiser Wilhelm im Hermelin eben das Siegerschwert einsteckend sitzen, all die milde
Würde im Ansdruck, die seine Erscheinung so hinreißend machte. Aus dem einen Strom von Licht herabsen-
denden Himmel schwebt eine herrliche Viktoria herab, ihn mit goldenem Lorbeer krönend, während die zwei
Genien des Kriegs und Friedens sie begleiten und über ihnen drei Putten die Kaiser- und Königskrone bringen,
während ein vierter dem Kaiser das Reliefbild seiner Mutter als Talisman vorhält. Die Rosse des Triumph-
wagens werden von den zwei wilden Männern des Preußischen Wappens als den Repräsentanten der deutschen
Volkskraft geführt und den Zug eröffnet ein die Reichsfahne hoch haltender Geharnischter als Vertreter des
 
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