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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Ausstellungen von 1888, [6]: die Malerei der übrigen Nationen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0435

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ZHO Die Münchener Ausstellungen von 1888. Die Malerei der übrigen Nationen. I. Österreich

deutsch ist. Jedenfalls jetzt sogar noch viel mehr als vor 1848, wo, dank dem Metternichschen System, die
geistige Verbindung zwischen beiden Ländern sogar weit geringer war als heute.

Zwei Eigenschaften haben diese Wiener Schule immer charakterisiert: die glänzende künstlerische Bega-
bung, und der weiche, allen guten und schlechten Einflüssen gleich zugängliche, ewig hin- und herschwankende,
ebenso liebenswürdige als unberechenbare Charakter. Naturen, die, wie Makart oder Defregger, aus innerer
Notwendigkeit heraus so und nicht anders produzieren, sind in Österreich immer viel seltener gewesen, als selbst
bei uns. So ist denn auch in der heutigen Wiener Schule wenig Spur mehr vom elfteren, noch von dem
ihnen vorausgehenden Akademiker Rahl oder dem Romantiker Führich zu entdecken, von denen freilich der
eine schwäbischer, der andre hartköpfig deutsch-böhmischer Abstammung war. Nur S chramms „Bianka Capello",
die mit dem Gatten vergiftet auf dem Throne liegt, erinnert manchmal an Makart und zeigt jedenfalls ein
bedeutendes Talent, das sich nur in einen ihm ganz fremden Stoff verirrt hat und darum theatralisch
ward. Dagegen findet man französische Einflüsse genug, obwohl die Wiener Maler sämtlich eine zu gesunde
Farbenempfindung haben, um Grau-Malerei oder Impressionismus mit so fanatischer Geschmacklosigkeit zu
treiben, wie bisweilen bei uns geschieht.

So finden wir Herrn Bouguereaus akademisch konzessioniertes, pariserisch parfümiertes Christentum
vollständig bei Pirchans übrigens sehr hübscher Madonna mit dem Christusknaben (Abb. in Heft 14). Ein andrer,
Krämer erinnert sogar in seiner übrigens nicht weniger talentvollen „Kreuzabnahme" an die des Franzosen
Jouvenet. Seligmann, ein Allerjüngster, scheint noch zwischen Rembrandt und Wereschagin hin und her zu
schwanken bei seinem achtzehnjährigen Christus, der sich daheim sehr langweilt. Ganz liebenswürdig, naiv
naturalistisch ist dagegen die dem hl. Bernhard im Klostergarten beim nüchternsten Tageslicht erscheinende
Heilige von Bernatzik, der auch einen noch naiv wahreren „Versehgang" eines Priesters im Vorfrühling und
ein vortreffliches Herbstbild gebracht. Golz' Anbetung der Hirten kennen unsre Leser schon aus der Abbildung
(in Heft 14 d. I.). — Kann man trotz des unbestreitbaren Talents in keinem dieser Versuche viel Beruf zur religiösen
Kunst erkennen, da ihnen dazu doch die tiefe Überzeugung fehlt, so zeigt der ganz französierte Czeche Hynais in
seinen beiden Figuren der Poesie und Musik wenigstens ein schönes malerisches Talent, wenn auch gleichfalls
mehr kokettierend als tief empfindend. Leider sind weder von Matsch noch von den beiden Klimt, die im
neuen Burgtheater so Schönes ausgeführt haben und sich durch ausgesprochene Eigenart an die Spitze der
Wiener Profan-Historienmalerei stellten, hier Arbeiten da. — Ebensowenig von Karger, der, ein prächtiger
Volks-Schilderer, nur durch das Bildnis eines alten Generals vertreten ist; oder von Simm, der hier in
München sucht, was er in Wien nicht finden konnte. Ein ehemaliger Rahl-Schüler Gaul gibt dann die alten
Nürnberger Meister beisammen in einer Weise, die deutlich zeigt, wie allein er in dieser Malart jetzt steht.

Weit besser lassen sich die Spuren Waldmüllers noch heute in der Wiener Sittenbildmalerei er-
kennen, auf welche dieser vortreffliche Künstler so günstig wie kein andrer eingewirkt. So auf Friedländer,
der sich mit seinen Invaliden und der Kantine ganz gut unter den Jüngeren behauptet. Unter diesen sind
eine ganze Anzahl glänzender Talente. So Probst, dessen Szene aus dem Trompeter von Säckingen von
bestechender Eigenart der Charakteristik zeugt, Kaufmann, der ein Wartezimmer bei Gericht, Gisela, der
ein Dienstvermittelungsbureau gibt und Fräul. Knnwald, deren köstliches Maleratelier freilich in München
entstanden scheint. Desto mehr erinnert Anton Müllers scharf charakterisiertes Dilettanten-Quartett noch an die
alte Wiener Schule. Ebenso die voll Liebe und Natursinn ansgeführten, nur durch zu eigensinnige Verschmähung
des Helldunkels oft beeinträchtigten Bilder von Kinzel, Zewy, Frau Simm-Mayer. Das glänzendste dieser
Bilder ist freilich Eugen von Blaas' Marionettentheater im Kloster und zeigt deutlich Passinis Einfluß in
seinen ganz prächtig wiedergegebenen vornehmen Backfischen. Das Bild gehört durch seine glückliche Erfin-
dung wie reizvolle Ausführung zu den Perlen der Ausstellung. Auch seine sonstigen, immer frischen Mädchen-
gestalten, so bei der „Hochzeit in Venedig", sind voll Naturgefühl, die Männer mit Humor gegeben. Von
Passini selber ist eine Beichtszene da, als Charakteristik vortrefflich wie immer, aber in der Wirkung zu
sehr mit der Ölmalerei konkurrierend, wie bei den modernen italienischen Aquarellisten, was mir nicht
richtig scheint.

Ist, im Gegensatz zu der ganz vernachlässigten Historie, in der Sittenbildmalerei schon sehr viel ge-
boten, so gilt das auch vom Porträt, wo Angelis „Gräfin Zichy" eine Leistung allerersten Ranges genannt
werden muß, die von den großen Fortschritten dieses Künstlers besonders in der Karnation, dann in der ge-
schickten Benützung stofflicher Kontraste, aber auch nicht minder in der Beseelung seiner Figuren das allervor-
teilhafteste Zeugnis ablegt. Auch das Bildnis Andreas Achenbachs ist, wenn nicht von gleicher Vollendung,
doch immer noch vortrefflich. Von Felix u. a. sind ebenfalls gute Bildnisse da.

Der größte Reiz dieser sorgfältiger als irgend eine andre ausgewählten und mit dem feinsten Ge-
schmack angeordneten Wiener Ausstellung besteht in einer Reihe vorzüglicher Landschaften, so zwei köstlichen
Bildern von Ruß, einem wunderbar duftigen „Vorfrühling" und einer „Gegend bei Meran" in bezauberndem
Abendlicht, dann einer überaus feingestimmten Mühle von Lichtenfels, zweien von Schindler und einer
Windmühle von Onken, endlich einem köstlichen Viehstück von Huber, Kühe im Wasser mit erstaunlicher
 
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