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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Heiberg, Hermann: Er vergaß, daß er ein Maler war?
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0447

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Er vergaß, daß er ein Maler war? von ks. kseiberg

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Sie sprach völlig anders; nichts war zurückgeblieben von
dem neckischen, übermütigen Wesen. Er fühlte, daß sie
etwas tief bewegte, daß sie ihn liebte. Endlich sagte er:

„Ja, ich bitte!"

„So sind Sie also doch nicht der, für den ich Sie
hielt. Es gibt Wünsche, deren Charakter verbieten, daß
man sie gegen sich selbst ausspricht und Sie wollen etwas
von mir, was nicht einmal mein Ohr hören darf?"

„Nein, nein, ich bitte! Spielen Sie nicht den Über-
raschten! Ich irre mich nicht und Sie sind nicht ehrlich!
Nun, da ich Ihnen zeigte, wie sehr mich schon ein solcher
Gedanke bei Ihnen verletzte, wollen Sie leugnen, daß ich
mich in meiner Annahme täuschte." —

„Gut, es mag sein!" erwiderte Dohna, nun auch
seinerseits schroff im Tone. „Reden wir also nicht mehr
von der Sache. Sprechen wir über Sperlinge, Politik,
Schnupfen, italienische Klassiker oder dergleichen."

„Wenn Sie etwas von einer Künstlernatur in sich
hätten, würden Sie begreifen. Wir täuschten uns gegen-
seitig! Was weiter? Es erscheint mir kein Unglück."

„Ja. gewiß!" erwiderte Frau von Monza und
wandte sich mit kaltem Kopfneigen zurück. „Ich aber
bin ein Weib, — eine Dame — und —" Sie sprach
nicht ans und verschwand unter der Menge im Saale.

Dohna wollte ihr nacheileu. Ihre Kälte machte ihn
heiß und leidenschaftlich, aber sie ließ ihn auch zweifeln,
ob er recht gehandelt habe. Er sah sie tanzen, den
schönen Körper bewegen, mit andern lachen und wenn
die Musik schwieg, umgeben von Männern, die um ihre
Gunst warben.

Und wenn er sich in der Folge nahen wollte, ent-
schlüpfte sie ihm, oder ging an ihm vorüber, als habe
sie ihn nicht gesehen. Auch das versteht Niemand besser,
als eine Frau. —

Reichlich acht Tage später saß Dohna um die Nach-
mittagsstunde in seinem Atelier. Noch stand die Sonne
hoch am Himmel, aber nur ein Teil des Raumes war
von ihren Strahlen überflutet und diese fielen auf ein
begonnenes Bild. Seit jenen: Tage hatte Dohna das
Haus seines Freundes nicht wieder betreten, obgleich cs
ihn heftig drängte und obgleich er fühlte, daß sein Fort-
bleiben nicht entschuldbar war. Unmut, Ärger, ein Ge-
fühl der Enttäuschung und die Furcht, sich neben diesem
schönen Geschöpf zu verlieren, hatten ihn dennoch zurück-
gehalten.

Und nun eben waren seine Gedanken wieder lebendig.
Er brauchte sie, er mußte ihre Stimme hören, ihr Auge
und ihr Lächeln sehen. Und er brauchte ihre Gestalt,
ihre vollen und doch noch zarten Formen für das Bild,
an dem er nun schon seit Monaten arbeitete.

Und da kam's plötzlich in dem sehnsüchtigen Wunsche
über ihn, wie eine Offenbarung. Er stand auf, griff
nach der Palette, malte und malte, wich zurück, gab ein
kleines Pünktchen Farbe, tönte dieses ab und setzte ein
neues hinzu. — Und nun vervollständigten sich allmählich
ausdrucksvoller der Mund, die Lippen, das Auge eines
wunderbar schönen Frauenkopfes.

Und dann, mitten in seinem Schaffen ward geklopft.

Dohna wandte sich um. Frau von Monza stand vor
ihm! — Ihr Atem ging rasch, ihre Wangen waren ge-
rötet; — wie Abendsonneuschein lag's auf dem Antlitz —
ihre Augen und Lippen zitterten vor Erregung.

„Ah, Sie, gnädige Frau! Bei mir? Und in diesem
Augenblick? Dank! Dank!" Er eilte bei ihrem unerwar-
teten Anblick stürmisch auf sic zu und küßte ihre Hände.

Und sie war sprachlos.

„Ich bitte, ruhen Sic sich! Hier, hier!"

Sie schritt langsam vorwärts, warf einen Blick ans
die Malerei, stutzte, hielt inuc und legte die Hand auf
die Brust.

Und dann stand sie wieder bewegungslos und plötz-
lich brach's hervor ans ihren Augen.^

Und als er nun verwirrt und erschrocken, aber auch
beglückt zugleich, sic sanft leiten und abermals zum Ruhen
auffordern wollte, richtete sie sich gewaltsam empor, hef-
tete ihre seltsamen und sonderbar verwirrenden Blicke auf
ihn und sagte:

„Schwören Sie mir als Mann von Ehre, daß Ihr
Mund niemals verraten wird, was zwischen uns vor-

ging-" —

Er erhob stumm die Hand.

„So, und nun schließen Sie die Thür."

Er that, wie ihm geheißen.

„Und nun noch ein Wort: Ich will Ihren Wunsch
erfüllen, mein Versprechen einlösen unter einer Bedingung!"

Bebend hörte er ihr zu; er bewegte den Kopf,
fiebernd lief es ihm durch die Glieder.

„Sie versprechen, mich niemals wieder zu sehen.
Niemals! Ich werde zudem meinen Aufenthalt bei meinen
Verwandten möglichst abkürzen. — Wollen Sie auch das
zusagen mit Ihrem Ehrenwort?"

„Ja!" —

„Wohl!" Sie schaute sich um. Ein türkischer Teppich
hing von der Decke herab und teilte das Gemach in zwei
ungleiche Hälften. Sie schritt darauf zu, — zauderte
eine Sekunde, — blieb stehen, — preßte abermals die
Hand auf die tobende Brust, — sah ihn noch einmal an,
rasch, flüchtig, aber mit tiefem Blicke, — gleichsam, um
an seinem Anblick Mut und Kraft zu gewinnen — und
verschwand dann hinter dem Vorhang. —

Er hörte Gewänder rauschen, — er hörte das rasche
Offnen eines Schnürleibes. — Nun fiel ein kleiner Schuh
mit der Hacke auf den Fußboden-

Und da, — da — brannte Feuer in seiner Brust.
Er fühlte, daß er sie liebte, unsagbar liebte; er wollte
Nichts von dem heiligen Geheimnis ihrer Schönheit, be-
vor er ein Recht darauf hatte und rief laut und flehend:

„Halten Sie ein, halten Sie ein, Marghcrita! Ich
liebe Sie ja! Und hier liege ich auf den Knieen und
erbitte Verzeihung und — Gegenliebe!" —

Und da drang ein Schrei des Glücks zu ihm zurück,
wie er wohl selten der Brust eines Menschen entglitten
war.-

Wenige Minuten noch, dann lag sie in seinen Armen
und er küßte ihre reinen Lippen und vergaß, daß er —
ein Maler war.
 
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