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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Aus Rom
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Aus Rom. von * * * — Aphorismen, von I. I. Mohr

Z62

die Vier kleinen Eckstücke daran mit Darstellungen aus
dem Leben der Maria, grau in grau in der reliefartigen
Abtönung von Schatten und Licht, desto tadelloser gelungen.

Den glänzendsten Sieg in diesem wiedererstandenen
Kunstzweig, deutscher Geduld und deutscher Geschicklichkeit
zur Ehre, dessen so rasch wieder erlangte Blüte mit dem
Namen des unglücklichen Ludwig II. unzertrennlich ver-
knüpft ist, — bewundert man jedoch im Saale des Museums
Chiaromonti. Unter den Kostbarkeiten, welche diesen aus-
erwählten Raum mit funkelnden Spenden von nur
regierenden Häuptern, fürstlichen und geistlichen Persönlich-
keiten oder päpstlich-römischen Körperschaften füllen, nimmt
die Gabe des Prinz-Regenten von Bayern die künstlerisch
vornehmste Stellung mit einer frei hängenden figurenreichen
Kreuzigung ein, die aus ihrer tief braungelb abgedämpften
Umrahmung von Dornengewinden, mit der Macht der so
richtig und mannigfach darin veranschaulichten Affekte,
gleich einem Originalgemälde fesselt.

Bildnerisch ist die Ausstellung ein Sammelsurium, das
neben lebensgroßen französischen Glaubenshelden in Bronze
und zahmen italienischen Gestalten in Marmor, vom grellsten
modernen Öldrucke bis zu dem farbensatten Lcce domo
eines Murillo, von den festen klaren Tryptichcn unsrer
altdeutschen Meister bis zu dem wie mit der Maurerkelle
angeworfenen Kniestücke Jnnocenz' XI. — Odescalchi —
durch das Tagesgestirn, den Kalabresen Michetti, — alle
Völker und alle Jahrhunderte vergegenwärtigt.

Unserm einst hoch gefeierten Meister bengalischer
Lichteffekte, dem bis zu seinem Tode unverwüstlich heiteren
alten August Riedel, galt dies Frühjahr eine wohlverdiente
blumenreiche Totenfeier auf dem Boden, der inmitten
beweglicher Erinnerungen und feierlicher Umgebungen, von
Cypressen beschattet, die Gebeine des Achtzigjährigen birgt.
Auf hohem Sockel erhebt sich, von der internationalen
Künstlergenossenschaft gestiftet, nach dem Entwürfe des
Architekten Graf Saceoni, ein edel gezeichneter Sarkophag
nunmehr auf dieser Stätte. Als an jenem sonnigen
Nachmittage die Hülle fiel, glänzte das Bronze-Profil des
humoristischen Alten von dem Marmor auf die vielköpfige
und vielsprachige Versammlung so golden, wie seine Laune
noch in allen fortlebte, indes sein versöhnlicher Sinn
und dessen symbolische Bedeutung für Nord und Süd
von beredten Zungen bald in künstlerischem, bald in
historischem Sinne, bald auf gut germanisch, bald in den
sonoren Lauten der römischen Sprache gepriesen wurde.

Inzwischen ringen die italienischen Bildhauer noch
immer um den Preis für das Standbild ihres toten
Königs auf dem Kapitol mit derselben Ausdauer und
Aussichtslosigkeit, mit welcher dermalejnst die berüchtigten
Freier der Penelope sich um die Hand dieser musterhaften
Dame bemüht haben sollen.

Was helfen den Armen die Ausstellungen ihrer
Wettbewerbungen, wenn sie den dreien, über denen das
Zünglein der Entscheidung schließlich schwebte, weiter
nichts als den Befehl eingebracht haben —- —- ihre Ent-
würfe umzuarbeiten? — Eine Kleinigkeit!-Da lobe

ich mir das kluge Bologna, das vergebens nicht seinen
stolzen Wahlspruch führt. Selbstbewußt hat es, ohne
vieles Preisausschreiben, mit festem Entschlüsse, wie es
sich geziemt, sein überlebensgroßes Reiterstandbild des
„Hochseligen" frischweg bei Monteverde bestellt und am
11. Juni auf seinem historischen Marktplatze, dem ehr-
würdigen Dome von St. Petronius gegenüber, auf
fünf Meter hohem Sockel, als Vorfeier zu seinem acht-
hundertjährigen Universitäts-Jubiläum, enthüllt. Als es
noch unvollendet war, habe ich im vergangenen Jahre
schon dieses Werkes des Piemontesischcn Künstlers gedacht.

Seitdem ist es, mit mancher Verbesserung in der
Bewegung des mächtigen Schlachtrosses, aus Nellis
Gießerei zu seinem eigentlichen Dasein in Erz gefestigt
entstanden. — Um den Transport durch die Tunnels zu
ermöglichen, mußten Roß und Reiter sich eine Drei-
teilung beim Gusse gefallen lassen, die für den Beschauer
jedoch unauffindbar bleibt.

Fürwahr! an die edelsten Zeiten der Florentiner
Kunstblüte erinnerte dieser Menschenstrom, der an den
beiden Tagen vor dem Abgänge des Standbildes nach
Bologna in ununterbrochenen Reihen nach der fernen
Erzgicßerei in Trastenere pilgerte. — Flüsternd staunte
es dort seinen König an, wie er auf seinem mutigen
Streitrosse, die gedrungene Gestalt fest im Sattel, die
Zügel zusammenfaßt, und das martialische Gesicht, unter
dem wirkungsvollen Halbschatten der Feldmütze leicht
wendet, wie um das Zeichen zum Angriffe zu geben.
Berührt der Hintere Huf des Pferdes ja schon eine
Kanonenkugel, die ihm in den Weg gerollt. Dennoch. . .
keine der beliebten unplastischen Ausschreitungen. Prächtig
deutet der Künstler, von den gespitzten Ohren an, in
jeder Muskel die innere Erregung des feurigen Tieres
an, während es der festen Hand seines Herrn willig
gehorcht.

Monteverde hat sich mit diesem echten patriotischen
Charakterbilde des Einigers von Italien zugleich selbst
ein würdiges Denkmal gesetzt. Denn mit dieser Aufgabe
ist er selbst gewachsen und an ihr zu einer Reife ge-
langt, von der weder sein in München ausgestellter
Christus am Kreuze noch seine sonstigen Arbeiten einen
Begriff geben?)

* Nach Schluß der Jubiläumsausstellung, die uns bezüglich
der Illustrationen nur auf Nusstellungsbilder beschränkt, werden
wir eine Abbildung dieses Monumentes bringen.

Die Red. der „K. f. A."

Aphorismen.

In keiner Kunst macht das verkehrte und Geschmacklose
einen widerwärtigeren Eindruck als in Architektur und Plastik:
was in anderen Künsten mehr oder weniger das Ansehen einer
flüchtigen Verirrung hat, das erscheint hier mit der Anmaßung
sich auf die Dauer etablieren zu wollen.

Identisches.

Dieses könnte ich machen und Jenes; so rede kein Künstler:
Können und Müssen, sie sind Lins im Gebiete der Kunst.

von lll. I. Möhr

Ls gibt so viele Talente und so wenig Genies, klagt
man. vielleicht fehlt es uns gerade an Talenten, das Genie
zu entdecken.

Lin genialer Mensch ist wie ein Rätsel; er wird ge>
wöhnlich erst nach seiner Auflösung verstanden.

Natur und Kunst, sie scheinen sich zu flieh'n

Und haben sich, eh' man es denkt, gefunden.
 
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