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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Daelen, Eduard: Schattenseiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0465

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Schattenseiten, von E. Daelen

2SH

sind in mancher Beziehung unentbehrlich, denn durch jene
werden leider nur wenige Sonntagskinder beglückt. Eine
Aspasia findet nur ein Phidias, eine Fornariua nur ein
Raffael. Von Makart erzählt man, daß die schönsten
und vornehmsten Frauen Wiens um die Ehre gewettcifert
hätten, ihm zu seinen Bildern als Modell zu dienen, aber
auch er war nur eine Ausnahme, ein Einziger. —

So erzählt auch Julius Allgeyer aus Anselm Feuer-
bachs Leben gelegentlich der Vollendung seines Tante-
bildes: „Zunächst mußten erst die richtigen Modelle ge-
funden sein. Die Modellfrage war für Fenerbach eine
besonders schwierige. Die allgemein käuflichen Berufs-
modelle, wie sie die spanische Treppe in Rom belagerten,
widerstrebten seinem freien Künstlersinn. Er verglich sie
abgenützten Münzen, die ihr ursprüngliches reines Gepräge
cingebüßt hätten. Nun erfuhr Fenerbach durch unsre gute
Patrona, daß die Tochter der iu unser»! Hause zu ebener
Erde wohnenden höchst anständigen aber auf Erwerb an-
gewiesenen Familie unter beschränkenden Voraussetzungen
angeseheneren Künstlern schon als Modell gedient habe."
Ja dem berühmten Künstler bleibt nicht leicht eine Thür
verschlossen. Doch ignoti cupicko null», und es kann
nicht jeder, der das stolze »ancbe io sono pittore« zur
Devise erwählte, nun auch gleich ein Raffael sein. Aber
das Modell hat er darum doch nötig und er wird es
sich zunächst da suchen, wo es am bequemsten zu
haben ist.

Am größten ist das Modellbedürfnis an der Kunst-
akademie, weil für die Schüler derselben das Studium
nach dem Leben ein unumgängliches Erfordernis ist. Es
hat sich deshalb hier gewissermaßen eine Modellbörse
ausgebildet. Au jedem Montag Morgen versammeln sich
am Eingang die verschiedenartigsten Personen in allen
möglichen malerischen und unmalerischen Drapierungen, um
sich zum Modcllstehen in den verschiedenen Klassen der
Akademie anzubieten. Leider bringt es der Umstand des
scheinbar leichten Erwerbes mit sich, daß sich vor allem
bummeliges und schlechtes Volk hier zusammeufindct. Da-
durch ist dies Gewerbe vielfach in den Verruf gekommen,
daß sich nur der Auswurf, die ehrlose Gemeinheit dazu
hergebe. Es gilt deshalb in weiten Kreisen für das aller-
verächtlichste und die Folge davon ist, daß anständigere
Elemente von Vorneherein davon abgcschreckt werden, wo-
raus sich für den Künstler oft die größten Hindernisse
ergeben. Diese Verächtlichkeit hat in neuerer Zeit durch
öffentliche Skandalgeschichten, wie sie zum Beispiel gelegent-
lich des Prozesses Gräf in Szene gesetzt wurden, womög-
lich noch an Umfang zugenommen. Und nicht allein in
unsren Kunststädten, sogar in außereuropäischen Orten hat
der Künstler unter der Ungunst dieser mißlichen Verhält-
nisse zu leiden.

So stieß beispielsweise Bruno Piglhein in Jerusalem,
wo er Studien für sein Panorama machen und dafür
dort Modelle suchen wollte, auf nicht geringe Schwierig-
keiten. Or. Ludw. Trost erzählt darüber: „An Mannig-
faltigkeit der Modelle fehlt es nicht, aber sie sind — kost-
spielig; befinden sich doch Typen darunter, die für eine
einzige Modellsitzüng 100 Franken begehren. Das rührt
zum Teil von einem frommen Vorurteil her, mit welchem
die Eingeborneu sich gegen bildliche Aufnahmen ihrer Per-
sonen abwehrend Verhalten. (Wie auch bei uns oft alte
Leute.) Manche glauben sogar, daß sie bald sterben
müßten, wenn sie photographiert oder abgemalt werden."

Unter diesen Umständen ist denn auch eine feste
Norm für die Preise der Modelle gar nicht aufzustellen.
Für gute Modelle, die schwer zu bekommen sind, werden
stellenweise sehr hohe Preise bezahlt, für schlechte dagegen
oft sehr geringe, da sie in Hülle und Fülle vorhanden
sind. Nur au den Kunstakademien hat sich mit der Zeit
ein bestimmter Satz herausgebildet, der sich in den Haupt-
kunststädten ungefähr folgendermaßen normieren läßt.

An der Berliner Akademie wird gezahlt: für Akt-
modell pro Stunde 1 Mark, für Kopfmodell 50 Pfg.
oder weniger, nach Vereinbarung, jedoch nicht unter 9 bis
10 Mark pro Woche, bis 4 Stunden täglich, exclusive
Sonntag. Halbakt unter Umständen nur 75 Pfg. pro
Stunde.

An der Münchener Akademie wird für Kopsmodcll
45 Pfg., für Kostümmodell 50 Pfg., für Halbakt 60 bis
65 Pfg., für ganz Akt 75 Pfg. per Stunde bezahlt. Im
allgemeinen sind die Modelle zufrieden, wenn sie 3 Alk.
per Tag, den Tag zu 6 Arbeitsstunden gerechnet, ver-
dienen. Besonders gute und gesuchte Modelle oder sehr
schwierige Stellungen werden ausnahmsweise auch hier
besser bezahlt, ebenso sitzen auch viele Modelte für ge-
ringere Preise.

An der Düsseldorfer Akademie wird für Aktmodell
3 Mk. 50 Pfg. pro Tag (zu 7 Stunden gerechnet), für
Kopfmodell 2 Mk. 50 Pfg., für Kostümmodell 3 Mk.,
für Kinder 1 Mk. 50 Pfg. bis 2 Mk., für Halbakt
3 Mk. bezahlt. Die Künstler außerhalb der Akademie
zahlen in der Regel etwas höhere Preise, manche gar be-
deutend höhere. Dennoch sitzen die Modelle an der Aka-
demie deshalb gerne, weil sie dort meistens lange hinter-
einander (oft 4 bis 6 Wochen und länger) fest bestellt
sind; sie werden dann zweimal in der Woche ansbezahlt
und haben so ihr bestimmtes Einkommen. Das wird in
Privatateliers selten Vorkommen. An den Akademien sind
den Modellen auch Räume angewiesen, wo sie sich zum
Warten namentlich zur Winterszeit aufhalten können."

„Ich hätte doch nicht gedacht", warf der Schüler
zögernd ein, „daß das Modellwesen eine derartig wichtige
Rolle in der Kunst spiele, wie es demnach den Anschein
hat. Ich hörte erzählen, daß z. B. ein berühmter Meister
wie Böcklin gar kein Modell brauche." —

„Ja, Böcklin! — Der ist in jeder Beziehung eine
Ausnahme. Er begnügt sich füx seine Malerei mit einem
indirekten Studium der Natur, indem er dieselbe nur be-
schauend in sich aufnimmt und dann nachher frei aus dem
Innern heraus seine Werke schafft. Er wählt diese
Methode, um in der Wiedergabe seiner luftgebornen
Phantasiegebilde möglichst wenig durch die nüchtern mate-
rielle Wirklichkeit abgezogen, gestört zu werden. Doch ist
es eine offene Frage, ob er in seiner Zurückhaltung nicht
zu weit geht. Anselm Fenerbach sagt in seinem Ver-
mächtnis: „Das lebende Modell darf nur mit großer
Vorsicht, in stetem Hinblick auf den Zusammenhang des
Ganzen, benutzt werden." Ebenso aber betont er auch
an andrer Stelle die Unentbehrlichkeit des Naturstudiums.
Und wirklich kann die Wichtigkeit des Verhältnisses der
Kunst zum Modell gar nicht genug beachtet werden. Denn
wo dieselbe verkannt wird, da geschieht es regelmäßig
zum Nachteile der Kunst. So wäre die Blütezeit der
griechischen Kunst schwerlich zu der glänzenden Höhe ge-
langt, wenn nicht durch den besonderen Wert, welcher da-
mals allgemein auf die Körperpflege gelegt wurde, als
 
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