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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Voß, Georg: Die Entwürfe zum Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0043

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Die Entwürfe zum Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm, von Georg voß

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bildern, welche den Kaiser so darstellen, zeichnen sich be-
sonders die Entwürfe von Schilling und von Eber-
lein aus. Schilling hat in seiner Reitcrfigur besonders
das schlichte Wesen des Kaisers gut ausgcdrückt. Auch
in dem Pferde, das, abweichend von dem feierlichen
Triumphalschritt unsrer üblichen Reiterstandbilder, in
ruhiger Haltung mit den vier gleichmäßig auf den Boden
gesetzten Füßen dasteht, ist der rechte Ton für ein Reiter-
standbild Kaiser Wilhelms getroffen. Daß der Künstler
cs versucht hat, die schlanken Proportionen einer modernen
Pscrderasse darzustellen und nicht eine gedankenlose Wieder-
holung der das ganze Mittelalter und die Jahrhunderte
der Renaissance hindurch üblichen wuchtigen Formen des
Pferdes der Marc-Aurel-Statue auf dem Kapitol, muß
besonders rühmend hervorgehobcn werden. Derselbe Zug
historischer Treue liegt in den Formen des Reiterstand-
bildes Sie me rings. Doch Siemering hat den Kaiser
mit gefalteten Händen dargcstellt, wie er ein Dankgebct
für seine Siege zum Himmel eniporschickt. Die unter
einem bronzenen Baldachin ausgestellte Statue ist nur für
ein Grabdenkmal geeignet. In einem Denkmal auf freier
Straße will das Volk nicht den Kaiser sehen, der sich
demütig dem Willen einer Hähern Macht fügt, sondern
der Herrscher, der selber mit starker Hand dem Schicksals-
rade in die Speichen griff.
Eine Reiterfigur dieser Art hat besonders Eber-
lein geschaffen. In seinen beiden hier ausgestellten Ent-
würfen gehört das Pferd allerdings noch ganz in die
alten künstlerischen Traditionen der Renaissance und
erinnert mehr an die Denkmalspserde des sechszehnten
Jahrhunderts als an die Zeit Kaiser Wilhelms I. Doch
in der Gestalt des Kaisers in der treuen historischen
Uniform mit dem offenen Überrock finden wir die schlichte
militärische Erscheinung des Kaisers wieder; nicht in einem
gleichgültigen nichtssagenden Augenblicke seines Lebens,,
sondern in dem Bewußtsein der Bedeutung dessen, was
ihm zu schaffen beschicken war; aber ohne das dem
Kaiser im Leben stets fremd gebliebene Pathos des
Triumphators. Auch solche Entwürfe, die den Kaiser
mit hoch erhobener Hand und mit dem Ausdrucke eines
Siegers der Bühne schildern, sind in Menge vertreten.
Doch den alten Kaiser so, wie er im Herzen des Volkes
lebt, giebt keine von diesen Triumphatorstatuen wieder.
Das einfache Reiterstandbild auf einem mit Figuren-
gruppen geschmückten Sockel von der das Mittelalter und
die Renaissance hindurch üblichen Größe ist den meisten
Bewerbern nicht prächtig genug für diese Aufgabe erschienen.
Die verschiedenen Gedanken, welche den zahlreichen mit
dem höchsten Prachtaufwand ausgestatteten Entwürfen zu
Grunde liegen, lassen sich in folgende Hauptgruppen zu-
sammenfasscn. Die idealen Prachtfassaden, vor denen sich
das Reiterstandbild erheben soll, sind meist so groß, daß
an einen Standort für dieselben innerhalb der Stadt
überhaupt nicht gedacht werden kann. Die Künstler haben
daher diese Fassaden in den Tiergarten hineinvcrlegt.
Dabei sind folgende Plätze gewählt worden: Erstens der
Platz dicht vor dem Brandenburger-Thor, so namentlich
von Sch aper in seinem akademisch korrekt entworfenen
Aufbau; zweitens der Königsplatz; in diesem Falle
wollen die einen Krolls Theater abreißen und dort eine
Art Ruhmeshalle von ähnlicher Höhe und Breite wie das
ganze Reichstagsgebäude errichten. Andre wollen einen
kolossalen Reiter vor die Siegessäule an den Eingang

der Siegesallce setzen. Ein Vorschlag von sehr feinem
künstlerischen Empfinden hat für diesen Fall eine voll-
ständig neue künstlerische Ausgestaltung des häßlichen und
für einen städtischen Platz viel zu großen und inhaltlosen
Königsplatzcs vorgeschlagcn. Die andern, und darunter
namentlich der Bildhauer Ott o Lessing, gehen in ihrem
Ranmbedürfnis so weit, daß sie mitten im Tiergarten an
der Durchkreuzung der Charlottenburger- und der Sicges-


Porkräk meiner Frau, von INar Nonnenbruch
allce einen neuen kolossalen Platz ausholzen und denselben
durch die verschwenderischsten Säulenhallen, die zur Auf-
stellung von allerlei Ehrenstatuen bestimmt sind, mit dem
Brandenburger Thor verbinden. Jeder derartige Entwurf
würde natürlich den Kaiser aus seiner Hauptstadt heraus
auf einen ganz gleichgültigen Fleck, der nichts als ein
Zielpunkt für Spaziergänger ist, bringen. Dadurch daß
der deutsche Reichstag beschlossen hat, dem Kaiser das
 
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