Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

DOI Artikel:
Voß, Georg: Die Entwürfe zum Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0042

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Entwürfe zum Oationaldcntnnal für Kaiser Wilhelm
Von Georg voß

'^llls der alte Kaiser gestorben war und der deutsche
Reichstag sofort in einer bisher für künstlerische Tinge
bei uns unbekannten Freigebigkeit die Mittel bcrcitstellt',
um dem Gründer des neuen deutschen Reiches ein Denk-
mal, würdig der Bedeutung seines Reiches, zu schaffen,


Damrnporlräk. von Lu gciEKlinkenberg

glaubte das deutsche Volk, dass eine Aufgabe von dieser
Bedeutung unsre Bildhauer und Architekten zur Anspannung
ihrer besten Kräfte anspornen werde. Das deutsche Volk
erwartete von den Entwürfen zu diesem Denkmal eine
Großthat der deutschen Kunst, die sich ebenso stolz und
frei über das Niveau unsrer gewöhnlichen Denlmals-
plastik erheben würde, wie Kaiser Wilhelm und seine
Zeit über das politische Leben seines ganzen Jahr-
hunderts. Dieser Glaube hat uns betrogen. Unter allen
Entwürfen befinden sich nur wenige, die sich auf der
Höhe der künstlerischen Ansprüche an eine solche Aufgabe
halten, und unter diesen wenigen wird kein einziger den

historischen und praktischen Anforderungen gerecht, welche
unser Vaterland an ein Denkmal seines ersten deutschen
Kaisers stellen muß.
Diese Niederlage der deutschen Kunst ist um so
betrübender, weil jeder Kenner weiß, daß unsre Bild-
hauer und Architekten Bedeutenderes zu schaffen im stände
sind. Doch ein großer Teil von unfern besten Kräften
hat sich an der Aufgabe überhaupt gar nicht beteiligt.
Die Annahme, daß ein im Berliner Kunstlcben besonders
bevorzugter Bildhauer zweifellos dcu ersten Preis er-
halten würde, war so allgemein, daß viele von unfern
besten Kräften vor dem Aufwand an Zeit und Geld,
den eine solche nur mit vielen Hilfsarbeitern zu be-
wältigende Aufgabe erfordert, zurückgcschreckt sind.
Daß in einem Kaiser Wilhelm-Denkmal die Gestalt
des Kaisers die Hauptsache sein müsse, kommt in der
Mehrzahl der Entwürfe überhaupt nicht zum Ausdruck.
Unter den Säulenhallen und Prachtfaffadc», mit denen
die Bewerber noch verschwenderischer als die Bau-
meister der römischen Kaiserzcit umgegangcn sind, ist das
Standbild des Kaisers meist nur eine dekorative Zuthat.
Ter Grundgedanke, von dem die meisten Bewerber aus-
gegangen sind, geht darauf aus, daß hier möglichst viele
Millionen verbaut werden müssen. Gewiß wird die
Nation das Verlangen haben, daß das Denkmal des
dahingeschicdcncn Kaisers auch in seiner Prachtcntfaltung
der Macht und Größe und der nationalen Opferwilligkcit
des deutschen Reiches entspricht. Doch alle diese weit
und breit gehegten Licblingswünsche dürfen uns bei der
Beurteilung der Entwürfe nicht darin beirren, daß wir
in erster Linie danach fragen müssen, ob das Denkmal
das rechte Abbild des dahingeschiedenen Monarchen
wiedergibt. Die architckonische Anlage des Ganzen ist
eine vollständig andre Frage, die erst in zweiter Linie in
Betracht kommt. Tie Bildhauer, welche die Entwürfe zu
dem Standbilde des Kaisers modelliert haben, sind keines-
wegs immer auch die Erfinder der dazu projektierten
architektonischen Umgebung. Diese architektonische Um-
gebung und die Statue selber müssen daher auch bei der
Erteilung des Auftrages vollständig von einander ge-
trennt werden.
Darüber, daß der Kaiser in der historischen Tracht
seiner Zeit dargestcllt werden müsse, sind keineswegs
alle unter den cingesendeten Entwürfen einig. Ein Ent-
wurf hat den Kaiser sogar als Triumphator auf einem
antiken, von vier Pferden gezogenen Sicgcswagen dar-
gestellt. Andre Entwürfe denken sich eine mittelalterliche
Mantelfigur mit dem Schwert und der Krone des alten
Kaiserreichs. Doch niemand wird heute nach dem ncu-
erwachtcn Wahrhcitssinn der deutschen Kunst eine solche
Kostümpuppe ernstlich dem deutschen Volke als seinen
Kaiser hinstellcn wollen. Selbst den Krönungsmantel,
dessen dekorativen Faltenwurf noch Rauch in seinem
Reiterstandbild des alten Fritz darstcllen zu müssen
glaubte, wollen wir heute gerne missen, wenn wir statt
dessen eine würdige künstlerische Darstellung des Kaisers
in seiner einfachen streng historischen Uniform erhalten
können, so wie uns die Erscheinung des Kaisers aus
seinen Lebenstagen vertraut ist. Unter den Reiterstand-
 
Annotationen