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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Adelung, Sophie von: Das russische Kostüm, [1]: eine Atelier-Studie
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Tscharner, B. von: Die erste nationale Schweizerische Kunstausstellung in Bern
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0446

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3H6 Das russische Kostüm, von S. v. Adelung — Die erste nationale Schweizerische Kunstausstellung in Bern

Jugend ein träumerisches stilles Wesen, während die kleine
Wera sich bald als umsichtige, praktische zukünftige Land-
wirtin erwies. Lensky liebte das Landleben mit seinen
stillen Naturschönheiten und seiner Beschaulichkeit, aber er
ging den Wirtschaftsangelegenheiten, dem Viehstall, der
Berührung mit den Arbeitern sorgfältig auS dem Wege.
Wera hingegen war von früh bis spät auf dem Hofe,
unter dem Gesinde; mit wahrer Herrschermiene einer
kleinen Königin teilte sie mit ihrer ruhigen, klaren Stimme
Befehle aus, sie sah alles, wußte alles und war ebenso
gefürchtet wie geliebt. Der Onkel, welchem die Gleich-
gültigkeit Lenskys ein steter Kummer war, beschloß in
einem seiner Anfälle von Jähzorn, denen er unterlag,
sein Testament zu gunsten Weras zu ändern. Er that
dies heimlich, mit Hilfe seines Advokaten und mehrerer
Dienstboten als Zeugen, und starb dann plötzlich am
Schlage, ohne sein Unrecht, welches er sicher eingesehen
hätte, gutmachen zu können.
So sah sich Lensky in seinem zweinndzwanzigsten
Jahre plötzlich enterbt, aller seiner Rechte, welche ihm
von jeher als selbstverständlich gegolten, beraubt -— auf
sich selbst angewiesen. Jetzt erst fühlte er, wie tief er
mit all seinen Lebensfasern an die heimatliche Scholle
gewachsen war, wie lieb und wert ihm das Stück Erde,
das er als sein Eigentum betrachtet und ein tiefer Groll
gegen den Onkel, die Kousine, die Heimat, welche solche
Ungerechtigkeit dulden konnte, erfaßte ihn. Wera hatte
ihn in ihrer ruhigen, sicheren Weise stets ein wenig
gehofmeistert und er fügte sich fraglos ihrem stärkeren
Willen: jetzt kam es zu einer unliebsamen Szene zwischen
ihnen. Wera, die selbstbeherrschte, gemessene, wurde
leidenschaftlich, sie warf ihm seine Trägheit, seine Gleich-
gültigkeit, die an allem schuld seien, niit harten Worten
vor, und endete in einem Strom von Thränen. Kon-
stantin, blaß vor Schmerz und Zorn, sprach, vielleicht
zum erstenmal in seinem Leben nur wenig Worte —
doch es waren lauter Stichworte, wie „Verrat —
Schmeichelei — Betrug" --- dann schieden sie, einander
in tiefstem Herzen hassend mit anscheinendem Gleichmut
auf Nimmerwiedersehen.
Konstantin Packte noch am selben Tage seine Sachen
zusammen: die Tante ging bitterlich weinend und die
(Der Schluß r

Hände ringend von der beharrlich verschlossenen Thür der
Nichte zu der beharrlich verschlossenen Thür des Neffen,
denn sie liebte beide wie ihre eigenen Kinder. Die
Gutsherren der Nachbarschaft kamen, um Konstantin zu
besuchen: man riet ihm, sich an die Advokaten in der
Gouvernementsstadt zu wenden: sie würden ihm zu seinem
Recht verhelfen: der Onkel sei schließlich doch nur ein
altersschwacher Greis gewesen, der in einem kindischen
Zornesanfall sein Testament verändert; und was die
Zeugen und den Landadvokaten anbetraf — hm — so
Wiste man ja. . .
Konstantin wies ihren Rat mit Entschiedenheit zu-
rück. Fort, tausendmal lieber fort ans diesen Mauern,
die ihn zu erdrücken drohten, als seiner eigenen Verwandt-
schaft den Prozeß erklären. Das wenigstens hatte noch
keiner der Lenskys je gethan — wenn sie auch ihre
Nachkommen zu enterben, von Haus und Hof zu ver-
bannen im stände waren. Es würde der Tod der alten
Tante sein — und die Kousine — nun, sie mochte sein
wie sie wollte, aber sie waren doch zusammen ausge-
wachsen. -— Dazu war auch in ihm ein Drang nach
Freiheit, nach neuem, fremdem erwacht, der sich seltsam
in den Groll des Abschiedswehes mischte. Er gedachte
der stillen Neigung zur Kunst, die er seit seiner frühesten
Kindheit empfunden und daß jetzt der Augenblick ge-
kommen sei, um der Welt, der Kousine, ja dem ganzen
Vaterlande zu zeigen, daß er etwas tüchtiges werden
könne, wenn er nur wolle. In Deutschland, dem Lande
der Kunst, mußte er sein schlummerndes Talent ausbilden,
die Malerei sollte fortan seine einzige Liebe, seine Heimat,
sein Ziel sein.
Lensky schied an einem wintersgrauen Morgen, nur
von der weinenden Dienerschaft bis ans Thor geleitet.
Sie alle hatten den jungen Herrn doch herzlich lieb ge-
habt, das sahen sie jetzt ein und das gab dem schweren
Herzen Lenskys einen wohlig-schmerzlichen Stich mehr.
So war er in unsrer Stadt angelangt, ein junger,
verwöhnter Mann mit einem sehr mäßigen Vermögen,
voll guten Willens, dabei willenlos wie ein Kind, naiv
und weltklug zugleich und brachte einen ganzen Hausen
Anschauungen und Begriffe mit, die uns bisher völlig
fremd gewesen,
nächsten Hefte)

Die erste nationale Schweizerische trunstausstellung in Dern

Von llr. B.
er 1. Mai 1890 wird in den Annalen der schweizer-
ischen Kunst ein denkwürdiger Tag bleiben. An
demselben wurde in Ausführung der Beschlüsse der
Bundesbehörden die erste schweizerische Kunstaus-
stellung eröffnet. Die von der Jury der schweizerischen
Kunstkommission unter mehr als 500 eingelangten Ar-
beiten von Schweizern und in der Schweiz ansässigen
Ausländern zugelassenen über 400 Kunstwerke fanden im
Kunstmuseum in Bern eine möglichst zweckmäßige Auf-
stellung und wurden von einer bedeutenden Zahl aus der
ganzen Schweiz herbeigekommener Personen besucht.
Die Ausstellung machte einen günstigen Eindruck.
Doch entsprach sie nicht allen Erwartungen. Viele hofften,
es werde eine spezifisch schweizerische Kunst auftreten und

. Tscharner
fanden sich enttäuscht. Diese ist jedoch nicht vorhanden
und wird sich kaum jemals in diesem engern Sinne geltend
machen können. Unsre Künstler, beeinflußt von den mäch-
tigen Nachbarstaaten, folgen je nach ihrer Stammverwandt-
schaft und Ausbildung meistens den deutschen, französischen
und italienischen Richtungen. Auch in andrer Beziehung
trat der nationale Charakter nicht genügend hervor. Zwei
Gebiete, welche der Schweiz besonders angehören, waren
zu wenig vertreten. Eigentliche Historienbilder fehlten ganz
und doch ist die Geschichte der Schweiz so reich an herr-
lichen Vorbildern, welche der Menge vorzuführen eine
nationale Ausstellung berufen ist. Auch wurden eindrucks-
vollere Darstellungen der Großartigkeit der Alpennatur
vermißt. Wenige der ausgestellten Landschaften brachten
 
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