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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Brandes, Otto: Der Salon im Industrie-Palast, [1]
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Preisausschreibungen - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Vom Kunstmarkt
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Der Salon ,m Zndustrie-Palast. von Otto Brandes — Personal- und Ateliernachrichten 3^5

genen gemacht haben. Auf einer Bahre wird dem Zuge
voran ein verwundeter Ulanen-Offizier getragen. Der
Typus unsrer langbeinigen, gefürchteten Ulanen ist vor-
trefflich studiert. Das Bild gehört zu den besten Militär-
bildern. Boutigny, einer der talentvollsten, der sich
hauptsächlich mit dem Soldatenleben beschäftigenden Maler
gibt zwei weitere Episoden aus dem letzten Kriege: „Die
Überraschung in einem Dorfe" und „Der letzte Posten".
Hieran knüpfen sich naturgemäß die Revanchebilder,
von denen Bettaniers „Spion" das gehäßigste ist.
Ein ambulanter Händler, dem der deutsche Typus ge-
liehen ist, wird in einem Felde, wo die Leute an der
Kornernte sind, von berittenen Gendarmen arretiert, die
Bauern wollen sich auf ihn stürzen, um selbst kurzer
Hand Justiz zu üben, die Frauen halten sie zurück. Ge-
malt ist das Bild in der Absicht, ihm den Wert eines
Dokumentes zu geben im vollen Sonnenlicht, aber ohne
Kraft des Ausdruckes. Dergleichen Bilder, Herr Bettanier,
lassen Sie sich es gesagt sein, sind nicht im stände, auch nur
das geringste Interesse zu erwecken. Ich habe keinen
Franzosen davor zittern, noch zürnen sehen.
Doch verlassen wir einen Augenblick die zeitgenös-
sische Geschichte, um ins Archäologische unterzutauchen.
Rochegrosse sucht der Tadema Frankreichs zu werden.
Das eine seiner Bilder stellt um einen Tisch versammelte
römische Damen und Kinder dar, die einem Wachtelkampf
zusehen. Obwohl man von der Charakterisierung der
aufmerksamen, reizenden Kinderköpschen nichts nachteiliges
sagen kann, so ist doch die Hauptsorge Rochegrosses auf
die Acccssorien, die Kostüme, das Mobiliar, die Schmuck-
gegenstände des Raumes gerichtet. In dem zweiten Bilde
schildert er uns die staunende Bewunderung ägyptischer
Haremsdamcn der mit Erlaubnis zu sagen XVtll. Dy-
nastie über eine neu augekommene blonde Kollegin. Das
ist alles sehr virtuos gemalt, aber die Dynastie ist schon
ein bischen lange her. Luminais, der Maler der
Gallier und der Barbaren stellt einen „Frauenraub" aus.
Ein strammer Bursche hält auf dem Pferde, an welches
er sich mit den Beinen anklammert, hinter sich eine junge
Frau, die sich seinen nervigen Armen zu entringen sucht.
In der Szene liegt eine hübsche Summe Kraft und Be-
wegung, doch sind die Linien der auf dem Pferderücken
sich kreuzenden nackten Figuren ungraziös.
Jean Paul Laurens, der uns sonst immer weiße
Mönche im durch mächtige Klosterfenster fallenden Hellen
Licht malt, hat es dieses Mal mit roten Troubadours
versucht, die unter einem Baume sitzend die Gründung
der »^eux llloraux« diskutieren. Das von Heller Luft
und Sonnenlicht durchwehte Bild ist überaus anmutig,
wenn auch nicht den früheren Arbeiten an die Seite zu
stellen.
Ich habe Eingangs Benjamin Constans er-
wähnt. Das Bild, auf welches ich hinwies, ist die
„Mondscheinsonate". Der Künstler, welcher in seinen
Orientbildern in allen Farbentönen zu schwelgen Pflegt,
hat in diesem Bilde uns wohl den Beweis liefern wollen,
daß er auch durch schwarz und weiß uns zu packen ver-
steht. Der Beweis ist mißlungen. Es ist Nacht, Beet-
hoven sitzt am Klavier, durch das Fenster dringt ein
Mondenstrahl, die Konturen zweier Freunde des Meisters,
der seine unvergleichliche Komposition spielt, erkennen
lassend. Das ist alles dick und undurchsichtig und pech-
schwarz, von einem geheimnisvollen Nachtweben, von

einer Atmosphäre ist keine Rede. Das Bild ist ganz auf
Stimmung angelegt, es bringt höchstens eine Verstim-
mung zuwege.
Das Studium des Nackten soll immer wieder der
Zeitvertreib des Künstlers sein, ich sehe aber gar keinen
Grund dafür, daß die Künstler, wenn sie nicht eine nackte
Frau wie die Tilians in der Tribuna aufzuweiscn haben,
diese ausgezogenen Herrschaften in den Salon schleppen.
Wir finden das Nackte in allen Situationen mit und ohne
mythologischen Vorwand, sitzend, kauernd, liegend, stehend
sich rcckelnd, der „Morgen" heißt eine solche Figur dann
regelmäßig, ja fliegend und zwar mit Libellenflügeln, von
hinten, von vorn, im Profil, einzeln und in Gruppen.
Ich habe gezählt, in einem Saale sind acht nackte Figuren
ausgestellt. Ich komme schließlich auf die Idee, daß, da
diese Nacktheiten doch schwer verkäuflich, sie von den
Künstlern nur genialt werden, um mit dem photographi-
schen Verlage ein Geschäft zu machen. Sie werden sichs
durch die große Konkurrenz aber verderben. Maignon
hat als er seine „Geburt der Perle" malte, wenigstens
eine Idee bei der Darstellung seiner nackten Figuren ge-
habt. In einer mächtigen Perlmuttermuschel kauert ein
nacktes junges Mädchen, ein Genius schießt fast senkrecht
auf sie hernieder nnd küßt sie auf die Lippen. Rings um
die Muschel allerhand Felsen, grüne Pflanzen, Meerge-
wächse, ein Farbengeflirre von rot, blau, grün, gelb,
ein Überfluß an Details, der dem Ensemble schadet, die
Aufmerksamkeit zerstreut und den Blick ermüdet. Von dem
Schöpfer der „Sturmglocke" konnte man Besseres erwarten.
Benjamin Constans stellt eine orientalische nackte
Schönheit inmitten reicher farbenprächtiger Stoffe unter
dem Titel „Victrix" aus. Die Dame hat offenbar ihre
Kolleginnen bei ihrem Herrn und Meister ausgestochen.
Herr Benjamin Constans sticht mit seinem Bilde aber
nichts aus. Auch Bennar malt seine obligaten nackten
Nymphen im Walde und zwar — warum es leugnen —
mit immer wachsender Vollkommenheit.
(Der Schluß im nächsten Hefte)

Personal- und Alrlirrnachrichlrn
L. München. Professor Hermann Kaulbach hat
gegenwärtig zwei neue Werke auf der Staffelei. Einem groß
angelegten Gemälde ward der Titel „Kerzenopfer" gegeben. In
der steinernen Nische des mächtigen Domes sitzt ein bleiches Weib,
mit einem schwerkranken, schlummernden Kinde auf dem Arm.
Vor ihr, auf eisernem Lpferstock, schwelen zwei geweihte Lichtlein,
welche die unglückliche Mutter der Himmelskönigin, deren be-
kränztes Bildnis an der rauhen Wand erscheint, als der All-
heilerin spendet — damit sie den armen Sohn vor dem Tode
rette. Die Frau starrt schwermütig und gedankenvoll ins Leere;
indessen ein andrer, gesunder Knabe, an die Beschützerin geschmiegt,
verwundert dem Spiel der flackernden Kerzen zuschaut. Die Helle
des sonnigen Tages dringt vollkräftig durch das hohe Kirchen-
fenster und ringt tapfer mit dem gespenstischen Scheine der Lichter.
Dem Leben bleibt der Sieg. — Eine Szene aus dem Erden-
wallen der Muttergottes schildert das zweite Bild. Flüchtig, von
den Feinden verfolgt, hält Maria am Abend willkommene Rast.
Ein ärmlicher Bauernhof nimmt sie auf. Während die Sonne
am Himmel verglimmt und die blassen Sterne erscheinen, läßt
sich die Frau hinter einer schützenden Mauer nieder und gibt dem
Kinde Nahrung. Wir sehen nur das rein Menschliche des Vor-
ganges und vergessen Religion und heilige Schrift. Die Natur
atmet reinen Gottesfrieden.
tr. Düsseldorf. Der Kupferstecher Joseph Kohlschein
hat einen Kupferstich uach Murillos „Unbefleckter Empfängnis"
(im Louvre) vollendet, und zwar in der gleichen Größe seines
bekannten vorzüglichen Stiches nach Raffaels „Heil. Cäcilia"
 
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