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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Künstler und Käufer
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Ausstellungen, Sammlungen etc. -
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0486

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Künstler und Käufer — Personal- und Ateliernachrichtcn


Nebensache. Dem ist aber nicht so. Man würde einem
Dupre, Rousseau, Daubigny arg unrecht thun, wenn
man ihrer Zeichnung nicht den nämlichen Wert und die
nämliche Bedeutung beilegte wie ihren Farben. Die
Farben des Meeres bei Dupre rauschen über ganz ge-
waltige Zeichentechnik. Der Deutsche malt zeichnend, der
Franzose zeichnet malend! Bei dem Deutschen ist die
Farbe das Gewand seiner Zeichnung, beim Franzosen
verschmilzt Zeichnung und Farbe zu einem harmonischen
Ganzen. In Einem sind die Deutschen den Franzosen
über: Im Spachteln. Wir kennen Bilder deutscher Künstler,
deren unwesentlichster Teil mit einem Pinsel entstanden
ist. Wir erlaubten uns vorhin Liebermann zu nennen.
Liebermann hat Bilder angefertigt, bei denen der Spachtel
und die Tube (durch Ausdrücken der Farbe) mehr geleistet
haben als der Pinsel, einige Teile könnte man farben-
plastische Flächen nennen ä In Rochegrosse, der so-
gar in Farbenkleckse Steine hineinsetzte und so Blumen
erzeugte mit glanzvollem Kelch! (Wir denken an das
Gemälde „Tannhäuser bei Frau Venus".) Wie weit der
Gebrauch der Spachtel in der Malerei statthaft, über-
lassen wir der Beurteilung derer, die den Gebrauch ver-
stehen ohne Mißbrauch zu üben. Ein Bild will unsrer
Meinung nach gemalt sein und zum Malen sind Pinsel
nicht Spachteln, die zum Aufträgen der Farbe ans die
Palette dienen sollen, nicht zum Beschmieren der Lein-
wand. Wenn Tintoretto, Raffael und Michel
Angelo die großen Flächen, die ihnen zur Bearbeitung
übergeben wurden, mit dem Pinsel beherrschen konnten,
sollten die Maler des 19. Jahrhunderts Staffeleibilder
ohne derartige Bequemlichkeitsbehelfe malen. Man kann
diese Malwcise „genial" nennen, unsres Erachtens verdient
sie aber gerechterweise nur die Bezeichnung „raffiniert".
Raffiniert, zum mindesten „berechnend", möchten wir oft-
mals auch die neumodische Umrahmung und Unterglas-
stellung der Bilder nennen. Um einem mittelguten Bilde
ein bestechendes Äußeres zu geben, wird jetzt die Ein-
rahmung besonders üppig angefertigt. Wir sahen Land-
schaften zweifelhafter Güte unter Glas, das Glas um-
schloß zunächst eine zwei Zoll breite Platte, dann kam
ein lebhaftes ausladendes Profil — das Ganze sah nach
etwas aus, der Kern aber war bitter. Nur wenige Künstler
verzichten darauf, der Mode Tribut zu zahlen, noch
weniger folgen nur ihrer individuellen Kraft ohne der
zeitweiligen Geschmacksrichtung zu huldigen. Ein Stocken
verleitet zur Umkehr, d. h. zur Einkehr auf die Bahn der
Imitatoren. Das sträubende Ehrgefühl wird mit den
Worten: „Das Publikum wünscht es so!" beruhigt.
Das Publikum! Sein Geschmack bedingt demnach den
Weg der künstlerischen Thätigkeit, anstatt daß er von
dem Künstler gezwungen wird, seinen Bahnen zu folgen!
Traurig aber wahr, in Deutschland beeinflußt wie bei
keiner andren Nation der Laie den Künstler! Woher
kommt das, fragen wir uns. Wir haben keine andre
Antwort als die: Dem vielgereisten Deutschen fehlt das
Vertrauen zu der Selbständigkeit seiner Kunst. Halten
wir Umschau. Der Italiener, der Spanier, der Engländer,
der Däne, sie alle haben ihre spezifische Kunst. Ter
sarbenliebende Italiener, der phantastische Spanier, der
praktische Engländer, der nüchterne Däne, alle geben ihren
Kunsterzeugnisscn ein eigenes Gepräge; der Deutsche zahlt
in allen Münzen, sieht nicht auf Eigenthümlichkeit; wie
es seiner Fähigkeit am passendsten erscheint, lehnt er sich
Die Aunst für Alle V

an diese oder jene Kunst an — kurz — braut ein Ra-
gout von andrer Schmaus! Gott sei Dank, gibt cs zahl-
reiche Ausnahmen, aber gerade diese Ausnahmen erfahren
es an sich selbst wie schwer es ist, gegen den Strom zu
schwimmen und wie stark die Welle rückwärts treibt.
Gerade so wie der Deutsche malt, versucht er auch zu
verkaufen. In alle Weltteile versendet er seine Kunst-
werke. Die andern Nationen thun das lange nicht in dem
Grade. England zeigt sich nur auf den Ausstellungen,
ebenso Spanien, Frankreich und Dänemark (den Bildern,
die spekulative Händler aufgetriebcn haben, legen wir
keine große Bedeutung bei). Von England und Frank-
reich bezieht der Kunstfreund vom Künstler direkt so
wenig, daß die Ankäufe kaum in Betracht kommen. Eng-
land beschäftigt seine Künstler selbst, in Frankreich werden
französische Bilder mit so abnormen Preisen bezahlt,
daß man die Nullen nicht zählen kann. Nur Italien ist
auf das Ausland angewiesen, Weil der Mittelstand nicht
kauft, der Reiche sein Interesse für die Kunst in ver-
gangenen Jahrhunderten gelassen hat. Italienische Skulp-
tur und Malerei sucht man allüberall, am meisten aber
in Deutschland. Schon der Italiener erkennt die Schwäche
der Deutschen, weiß sie zu nützen und macht gute Ge-
schäfte, denn seine Bedürfnislosigkeit akkomodiert sich der
deutschen Zahlungsfähigkeit. Der Deutsche will billig
kaufen, zumal die Erzeugnisse seiner Kunst. Für Fran-
zosen gibt allenfalls ein Mäcen eine hohe Summe, wagt
gar nicht einmal ein niedriges Angebot zu machen; mit
seinen Landsleuten ist er vertrauter und ungenierter, die
setzt er oft durch allzu geringe Wertung ihrer Arbeiten
in Erstaunen. Wie weit die Freigebigkeit der Deutschen
den Franzosen gegenüber geht, erhellt aus einem Bei-
spiel. Ein Kunstfreund hat in seiner Sammlung einen
Meissonier, wir möchten beinahe sagen in Sammt und
Seide, so pomphaft ist der Krieger staffiert, den das
Bildchen (10 cm bis 20 cm) darstellt. Ein Künstler be-
sucht die Privatgalerie, schaut alles mit großem Inte-
resse an, bleibt vor dem Meissonier stehen, schüttelt seine
Künstlerlocken und sagt dem Besitzer: „Mein lieber Freund,
der Meissonier gefällt mir gar nicht! Der Angeredete er-
widert: „Zahlte 40,000 Franks — ich finde auch, so.
schön ist er nicht, aber — es ist doch immerhin ein
Meissonier!" Wenn das die Deutschen von ihren Künstlern
sagen wollten! Wenn die Deutschen so nachsichtsvoll mit
ihrer Kunst verfahren wollten, wie sie pietätvoll den
Namen der Franzosen gegenüber sind! Welch ein An-
sehen würde das für die deutschen Künstler sein, wenn
ihnen eine Möglichkeit erschlossen wäre, mehr als bisher
von Sammlern und Galerien berücksichtigt zu werden.

Personal- und Akelirrnschrichlen
k. kt. Non Bildhauer Dennerlein, dem begabtesten
Vertreter strengen monumentalen Stils hier, ist dermal im
Kunstverein eine Grabfigur ausgestellt, die es wohlthuend be-
weist, daß seine rtzthmische Durchbildung der Linien sich mit
größter Naturwahrheit recht wohl vereinigen lasse, wie das ja
schon die Antike zeigt. Hier handelte es sich um ein etwa drei-
jähriges Mädchen, das der Künstler zum Engel verwandelt auf
dem Grab sitzend und mit Rosen.spielend zeigt. Dabei ist die
Porträtähnlichkeit sehr gelungen fcstgehalien und der nackte Kör-
per der Kleinen aufs liebevollste durchgebildet, so daß das Ganze
durch diese glückliche Idee der Verklärung des Sterblichen zum
Unsterblichen den für ein Grabdenkmal Passendsten und zugleich
lieblichsten Anblick gewährt.

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