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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Pecht, Friedrich: Die zweite Münchener Jahres-Ausstellung, [2]
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Brandes, Otto: Der Salon im Industrie-Palast, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0421

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Z2S Die zweite Münchener Iahres-Ausstellung. von Fr. pecht — Der Salon im Industrie-Halast. Von G. Brandes

ein Messe lesender alter Priester von Rösler oder Laupheimers trefflich charakterisierte Taufe, während
Springs singende Mönche mehr humoristisch wirken. Hätte die Malerei recht, so wäre jedenfalls die Macht
der Kirche bei uns weit eher im Zunehmen als im Schwinden begriffen, während bei den romanischen
Nationen eher das Gegenteil der Fall zu sein scheint. So bringt Benlliure einen Hexensabbath ganz nach
dem Vorbild des Teniers, nur noch viel grotesker, wie uns denn die letzten Bilder dieses begabten Künstlers
immer manierierter erscheinen wollen.
Auch an die See führen nns die Maler, so der Karlsruher Kallmorgen an den Damm in Ost-
ende, und der Waldmaler Peter Paul Müller gar nach Scheveningen, während der Italiener Delleani
sehr zeitgemäß eine elegante Gesellschaft an einem klaren Gebirgssee frühstücken läßt. L. van Acken aus
Amsterdam bringt uns dagegen in ein dortiges Altweiberhaus, wo die verwitterten Damen eben ein Spielchen
machen oder ihren Kaffee mit dem Zucker des Klatsches versüßen, während der Pariser Czeche Brozik seine
normännischen Bäuerinnen dies Geschäft wenigstens vor dem Haus im Grünen besorgen läßt. Alte Junggesellen
fehlen auch nicht; so amüsiert sich Ernst Zimmer manns köstlicher mittelalterlicher Gelehrter damit, die
Lesarten zweier alter Schmöker zu vergleichen, wie Hackls Präparator Vögel ausstopft, während Ligonis
eleganter Altertümler mit Entzücken alte Vasen betrachtet und Biharis „Dorflump" der Schnapsflasche die
nötige Wärme entnimmt, um musizierenden Zigeunern durch den dicksten Schnee voranzutanzen, wie Kowalsky
einen wohl zu begeisterten Reiter durch die Krautäcker setzen läßt. Kraut und Kohl erfreuen sich überhaupt
besonderer Gunst bei unfern Malern, denn auch Orrin-Peck läßt seine hübsche Dame aus der Biedermayer -
zeit unter den Kürbissen eines übrigens köstlich erfundenen Vorstadtgärtchens in einer kleinen Stadt ihren
Liebesbrief lesen, was trotz der übermäßig grauen Färbung ein auffallend liebenswürdiges Bild gibt. Zn den
extremsten Graumalern ist auch der noch vor zwei Jahren durch die Kraft seiner Färbung entzückende Hugo
Vogel in Berlin übergegangen und verdankt dem ein Bild, das weder seinen doch früher schon vollkommen
ausgebildeten persönlichen Charakter und noch viel weniger sein Talent wiedererkennen läßt. Es ist das eine
mit dem Kinde auf dem Arme in der bekanntlich obligaten, abscheulich grünen Wiese stehende Bauernfrau, die
weder charakteristisch erfunden noch schön gezeichnet und sicherlich auch nicht halb so gut gemalt ist, als er das
verstand, ehe es ihn juckte, eine neue Mode mitzumachen. Sehr viel besser, weil mehr in der alten Art ge-
malt, ist das anmutige Bild einer Kartoffelschälerin von ihm. Solcher Beispiele, wie einer sein Talent dadurch
schädigt, daß er das Nachahmen dieser Moden nicht lassen kann, gibt es leider nur zu viele auf dieser Aus-
stellung, wo die Graumalerei oft so ansteckend gewirkt hat, wie die Influenza, nicht weil sie an sich schlecht
wäre, sondern weil sie die Künstler um ihr bestes, die Selbständigkeit und Eigenart bringt. Deshalb ist sie
auch für junge, unfertige Künstler weit weniger gefährlich als für ältere, die sich schon einen bestimmten Stil
ausgebildet hatten.
Ich erwähne nun noch einige Bilder, die sich in keine Kategorie einreihen ließen, wie Gyrimskys
köstliches Nachtstück vom Münchener Max-Joseph-Platz, Kurellas „An der Weichsel" oder Scholtz in
Frankfurt originelle „Treiber auf der Spur" im Hochgebirge und Vezins sonnige „Ruderregatta", endlich
Blocks „Verlorener Sohn", dem sein Herr Papa, ein reicher Bankier, die Leviten ziemlich fruchtlos zu lesen
scheint. Das ist aber mit ausgesprochenem Talent gegeben. Immerhin erfreulicher wirken Weisers sehr-
anmutige Pensionärinnen, die sich als Herren maskiren. Spezifisch oberbayerisch und kerngesund sind dann
Lübens trefflich charakterisierte ..Spieler", Kleehaas' Kneipszene und Gräfs lustige Einquartierung oder
Raus „Spottvögel", Flösser, die zwei Mädchen necken.
(Die Fortsetzung im nächsten Hefte)

Der Salon im Industrie-Palast
von Gtto Brandes.
^>ie Zahl der Porträts ist in jedem Jahre im ordentlich gelungen. Stewart malt vier junge Mädchen
Zunchmen. Hierin und in der Landschaft leistet der der eleganten Welt in einem Treibhause mit vieler Verve.
Salon in den Champs Elysees recht bedeutendes. Eine Vor allem ist Bonnat mit seinem Bilde Carnots zu
neue Tendenz macht sich im Porträt geltend, man malt nennen, um das viel gestritten worden. Ich kann mir
nicht mehr Ton auf Ton, sondern sucht sich eine neue nicht helfen, ich halte es für eine große Kunstleistung,
Schwierigkeit darin, daß man das Porträt auf einen denn es bringt den im einfachen schwarzen Überrock in
Gobelinhintergrund malt. einem ledernen Lehnstuhle aufrecht sitzenden Präsidenten
Auf Holbein den jüngeren rekurriert für seine der Republik, der die eine Hand auf die Lehne des
Männer-Porträts Van Hove. Dieselben sind in Mo- Sessels gelegt hat, während der Kopf leicht in der Hand
dellicrung, in Charakteristik, in Wiedergabe des Glanzes des andern, auf einem daneben stehenden Schreibsekre-
des Auges und in Behandlung der Stoffe ganz außer- tär anfgestiitzten Armes ruht, in seiner schlichten
 
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