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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Lange, Julius Henrik: Karl Bloch: gestorben am 22. Februar 1890
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Üarl Bloch
f am 22. Februar (890

c^IIm 22. Februar
starb in Ko-
penhagen der Maler
Karl Bloch, wel-
chen die Dänen all-
gemein als ihren
ersten Künstler der
neuesten Zeit schätz-
ten. Am 23. Mai
1834 geboren zählte
er schon zu der
älteren Künstler-
grnppe, welche noch
nicht die späterhin
so innige Vertraut-
heit der dänischen
Malerei mit der
französischen einge-
leitet hatte; deshalb
waren auch jüngere
dänische Maler
(Kroyer u. a.) in
Frankreich weit
mehr bekannt als Bloch, obgleich dieser bei der Pariser
Weltausstellung 1878 die goldene Medaille und das Kreuz
der Ehrenlegion erhielt. In Deutschland dagegen mag
Bloch als Künstler nicht wenige Freunde gefunden haben;
besonders wurde seine Folge von neutestamentlichen Ge-
mälden in dem kleinen, prachtvoll hergestellten Betzimmer
auf Frederiksborg im nördlichen Seeland von Reisenden viel-
fach bewundert. Auch waren in der deutschen Kunstwelt
seine Radierungen geschätzt, unter denen sich in der That
viele vorzügliche, gediegene, echt künstlerische Blätter finden.
Er fing als Genremaler an und malte das heimat-
liche Volksleben — Fischer und Bauern — in demselben
Geiste wie die etwas älteren dänischen Maler der aus-
geprägten nationalen Richtung (Dalegaard, Vermehren,
Exner); jedoch verriet sich in Blochs Bildern bald der
eigentümliche Zug: ein erregteres, sowohl im Ernst als
im Scherz mehr packendes Seelenleben, dazu kam eine
schlagkräftigere malerische Gesamthaltung, eine effektvollere
Wirkung von Licht und Schatten, ein glanzvollerer Auf-
trag der Farben, als es der damaligen dänischen Schule
sonst geläufig war. In Rom hielt er sich von 1859
bis 1865 auf. In den letzten dieser Jahre brach er
sich ganz aus eigenem Triebe und mit seltener Energie
eine neue Bahn zu höheren malerischen Aufgaben. Er
wollte groß malen, große Gegenstände im großen Maß-
stabe. Er muß in den Tiefen seines Herzens irgend etwas
erlebt haben, welches ihn zum Sammeln und Hervortre'iben
der künstlerischen Kräfte drängte und ihn zugleich in eine
eigentümliche tragische Gefühlswelt hineinzog, in die Poesie
der Gefangenschaft, des Ankämpfens gegen Fesseln, des
Sehnens nach Befreiung. Er schlug gern die ergreifenden
Töne an, welche wir aus den Unterweltsvorstellungen
der Griechen kennen: die Qual der unaufhörlichen Wieder-
holung des Vorhabens oder des Schmerzes, das ewige
Unbefriedigtsein der vergeblichen Mühe. In diesem Geiste
faßte er schon in einem schönen Bilde das Mönchsleben
Die Aunst für Alle V

auf; dann malte er in großer Figur Samson geblendet
die Mühle bei den Philistern drehend (königl. Gemälde-
sammlung in Kopenhagen), sodann das kolossale Gemälde
des von Herakles aus seinen Fesseln befreiten Prometheus,
im königl. Schlosse zu Athen, sein Hauptwerk. Später
in der Heimat kehrte er bisweilen zu ähnlichen Motiven
zurück, wie in dem großen und vorzüglichen Gemälde
von dem Dänenköuig Christian dem Zweiten, der in dem
engen Gefängnis den ewigen, traurigen Rundgang um
den Steintisch macht (königl. Gemäldesammlung in Kopen-
hagen). Auch ging er in seinen letzten Jahren mit dem
Gedanken um, einen Sisyphos in der Unterwelt zu malen.
Doch damals war sein Ende schon nahe.
Als der befreite Prometheus 1865 in Kopenhagen
ausgestellt wurde, erregte das Bild durch die Gewalt der
Darstellung und die Tiefe des Gefühls ein Aufsehen, das
ohnegleichen in der dänischen Kunstgeschichte. Alle Thüren
flogen dem jungen Maler auf; er wurde bald zum Mit-
glied der Akademie gewählt uud mit Bestellungen über-
häuft; so bestellte z. B. der reiche Bierbrauer I. C.
Jacobsen d. ä. die obengenannte Bilderreihe für das Bet-
zimmer auf Frederiksborg. Er heiratete eine schöne und
liebenswürdige junge Dame aus der höheren Gesellschaft
uud hatte wackere Kinder (der älteste Sohn Paul Bloch
ist schon ein nennenswerter Maler). Er wurde Professor
an der Kunstakademie (1883), und alles was er malte,
großes uud kleines, wurde ihm sofort von den Käufern
unter den Händen fortgenommen. Er malte große Bilder
aus der dänischen Geschichte (z. B. im Festsaale der
Universität), acht große Altarblütter für dänische und
schwedische Kirchen, viele kleine, am meisten humoristische
Genreszenen, eine Reihe Von bedeutenden Porträts, in
den letzten Jahren auch kleine Landschaften; und in allen
Aufgaben hat er bei seiner großen angeborenen Begabung
Vorzügliches geleistet. Ob dieses reiche häusliche und
bürgerliche Glück, das bis zu dem Tode seiner Frau
(1886) dauerte, auch das beste Glück für seine Kunst
war, mag dahingestellt sein: vielleicht gefielen die freien
jugendlichen Sturm- und Drangjahre in Rom den hohen
Mächten besser, welche die Leiden des Menschenherzens
als Opfer fordern, um den Mann mit Lorbeeren zu be-
kränzen.
Bloch war von Hause aus ein Kopenhagens Kind,
ein Sohn wohlhabender Bürgersleute; seine alte Mutter
lebt noch nnd hat die Augen dem geliebten und bewun-
derten Sohne geschlossen: sie war das letzte lebende
Wesen, welches der Sterbende noch erkannte. In allen
Verhältnissen war er treuherzig und zugleich fein gesittet;
Literarische Kenntnisse und Fähigkeiten besaß er weniger,
er war ausschließlich der eigenen Kunst ergeben, Maler
ganz und gar. Auch war er — im Gegensatz zu
manchem tüchtigen Künstler der neueren Zeit — ein
großer Verehrer der alten Malerei, welche ihm im Vergleich
mit der heutigen, auch seiner eigenen, als „vorauswehende
Fahnen" vorkam, wie er es einmal selbst ausdrückte. Er
mag damals an Rubens oder die Italiener gedacht
haben, sonst war er mit den Holländern mehr vertraut
und auf diesem Gebiete ein erfahrener Kenner. Diese
retrospektive Bewunderung gereichte seinem Herzen und
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