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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Unsre Bilder
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Preisausschreibungen - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Kunstliteratur und vervielfältgigende Kunst - Vom Kunstmarkt
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Unsre Bilder, vom Herausgeber — Personal- und Ateliernachrichten

,72

eben ihrer Ungesuchtheit halber fesselnden Poesie. Sie
blitzt und funkelt durch das dichte Laub der Bäume, in
dem die kleinen Häuser versteckt sind, ja man meint genau
so, wie wenn man einem Dorf naht, das Vieh brüllen,
die Hähne krähen, die Kinder schreien, aber auch die
Bögel im dichten Grün singen zu hören, und sofort em-
pfindet man auch den innigen Zusammenhang dieser
Menschen mit der sie umgebenden Natur. Solch gesunde
Harmonie des ganzen trägt sich aber unwillkürlich auf
uns als Ruhe und Frieden, die es in uns erzeugt, über.
Und weil er das kann, sagt man von Liebermann, wie
oft man sich auch über ihn geärgert, zuletzt doch, er sei
trotzalledem ein ächter Künstler!
War beim vorigen Bild alles behagliche Ruhe, so
finden wir bei Wopsners „Verfolgung der Wilderer"
auf dem Chiemsee, Natur und Menschen in so gewaltiger
Aufregung, daß sie unwillkürlich uns selber packt. Der
Gewittersturm braust, das Wasser rauscht und die Men-
schen im Kahn sind sichtlich in mächtiger Spannung, da
sie sich auf einer höchst gefährlichen Jagd befinden. Denn
hinten zwischen den weißen Wellenkämmen sieht man das
Schifflein der Wilderer tanzen, die jetzt selber gehetztes
Wild geworden. Tie Aufregung der Schisser erklärt sich
aber leicht, weil jene Verfolgten den Verfolgern sicherlich
eher ein paar Kugeln zuschicken, als sich ergeben. Ja
sie haben es vielleicht schon gethan der Binde nach, die
einer der Ruderer um den Kopf geschlungen. Die Wild-
schützen haben offenbar auf die Hirsche im Wald der
Herreninsel rechts gepürscht und suchen jetzt, begünstigt
vom Gewittersturm, dem Jäger und Gendarmen zu ent-
rinnen, die ihnen nachgefahren, nachdem sie ihnen im
Walde entwischt. Es ist also eine neue Jagd, die da
begonnen hat und deren Lust selbst die Dirne ergreift,
obwohl sie vielleicht noch am Sonntag mit den Verfolgten
getanzt hat. Das Wildern ist eben eine Leidenschaft und
das Nachsetzen nicht minder, beides ist ein Spiel, wo der
Einsatz viel größer, der mögliche Gewinn selbst im besten
Fall bei weitem kleiner ist als der fast sichere Verlust.
Dennoch treiben Wilderer und Jäger, ja sogar die ganz
unbeteiligten Schiffer dieß Spiel mit gleichem Eifer, ja
obwohl die letzteren vielleicht schon selber genug gewildert.
Es ist eben die unwiderstehliche Passion des Jagens, die
alle gleich sehr ergriffen hat. Daß uns Wopfner dieselbe
aber mit solcher Kraft und Wahrheit schildert, das ist
fürwahr kein kleines Verdienst, das Bild verfehlt ob dieser
hochdramatischen Spannung wie ob der Ächtheit der Lokal-
farbe nirgends seinen Eindruck. Wer aber jemals den
Zauber des einsamen Chiemsees empfunden, wo die Natur
solche Macht entfaltet, daß auch die Menschen sich ihr
rückhaltslos hingeben, der wird ihn hier sofort wieder-
erkennen.

Personal- und Meliernachrichkrn
r.kt. Häberlins Wandmalereien im Kreuzgange des
ehemaligen Dominikanerklosters, jetzt Jnselhotels in Konstanz sind
im vorletzten Herbst noch durch den Besuch unsers vom Groß-
herzog von Baden geleiteten Kaisers besonders geehrt worden, da
sie im Laufe des Sommers sich durch vier weitere Bilder ver-
mehrt hatten, so daß die nördliche und westliche Seite des Kreuz-
ganges jetzt ganz vollendet sind. Zwei derselben bringen wir
hier (S. 175 u. 176), leider nur in kleinem Maßstab, nachdem das
durch die engen Bogenfenster des romanischen Kreuzgangs ein-
fallende ungleiche Licht die Herstellung der zu gründe liegenden
Photographien des Hofphotographen Wolf sehr erschwerte. Nichts-
destoweniger reichen sie vollkommen aus, um uns die Sicherheit

zu zeigen, mit der sich der Künstler in den Formen großen
historischen Sills bewegt, und sie dem Charakter der verschiedenen
Jahrhunderte anzupassen, zu Sittengemälden der jeweiligen
Periode zu gestalten versteht. So findet man das Leben der
Pfahlbauern, welche auf der Insel eine ihrer am See so zahl-
reichen Niederlassungen hatten, ebenso überzeugend als malerisch
reizend dargestellt. Gicht und Rheumatismus waren eben damals
offenbar noch nicht erfunden — während die wohlgenährten geist-
lichen Herren auf dem zweiten, den Einzug des ersten Konstanzer
Bischofs um 600 n. Chr. darstellenden Bilde schon mehr davon
gewußt zu haben scheinen. — Unstreitig ist in diesen kerngesunden
Darstellungen unsrer nicht allzu höflichen alemannischen Vor-
fahren etwas vom Scheffelschen Humor, was sie entschieden an-
mutend macht. Im Verein mit dem wunderbar fesselnden alter-
tümlichen Reiz der ganzen Örtlichkeit bringt das jenen ebenso
harmonischen als befriedigenden Eindruck hervor, der ihre mächtige
Anziehungskraft wohl erklärt, welche unser Kaiser ebensowohl
empsand als die tausende sonstiger Besucher, welche sich jeden
Sommer in das Jnselhotel drängen, um dies reizvolle Stück
Erde zu sehen. Im vergangenen Sommer hat der Künstler
dann noch fünf weitere Bilver vollendet, so daß im heurigen der
interessante Cyklus nahezu fertig werden dürfte, aus welchen wir
dann zurückzukommen denken.
id. Aus Rom wird uns geschrieben: Heinrich
Simieradski, dessen „Phryne in Eleusis" wir seinerzeit an
dieser Stelle erwähnt, hat soeben zwei neue Werke vollendet, die
in des Künstlers Atelier ausgestellt sind. Das eine ist ein
großes Deckengemälde mit den allegorischen Figuren des Früh-
lings, der Flora und spielenden Genien; alles in einen un-
vergleichlichen Zauberdust getaucht und in säst ätherisch leuchtender
Farbengabe ausgesührt. Das andre Bild stellt einen aus dem
Kampageleben gegriffenen, durchaus realistischen Stoff dar, >il
vimico< („Das Vialikum"), den der polnische Maler in wahrhast
künstlerischer Weise zu behandeln gewußt hat. Von einem ein-
samen Kirchlein herab bewegt sich dem Dörflein zu ein trauriger
Zug; voran ein paar Lichter tragende Knaben, dann der alte
Geistliche mit dem Sakramente. Die Weiber am Wege knieen
nieder und im Hintergründe liegen schon die Abendschatten aus
dem Gebirge. Alles vereinigt sich hier zu einer den Beschauer
tief ergreifenden Wirkung. — Noch ein andres Gemälde be-
schäftigt gegenwärtig die römischen Kunstkreise; ein Bild des
Spaniers Serra, das Christus darstellt, der die Kinder segnet.
Aber trotz der großen Lobsprüche, die Serra für sein neues
Werk bereits geerntet, will es uns nicht recht gelingen, zu einem
ähnlichen Urteile zu gelangen. Es fehlt, wie uns däucht, dem
Bilde des sonst mit Recht geschätzten Künstlers an dem historischen,
biblischen Hauche; ganz abgesehen von der nicht allzu glücklichen
Zeichnung mancher Personen. Es ist dies übrigens, so viel
wir wissen, das erste Mal, daß Serra sich auf diesem Gebiete
versucht hat. — Zum Schluffe noch die Mitteilung, daß die
diesjährige römische Kunstausstellung unter den Auspizien
des „Internationalen Künstlervereins" und der »3oeietä äei cul-
torl ecl amatori äelle belle artir am 26. April eröffnet wird
und bis Ende Juni dauern soll.
v. 1. Genf. Die Schweiz verlor am 5. Januar 1890
August Veillon, einen ihrer bedeutendsten Landschaftsmaler.
Geboren am 29. Dezember 1834 zu Bex (Kanton Waadt), war
er Schüler Didays in Genf, bildete sich dann in Paris und Rom
weiter aus und machte Studienreisen in der Schweiz, in Holland,
in Palästina, Egypten u. j. w. Venedig bewohnte er zwei Jahre
lang und seit vielen Jahren die Stadt Genf. Veillon hatte eine
eigene Manier, welche, entfernt von aller Effekthascherei, groß-
artige Auffassung, Naturwahrheit und poesievolle Stimmung ver-
folgte. In der Schweiz sprachen ihn besonders die spiegelnden
Seen an, im sarbensatten Orient der lebhafte Kontrast von Licht
und Schatten. Mit Vorliebe vertiefte er sich in die Poesie der
Wüste und der weitern Horizonte, deren magischen Zauber er
trefflich wiedergab. Veillons Ölmalereien und Aquarelle fanden
große Anerkennung und waren eine Zierde der Ausstellungen.
Sein „Frühlingsmorgen am Brienzersee" befindet sich im Berner
Museum, der „Abend in Venedig" im Basler Museum, „Bei
Brunnen am Vierwaldstättersee" in demjenigen in Zürich. Be-
sonders bekannt ist auch sein „Abend am Nilufer" und „Ara-
bisches Lager bei den Kalifengräbern". Der Verstorbene gehörte
zu den liebenswürdigsten Künstlern und besaß alle Vorzüge
eines höchst bescheidenen, wohlwollenden Mannes. — Am
10. Januar 1890 starb in Zürich Professor Ludwig Keifer,
Bildhauer von Zug, 73 Jahre alt. Nach einer Vorbereitung
im Antikensaal in Bern besuchte er, damals zwanzig Jahre
 
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