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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Proelß, Johannes: Modelle, [7,1]: Novellenkranz ; der Zitherspieler von Zell
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Brandes, Otto: Pariser Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0263

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Modelle. Novellenkranz. von Johannes proelß — Pariser Brief, von Gtto Brandes

199

Kostüm — durch das mit Fahnen geschmückte Gitterthor
des Parks ihnen entgegen kam, der, von der untergehenden
Sonne festlich bestrahlt, einladend vor ihnen lag. Der
Erbauer der Villa, ein junger Architekt aus Stuttgart,
der noch immer mit der inneren Ausschmückung derselben
beschäftigt war, begleitete das Fräulein nnd machte den
beiden Damen sofort Mitteilungen über das Programm,
das er mit der erfinderischen Frau des Hauses entworfen
und dessen Ausführung zu leiten er voller Eifer über-

nommen hatte. „Und getanzt wird doch auch?" —
„Natürlich," lautete die Antwort. „Sehen Sie dort, wo
die frisch abgeholzten Tannen den Hellen Bretterverschlag
umzirken. Nach dem Essen — sobald der Mond heraus-
tritt — wird dort „a Musi" aufspieln!" Mit lautem
Beifall wurde dieser Bescheid von den Damen begrüßt,
die nun auf dem breiten Kiesweg vorwärts eilten, während
ihnen die Herren langsamer folgten.
(Die Fortsetzung im nächsten Hefte)

Variser Brief

Von Gtto
ifitach allem, was sich in den letzten Monaten in Paris
sVI ereignet hat, scheint es keineswegs so leicht zu sein,
sich über die Echtheit eines „Rembrandt" schlüssig zu
machen. Ströme Tinte sind geflossen und mit den groben
Schroten des Wortes ist herüber und hinüber geschossen
worden, ohne daß die Einen ihren Standpunkt geändert,
oder diese die Gegner für ihre Ansicht gewonnen hätten.
Am 9. September v. I. starb im kleinen Orte Le Pecq
bei Paris Madame Legrand, die Tochter eines ehemaligen
Lyoner Museum-Direktors. Zu ihren Lebzeiten lief das
Gerücht, daß sie Besitzerin der letzten, allerdings ansehn-
lichen Trümmer einer Sammlung sei, unter welchen sich
ein Claude Lorrain, ein Plafond von Gratias, sehr kost-
bare Glasmalereien und vor allem ein Rembrandt be-
finden sollte, für welchen ihr bereits 32,000 Frks. ge-
boten worden seien, ohne daß sie sich von demselben
hätte trennen wollen.
Am 26. Januar fand zum Besten der irrsinnigen
Tochter und eines Freundes der Verstorbenen der Ver-
kauf der Hinterlassenschaft statt. Der diesen leitende
Sachverständige Herr Gandoin, der früher als solcher der
Domainenverwaltung angehörte, stellte, wie er versichert,
das Bild mit folgenden Worten zum Verkauf: „E'n Bild,
welches Rembrandt zugeschrieben wird, das mit vollen
Lettern gezeichnet ist, von dem ich aber dennoch glaube,
daß es von einem seiner Schüler, etwa von Arent de
Gelder" oder von van den Eeckhout herrührt; es bietet
einige Analogien mit dem Bilde im Louvre: „Die Jünger
in Emmaus". Wir verlangen 1000 Franks." Nicht sehr
anspruchsvoll! — der Herr Sachverständige! Bei dem
Verkaufe trieben sich nur der Beauftragte des Kunst-
händlers Bourgeois, ein Tischler aus dem Orte, und der
wohlhabende Dekorateur Peuon, der bis zu 4000 Franks
mitging, als er eines Unwohlseins wegen das Lokal ver-
lassen mußte. Man kann heute noch nicht sagen, ob dieser
Zufall nicht zu seinem Glücke eintrat. Jedenfalls ist der
Herr vom „Zufall" sehr begünstigt, denn er entdeckte in
dem Hause, welches ihn gastlich zur Pflege aufnahm, zwei
Hobbema, die er um ein Billiges erstand. Danach scheinen
Le Pecq und Vesinet diese kleinen, reizend gelegenen
Tuscula der Pariser, wahre Kronkunstschätze zu bergen.
Herr Bourgeois kaufte das Bild um 4030 Frks. Ein
Spottgeld für einen Rembrandt!
Ja, war es denn ein Rembrandt? Früher hatte man
doch seine leisen Bedenken gehabt, als Madame Legrand
das Bild noch besaß. Die kunstsinnigen Rothschilds hatten
es gesehen und nicht anbeißen wollen. Von dem Augenblicke
an aber, wo Bourgeois es erstanden, herrschte darüber

Brandes
Nachdruck verboten
kein Zweifel. Da hatte man noch an demselben Tage dem
Ersteigerer 100,000 Frks. geboten, der Berliner Museum-
direktor Bode war bereits unterwegs, um es dem Louvre
wegzukapern, und der Miterbe der unglücklichen hinter-
lassenen Irrsinnigen, Herr Bertrand, rang verzweiflungs-
voll die Hände, bis ihm der Einfall kam, ob nicht der
Verkauf wegen „Verletzung über die Hälfte", eine gericht-
liche Bestimmung, die allerdings nur für Immobilien
zutrifft, rückgängig zu machen oder der Sachverständige
anzugreifen sei. Dieser beharrt aber auf seiner Über-
zeugung.
„Herr Bourgeois glaubt ebensowenig wie ich an
die Authenticität dieses Bildes", sagt er, „sonst hätte er,
nach seinem eigenen Geständnis, nicht seinen Beauftragten
verboten, über 10,000 Frks. mitzugehen." Vergebens
hält man Gandoin vor, daß Paul Mantz und der Konser-
vator des Museums dasselbe für echt halten. Über das
Urteil des bekannten Kunstkritikers Mantz spricht sich der
Sachverständige sehr schnöde und abfällig aus, und allen,
die das Bild für einen Rembrandt halten, entgegnet er:
„Die Werke des Amsterdamer Meisters sind sämtlich be-
kannt. Rührte die übrigens gute Arbeit von ihm her,
so wäre dieselbe in irgend einem Kataloge verzeichnet."
Das Bild befindet sich augenblicklich in einem Salon
des Bourgeoisschen Privathauses. Es behandelt den Gegen-
stand: „Abraham bewirtet die Engel" und hat zwei
Meter Länge auf einen Meter fünfzig Centimeter Höhe.
Der „Patriarch" hebt sich im vollen Lichte in der Mitte
von dem Bilde ab, vor ihm ein Tisch und die Gerichte,
die ein Diener ehrfurchtsvoll den göttlichen Besuchern
aufgetragen. „In diesem herrlichen, wiedergefundenen
Bilde", sagt Paul Mantz, „haben wir es mit einem
Maler zu thun, der unbekümmert um Kleinlichkeiten dem
Leben nachgeht. Der Aufbau des Bildes ist ein fast sym-
metrischer, und durch dasselbe geht ein sanfter Ernst.
Überall begegnen wir einem tiefen Empfinden. In Abraham
liegt der Ausdruck innigen, beseligenden Glaubens, und
seine Geste hat etwas großartiges. Das Kolorit ist
durchaus gemäßigt und die Beleuchtung die eines Meisters,
der alle Rüffel des Lichtes gelöst hat, und der das »Olair
obisaur« für den Ausdruck des Gedankens zu verwerten
versteht. Ünter allen Gesichtspunkten wird der „die Engel
empfangende Abraham", denen etwas neues bieten, welche
den göttlichen Rembrandt am besten zu kennen glaubten.
Glücklich das Museum, welches dieses hervorragende Werk
des Geistes und der Technik das seine nennen wird."
Auf diesen Dithyrambus erwidert der berühmte Maler
Bonnat, der als großer Rembraudtkenner gilt: „Das
 
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