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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Brandes, Otto: Pariser Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0264

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pariser Brief

soll ein Rembrandt sein? Niemals."' Er sagt das mit
solchem Nachdruck, daß man unwillkürlich zu hören meint:
„Wer andrer Ansicht ist, ist ein Esel." Thatsache ist,
daß das Bild ein Ungleiches, daß die Hauptfigur des
Abraham allein Rembrandts würdig, daß aber im all-
gemeinen viele technische Eigentümlichkeiten gegen die Echt-
heit sprechen. Ter bekannte Kupferstecher Charles Waltner,
welcher in so hervorragender Weise die berühmte „Nacht-
wache" des Amsterdamer Museums gestochen, und der,
wie keiner Wohl, die Technik des Meisters studiert hat,
ist der Ansicht Bonnats, Geromes, Carolus Durands und
andrer Künstler. Er glaubt, man befinde sich dem Bilde
eines Schülers Rembrandts gegenüber, der sich dessen Art
zu malen angeeignet, der aber weder dessen Tiefe noch
Kraft besessen hat. Er deutet auf Flinck, auf den, wie er
sagt, diese Kriterien am meisten passen. „Das Licht,
welches Rembrandt konzentriert, meint Waltner, ver-
breitet sich im „Abraham" ganz im Gegenteil auf ein-
förmige Art überall hin. Ebenso wie das Licht zerstreut
sich die Handlung auf die verschiedenen Personen. Diese
scheinen der Szene gar nicht anzuwohnen, sie scheinen
ganz von andern Dingen eingenommen. Außerdem sind
ihre Physiognomien in einer Weise vornehm, wie sie
Rembrandt nicht kennt. Jede einzelne ist mit einer
gleichen, etwas süßlichen Liebe und Sorgfalt gemalt, eine
Art, die dem Pinsel Rembrandts wiederstrebt. Aber mehr!
Dieser wechselt stets in der Faktur. Wenn er ein Stück
eines Bildes in einer Manier gemalt hat, so wechselt
er seine Formel und erfindet neue Ausdrucksmittel. Diese
Verschiedenheit fehlt vollständig im „Abraham". Rembrandt
zeichnet ferner nicht. Er modelliert durch das Hinsetzen
von Flecken, von Valeurs und acccntuiert das Relief des
vom Licht umspielten Teiles. Der Maler des „Abraham"
aber sieht die Kontur und seine Art zu malen wird
kleinlich."
Ein durch seine Arbeiten über Rembrandt bekannter
Kunstschciftstcller, Durand-Gre'ville, schreibt das Bild nicht
Flinck, sondern Arent de Gelder zu. Er begegnet sich
darin mit dem Sachverständigen Gandoin. Niemals, sagen
beide, habe sich Meister Rembrandt das Spatels bedient,
während gewisse Teile des „Abraham" vollständig aus
diese Weise hergestellt seien. Die Art mit dem Spatel,
dem Pinselstock oder dem Finger zu malen, ist aber Arent
de Gelder eigen, über den Houbraken, der Vater des be-
kannten Kupferstechers schreibt: „Er malte nicht nur mit
dem Pinsel, sondern auch mit dem Daumen und den
Fingern, zuweilen trägt er die Farbe mit dem Spatel
auf, wenn er z. B- Quasten oder Stickereien malen will.
Die Muster derselben behandelt er mit dem Pinselstock.
Er bedient sich jeder Art zu malen, und es ist erstaunlich,
welch einen Effekt diese Art zu arbeiten in der Entfernng
hervorbringt."
Das wäre nun alles recht schön; Arent von Gelder
hat auch immer in dem Rufe gestanden, sich der Zeich-
nungen Rembrandts vor und nach des Meisters Tode be-
dient zu haben, aber Arent ist erst 1645 geboren; es ist
nicht denkbar, daß er das Bild in einem Alter von elf
Jahren gemalt habe, es müßte also angenommen werden,
daß die Jahreszahl des „Abraham" gefälscht worden.
Die Argumente, die für die Autorschaft Arents von
Geldern angeführt werden, scheinen Herrn Bourgeois be-
sonders auf die Nerven geschlagen zu sein. Er hat sich
in aller Geschwindigkeit ein Bild dieses Künstlers zuge-

legt und es neben seinem Rembrandt aufgehängt, um die
Absurdität der Behauptung derer nachzuweisen, die das
Bild diesem Künstler zuschreiben. Hierbei ist Bourgeois
allerdings vorsichtig genug gewesen, sich ein solches Werk
aus jener späteren Periode Arent von Gelders auszu-
suchcn, als derselbe sich von der italienischen Malerei be-
einflussen ließ.
Wenn wir nun aus dem Vorstehenden die Konse-
quenzen ziehen, so kommen wir, auch ohne zu einem so
merkwürdigen Beweismittel, wie das dieser Tage hier
angeführte, zu greisen, daß keine der Personen auf den
Rembrandtschen Bildern im Louvre blaue Augen wie auf
dem Pecqschen Bilde habe, zu dem Schluß, daß dasselbe
kein Rembrandt, sondern höchstens als „aus der Rem-
brandtschen Schule herrührend" bezeichnet werden kann.
Im allergünstigsten Falle hat der Meister die Hand an
den Kopf des Abraham gelegt. Bezeichnend ist es übri-
gens, daß sich schließlich auch noch über den Gegenstand
des Bildes ein Streit entspannen, und man behauptet
hat, die Mittelfigur mit dem weißen wallenden Bart sei
gar nicht Abraham, sondern der liebe Gott selber, und
die sich vor ihm neigende Person sei nicht ein Diener,
sondern der Erzvater. Grollend und schmollend ob der
unerbittlichen Kritik hat sich Bourgeois mit seinem zweifel-
haften Schatze unter sein Zelt zurückgezogen und entzieht
dasselbe nunmehr den Augen der Profanen, noch mehr
aber denen der Wissenden. Damit ist vorläufig die
Rembrandt-Fackel des Haders unter Künstlern und Kritikern
gelöscht, ein Streit, aus welchem manche nicht ohne arge
Wunden an der Eigenliebe hervorgcgangen sind.
Was wird aber erst werden, darf man sich beun-
ruhigt fragen, wenn es sich einmal nach Jahrhunderten
darum handeln wird, die Autorschaft der Bilder dieses
Jahrhunderts festzustellen, auf welchen das Schwinden
der Farbe schon heute eine traurige Monotonie schafft.
Von den Bildern von Prndhon und Gericault im Louvre
wird bald nichts mehr übrig sein. Wo aber nichts ist,
da hat der Kaiser und der Kunstkritiker erst vollends sein
Recht verloren. Die Ursache dieses Verhältnisses ist eine
doppelte, die eine ist die Verwendung der anfänglich sehr
wirkungsvollen Asphaltfarben und die andre die Ent-
wicklung einer Industrie, welche den Künstlern billig die
fertiggestellten Farben schlecht lieferte. Der Farbenreibe-
tisch und die Lehrlingszeit an denselben ist nicht mehr in
der Note der phantastisch reich geschmückten modernen
Ateliers.
Besonnene Künstler sind allerdings heute vorsichtig
geworden in der Bezugsquelle ihrer Farben, andre wenige
sind aber hier in Frankreich zur alten Art der eigenen
Farben und Firnisbereitung zurückgekehrt. Zu diesen ge-
hört der geistreiche Maler Vibert, bekannt als großer
Virtuose des Rots, dessen in dieser Note gemalten hu-
moristischen Kardinalsbilder sich einen Weltruf erworben
haben. Herr Vibert hat eine Reihe sehr einfacher, sehr
praktischer Farben-, Firnis- und Sikkativrezepte, wie
eine Reihe technischer Handgriffe gesammelt und stellt die-
selben in sonntäglich stattfindenden Vorträgen in der
»Lcole ckes beaux arts« den Kunstjüngern wie dem Kunst
treibenden Publikum in selbstloser Weise zur Verfügung.
Herr Vibert ist kein Chemiker, er überliefert nur seine
Erfahrungen, aber man hat bei seinem Vortrage die Em-
pfindung, daß sie nicht das Ergebnis derselben von heute
und gestern, sondern daß, was er rät, in langen Jahren
 
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