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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Flächsenhaar, H.: Unsre Bilder
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Weihnachtsbücherschau
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Unsre Bilder — Weibnachtsbücherschau, vom Herausgeber 89

süße idyllische Ruhe über seine Triften zu breiten, wie sie
einer so einfachen und anspruchlosen Frühlingslandschaft
erst die rechte Weihe echter Poesie gibt. P. ?.
Das erste Bild unsres Heftes, die „Weltringsche
Nyinphengruppe", ist keines jener alltäglichen plastisch-
blntarnien Dekorationsstücke, vielmehr eine lebens- und
stylvolle Komposition, die sich nahezu 4^ na hoch vor
unsren Augen aufbaut.
Auf einem aus der See emporragenden Felsenriffe
steht lauschend eine Nymphe, in der Linken ein Tritonen-
horn haltend, mit dem sie die Schwestern zum fröhlichen
Reigen gelockt. Mit sehnsüchtig in die Ferne spähenden
Augen sitzt zu ihren Füßen die ältere Schwester, während
die dritte am Fuß des Felsens gelagert, sich von einem
kleinen drolligen Burschen die Haare mit Schilfblumen
bekränzen läßt. In köstlicher Weise sind fünf weitere
kleine Nixen geschildert, welche in verschiedenartiger Weise
das Bild beleben. Weltring hält sich in dem Rahmen
der von Canova und Thorwaldsen angebahnten Neuklassik.
Seine Gestalten haben weder die streng antiken Formen
und Bewegungen, noch die überzierlichen Stellungen und
den koketten Gesichtsausdruck der Rokokomanier. Er zeigt
uns schlanke, volle Gestalten, die den süddeutschen Menschen-
schlag nicht verleugnen können; die Linien sind bei aller
Formenschönheit kräftig und breit gehalten und zeigen
elastisches gesundes Fleisch. Schlank wie eine Tanne er-
hebt sich die aus der Felsenspitze stehende Nymphe, in un-
nachahmlicher Bewegung auf das Meer hinaus horchend.
Die sitzende Schwester, mit dem aphroditisch reizenden
Körperbau, ist ein plastisches Prachtstück. Aber auch in

der launigen Formenbildung ist Weltring Meister; welcher
entzückende Humor liegt in seinen um das Krokodill
streitenden kleinen Burschen. Mit Leichtigkeit und Geschick
bewältigt er die anatomischen Schwierigkeiten abnormer
Stellungen und rythmisch wunderbar vereinigen sich alle
Linien zum formvollendeten Ganzen.
Weltring wurde zu Baccum bei Lingen am 18. April
1847 geboren. Wenn auch seine künstlerische Begabung
sich von Jugend auf in mancherlei kleinen Holzschnitzereien
bekundete, so wurde er doch bis zu seinem 23. Lebens-
jahre von landwirtschaftlichen Beschäftigungen festgehalten,
bis endlich die Fesseln gesprengt wurden und er seinem
Drange nach künstlerischer Ausbildung Folge geben konnte.
Zunächst bereitete er sich vier Jahr bei dem Bildhauer
Seling zu Osnabrück für die Akademie in Berlin vor,
wo er vorzugsweise unter Professor Schaper sich soweit
durchbildete, daß es ihm gelang, nach beendetem Studium
den ersten Preis davonzutragen. Infolgedessen wurde
er mit der Ausführung mehrerer Statuen für den in
Restauration begriffenen Dom zu Halberstadt betraut.
Gleichzeitig modellierte er die Statuen Christus und Maria
Auxiliatrix. Von Berlin, wo er sieben Jahre weilte,
siedelte der Künstler nach Karlsruhe über, um längere
Zeit bei Professor Heer zu assistieren. Hier entstand
die Weihnachtsgruppe für die Pfarrkirche in Plantlünen,
ein sehr beachtenswertes figurenreiches Werk und eine
Statuette „Der Violinspieler". Nachdem Weltring die
Kunststätten Italiens besucht hatte, arbeitete er im Auf-
trag des Fabrikanten Lorenz in Karlsruhe, einem opfer-
willigen Kunstmäcen, seit drei Jahren an der oben be-
sprochenen Nymphengruppe. n. Plüctiseirkuar.

WeihnachtKüüchersäMl
vom Herausgeber

II?)


Vrr Toast auf die Damen, von L. W. Allers

kommen nun im Verlauf unsrer Übersicht zu einigen ganz be-
sonders talentvollen und schöpferischen Arbeiten, die der Kunst neue
Gebiete erobern und zugleich in hohem Grade unsre nationale Eigentüm-
lichkeit ausprägen. Zunächst zu „Club Eintracht" von C- W. Alters.
(Hamburg, Bopsen. Preis in Mappe 30 M., in Prachtband 36 M.) Es
gibt doch nichts beglückenderes im Reich der Kunst als einem wahrhaft
gesunden und ursprünglichen Talent zu begegnen, das unmittelbar aus
dem umgebenden Leben seine Inspirationen schöpft und dabei nicht die
leiseste Spur von irgend welcher Nachahmung andrer zeigt, sondern sich mit
dem vollkommen neuen Inhalt auch die dazu passende Formensprache ganz
selbständig ausgebildet hat. Solch Vergnügen gewährt uns nun in ganz
ungewöhnlichem Maße dieser obengenannte junge Hamburger Künstler. Er
schildert uns in seiner nicht weniger als 43 Blätter zählenden „Sommer-
fahrt" den Bürgerstand seiner Vaterstadt mit einer schlagenden Wahrheit,
einem glücklichen Humor, dessen Kinder und Frauen aber mit einem Schön-
heitsgesühl, wie man ihnen in dieser Vereinigung nur noch bei unsren
ersten Künstlern, den Knaus, Defregger, Vautier begegnet. Dabei weiß er
die feine Grenzlinie zwischen scharfer Charakteristik und Zerrbild mit dem
sichersten Takte nie zu überschreiten, ja uns mit dem größten Wohlwollen
selbst sür die zu erfüllen, denen er die komischen Rollen zuweist. In alle
dem, ja in seiner ganzen Art steht er vollkommen auf gleicher Höhe mit
Fritz Reuter. Doch sehen wir nun zu: Sein Klub har eben beschlossen,
einen in seiner Kasse befindlichen Überschuß in echt deutscher Art zu einer
Sommerfahrt mit Weib und Kind zu verwenden. Das erste Bild zeigt
uns die denkwürdige Sitzung der Generalversammlung, in welcher sothaner
Beschluß mit Slimmeneinhelligkeit gefaßt worden. Die Votierenden sind aber
solch echte, behagliche Hamburger Spießer — keiner unter zwei Zentner
schwer —, daß ich ihnen in Bezug auf gesunde Verdauung nur unsre Münchener

*) 1. siehe Heft 5.
 
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