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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Weihnachtsbücherschau
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WeihnachtMücherschau
in.*)




n der so berühmt gewordenen Schwabe-
Galerie, die heute einen Teil der städti-
schen Sammlung Hamburgs bildet,
sieht man deutlich, daß die englische
Kunst weder für den Staat noch für
das Volk, sondern vor allem sür die
Salons der reichen Leute dort arbeitet.
Eine Auswahl der besten Bilder dieser
Sammlung ist nun soeben unter dem
Titel „Englische Meister der
Schwabestiftung" bei der Verlags-
anstalt für Kunst und Wissenschaft vorm.
Fr. Bruckmann in München in großen
Photographien (Preis in Prachtmappe
150 M.) erschienen. Da sind sämtliche
Bilder vor allem salonfähig, müssen vor
dem in Bezug auf Anstand sehr strengen
Urteil der jungen und was noch viel
schwerer wiegt, der alten Misses bestehen
können. Ich habe denn auch in meinem
Leben keine anständigere Sammlung ge-
sehen, sie muß das Entzücken aller
Backfische herausfordern! Schon weil
sie in der Hauptsache aus einer Ver-
herrlichung der englischen Frauenschön-
heit höherer Klassen besteht. Da diese
aber etwas sehr blendendes ist, so
können auch andre Leute als alte
Jungfern sich an diesen Bildern freuen,
die von den berühmtesten englischen
Künstlern der Gegenwart herrühren.
„Golden-- Märchenbuch So sind von dem englisierten Spanier

Voltaire verführt. Um so rührender sür diesen ladyliken-
geschmack ist es dann, wenn uns Pettie den jugendlichen Hein-
rich VI. vor der Unterzeichnung des ersten Todesurteils zurück-
schaudernd zeigt. Es kommen dann noch Millais mit einem
allerliebst in Rokoko kostümierten Backfisch, Woods mit engli-
sierten Venezianerinnen, die den Passinischen kaum viel nach-
geben, Marks und Maines mit witzigen Sittenbildern, um ein
prächtiges Album mit echt britischer Kunst zu füllen, das
seinen Platz auf jedem Putzlisch reicher Damen höchst passend
ausfüllen, und deutschen Pedanten zu tiefsinnigen Betrachtungen
über die Überlegenheit englischer Kunst willkommene Veranlassung
bieten wird.
Von einem andern größeren Unternehmen der Verlags-
onstalt für Kunst und Wissenschaft vormals Fr. Bruckmann in
München, dem „Klassischen Bilderschatz", herausgegeben von
Franz v. Reber und Ad. Bayersdo rfer, liegt nunmehr

Calderon allein ein halb Dutzend
Gemälde da, unter denen die „Gloire de Dijon" das beste ist,
eine als französisches Blumenmädchen kostümierte Lady vom
reinsten blauen Blut, die aber, und das ist am Ende die
Hauptsache, in der That ganz reizend aussieht. — Wenn die
Keepsakes noch Mode wären, so würde sie das köstlichste Titel-
kupfer abgeben. Damit kommen wir aber auf das, was einem
von vornherein Achtung einflößt an dieser Kunst: sie ist durch
und durch englisch und will auch gar nichts andres sein, sie ist
weltweit entfernt von jener lumpigen Gesinnung, die ewig die
Livree andrer tragen zu müssen glaubt, heute die Franzosen
und morgen die Spanier oder Italiener nachahmt, wie sie
gestern bei der Antike betteln ging! Manchmal wirkt das frei-
lich säst komisch, z. B. wenn Calderon einen ganz modern
sashionabeln Engländer als assyrischen Eroberer kostümiert, der
auf eine allerliebste Gefangene die Hand legt, die ihre Herkunft
von Belgravia keinen Augenblick verläugnet. Oder wenn G. Leslie
uns eine ganz reizende Nausikaa mit ihren Gefährtinnen am
umbuschten Meeresstrand vorsührt, deren keusche Anmut direkt
auf Brighton aber nicht auf die Phäaken hinweist. Die Haupt-
sache bleibt jedoch, daß die Keuschheit und Anmut wirklich vor-
handen und ganz und gar nicht bloß affektiert sind. — Das
äußerste von Keckheit ist es schon, wenn uns dann Orchardson
in dieser Salonluft den beim Herzog Sully eben geprügelten
*) II. siehe Heft 6.

.Aus GehrtS'Dieffenba ck „Goldenes tNärchcnbuch".^S. S

Aus Geh rts-Dieffen buch „Goldenes Märchenbuch". 10?
die erste Serie in elegantem Einband vollendet vor. (15 M )
Der stattliche Folioband enthält auf 144 Tafeln ebenso viele
Reproduktionen klassischer Bilder aller Schulen, denen ein aus-
führlicher kunsthistorischer Text und eine mehrfache Registratur
vorangeht. Hat das Unternehmen, von dem auch Ausgaben in
schwedischer und spanischer Sprache in Stockholm, resp. Madrid
erscheinen, schon während seiner Ausgabe in Lie-
ferungen seine Lebensfähigkeit bewiesen, so ist der
fertig vorliegende Band besonders geeignet die
Brauchbarkeit des „Klassischen Bilderschatzes" zu
erweisen. Denn was gäbe es bester begründetes als
die Meisterwerke der alten Kunst durch eine solche
erstaunlich billige Ausgabe den weitesten Kreisen
zugänglich zu machen und damit auf die Ausbil-
dung und Veredlung ihres Kunstgeschmacks den
wohlthätigsten Einfluß zu üben? Daß die Erfin-
dung der auf der Photographie beruhenden mo-
dernen Reproduftionsverfahren, vorab der Auto-
typie dies ermöglicht, das gehört ohne Zweifel zu
den größten Wohlhaten derselben. Und dabei sind
diese Abbildungen immer noch gut genug, um sie
jedem Holzschnitt vorzuziehen, da sie uns die Eigen-
 
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