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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Proelß, Johannes: Modelle, [7,1]: Novellenkranz ; der Zitherspieler von Zell
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0262

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Modelle

Schultz — mit ihrem Blondhaar vorlieb nehmen. Sie
wollten gleich am nächsten Tag an Bekannte nach Mün-
chen schreiben, die ihnen die nötigen Kleidungsstücke
sicher leihen könnten.
Die beiden so verschiedenen Damen: die ältere mit
dem dunklen Kraushaar und den schwarzbraunen Augen


Venus. Von Johannes Lenk

in dem etwas blassen, feingeschnittenen Gesicht, und die
jüngere, mit all den frischen Reizen einer zwanzigjährigen
Blondine von sonniger Gemütsart — wurden auf dein
Wege zum Fest nicht wenig von den Herren der Gesell-
schaft geneckt ob ihres „echten" Aussehens. Weinhold
versicherte der deutschen Polin im Kapresinnenkostüm in
immer galanteren Wendungen, er habe nie geglaubt, daß
ein „Malweib" in fremdem Kostüm so natürlich einher-

gehen könne. Da sehe man den Segen der Künstlerfeste!
Und Thaussig, der als Erzähler der Geschichte der „braunen
Burgei" eine Art Autorstolz beim Anblick der jungen
Malerin empfand, die in dem Altmünchner Sonntags-
staat gar so reizend aussah, Pries diese „blonde" Burgei
als eine noch frischere Verkörperung von „Jung-München"
als seine „braune". Die lustigen „Malweiber" er-
widerten aber lachend: über ihre Echtheit zu urteilen,
dafür wären am heutigen Abend die hochweisen Herren
Kunstgenossen und Kritiker doch nicht die höchste Autorität;
den Schiedsspruch habe ein anderer zu fällen: der Toni
Eder, Meister Defreggers Modell, der, wenn er auch ein
angehender Künstler sei, doch ganz anders dem echten
Volkstum nahe stehe als sie. Sie hätten sich vorgenommen,
dem jungen Tiroler gegenüber, der für heute Abend ihr
engerer Kollege sei, das Inkognito strengstens zu wahren
und ihre Rollen so echt und glaubhaft durchzuführen, als
es nur ginge. Sie sagten das halb im Ernst,, halb in
jenem Tone scherzender Neckerei, zu welchem der gesellige
Verkehr zwischen Damen und Herren so gern seine Zu-
flucht nimmt, wenn ein keimendes Interesse zwischen den
Paaren noch Scheu trägt, in die Äußerung freundschaft-
licher Teilnahme und aufrichtiger Huldigung das Bekenntnis
ernsterer Empfindungen zu legen. So ging es unter heiteren
Wortgefechten, an welchen sich auch die andern beteiligten,
in buntem Aufzug zu den Parkanlagen der Villa, denn
die ganze Gesellschaft hatte sich mit den übrigen Geladenen
beim „Judenwirt" ein Stelldichein gegeben, um gemein-
sam durch den Ort zum Feste zu ziehen. -— „Welche
Belohnung denn diesem neuesten Epigonen des trojanischen
Schäfeiprinzen, in Lodenjoppe und Lederkniehosen, für
seinen Schiedsspruch erwarte?" — warf schließlich Wein-
hold neckend hin. „Doch nicht gar ...?" — „Beruhigen
Sie sich, mein Herr," unterbrach ihn Frau von Paw-
lowska in verweisendem Ton, während ein verhaltenes
Lächeln ihm gleichzeitig Absolution erteilte. „Die Sache
ist sehr einfach. So lang er uns für seinesgleichen hält,
Verkehren wir mit ihm auch demgemäß. Belohnt ihn die
Siegerin nicht, indem sie bis zu ihrer Entlarvung in diesem
Verkehre fortfährt? Und ist das nicht Lohns genug?" —
„Allerdings," erwiderte Weinhold gedehnt. „So ein
handfester Tiroler Bu', der fackelt nicht lang, wenn ihm
das Herz warm wird." — „Jawohl," rief Thaussig,
„das hat andre Grundsätze als wir zahmen Stadtfräcke.
Das singt:
„Busserl geb'n, Busserl nehm'n,
Dös — is koi Sind,
Das hat mi mei Muster
Glehrt als kloan's Uind.
Und Morgen und kseunt
San nit allweil guat Freund:
Willst a Busserl hergeb'n,
Laß mi's heunt noch derlebn."
„Jetzt ist's genug!" rief da aber die junge Witwe und
schien ernstlich böse werden zu wollen. „Das fehlte mir
noch, daß ihr mir meine züchtige Burgei verschüchtert und
uns den harmlosen Spaß stört. Und um dem Herrn Be-
scheid zu sagen: zum „Busserl hergeb'n" gehört doch der
Wille von seiten der Dame. Gelt? Und nun komm',
Cilli. Sieh, wer dort steht?" Damit faßte die zierliche
Kapresin ihre Nachbarin unterm Arm und beide sprangen
leichten Schrittes der Nichte des gastlichen Festveranstalters
entgegen, welche — gleichfalls in einem ländlichen
 
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