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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Voss, Georg: Die Berliner akademische Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0069

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Die Berliner akademische Kunstausstellung

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Algerische Frauen, von Jules lUuenier
Erste Münchener Iahres-Ausstellung ^889

Ter Grund für diese Niederlage, welche das Berliner
Kunstleben hierdurch erfahren hat, ist indessen keineswegs
allein in den verlockenderen Aussichten des Münchener
Kunstmarktes zu suchen. Die Hauptschuld trägt der Um-
stand, daß der Berliner Ausstellung in diesem Jahre das
ihr bisher zur Verfügung stehende Gebäude entrissen wurde.
Gewiß ist das Ausstellungsgebäude am Lehrter Bahnhof mit
seinen weiten Riesensälen unschön und durch die Verbindung
mit einem lärmenden Konzertgarten so wenig als möglich
zu einer stimmungsvollen Betrachtung von Kunstwerken
geeignet. Aber die Säle waren doch wenigstens groß
genug, um alles, was das Urteil der Jury passiert hatte,
in sich aufnehmen zu können. Doch in diesem Jahre wurde
der Senat der Berliner Akademie gezwungen, mit seiner
Ausstellung in die kleinen Räume Unter den Linden zurück-
zuwandern, welche bereits vor fünfzehn Jahren für so
unzureichend erachtet wurden, daß man deswegen lieber
einen Bretterschuppen an der Spree errichtet hatte, um die
Bilder der Berliner Jahresausstellungen wenn auch nicht
würdig aufhängen, so doch wenigstens in Reihe und Glied
nebeneinander magazinieren zu können. Die Räume
Unter den Linden, welche jetzt als die einzig verfügbaren
dem Senate zur Disposition standen, sind indessen so
klein, daß schon aus Raummangel die Gemälde ganz
großen Maßstabes sowie die umfangreicheren Arbeiten

der Bildhauerkunst, einschließlich die
Statuen, von vornherein von der Aus-
stellung ausgeschlossen werden mußten.
Kurz jeder wußte im voraus, daß nur
eine kleine Ausstellung zustande kommen
könne. Was Wunder, daß alle die-
jenigen, welche mit ihren Bildern die
Aufmerksamkeit und Kauflust des großen
Stroms der Fremden erregen wollen,
unsrer Ausstellung diesmal fern ge-
blieben sind. Ehe für die Berliner
Akademie nicht ein neues, allen künst-
lerischen Anforderungen genügendes
Ausstellungsgebäude, doch nicht in
dem Fabrikviertel von Moabit, son-
dern in derjenigen Gegend, wo die
Kunstkreise der Hauptstadt wohnen,
und der Fremdenstrom erfahrungs-
gemäß vorüberflutet, erbaut wird, eher
wird die große Berliner Jahresaus-
stellung niemals zu der Bedeutung
gelangen, welche die teilnehmenden
Künstler von einer Ausstellung, der
sie Monate hindurch ihre besten
Schöpfungen anvertrauen wollen, zu
erwarten berechtigt sind.
Da die Ausstellung in der Haupt-
sache nur die kleinen Nebenarbeiten
der Künstler bringt, so muß der Bericht
darauf verzichten, eine Charakterisierung
dessen, was in den hauptsächlichsten
Kunstströmungen gegenwärtiginDeutsch-
land geleistet wird, zu geben. Nur
ein Gebiet, das speziell in Berlin
durch die frische patriotische Strö-
mung der Zeit seinen natürlichen
Mittelpunkt gefunden hat, ist hier in
einer ungewohnten Reichhaltigkeit ver-
treten, nämlich die Darstellung der vaterländischen Ge-
schichte.
Georg Bleibtreu bringt die Bilder „Wilhelm I. und
seine Paladine auf einem Schlachtselde des Jahres 1870"
und „Bismarck auf dem Schlachtfelde". Rocholl hat
sein großes bekanntes Gemälde „Episode aus der Schlacht
bei Vionville" ausgestellt. Den Kaiser Friedrich hat
Werner Schuch in einer großen, für die Berliner
Nationalgalerie bestimmten Apotheose dargestellt, wie er
auf einem schwarzen Rosse, von Adlern umschwebt, von
dunklen Wolken zum Himmel emporgetragen wird. Die
Erinnerung an Kaiser Friedrich und sein Unglück ist in
dem Bild ein edler, pietätvoller Weise festgehalten. — Den
jetzigen Kaiser hat Reinhold Begas in einer außer-
ordentlich monumental gedachten Büste dargestellt. Um
den vollen Eindruck der militärischen Erscheinung zu geben,
hat Begas den Kaiser mit dem Helm auf dem Kopfe
dargestellt. Die Porträtbildnerei hat sonst in Büsten
und Statuen die Kopfbedeckung gern weggelasscn, um die
charakteristische Form der Stirnbildung nicht zu verstecken.
Doch für die Darstellung unsrer Fürsten und Feldherren,
zumal wenn es gilt, denselben ein Standbild auf öffent-
lichem Platze zu errichten, ist der Helm unerläßlich, wenn
der richtige Eindruck der militärischen Erscheinung so, wie
sie uns aus dem wirklichen Leben vertraut ist, erzielt
 
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