Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Die erste Münchener Jahres-Ausstellung 1889, [9]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0083

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

vc>n Friedrich pecht 55


Irlirns Lufl und last, von Wilhelm Lindenschmitt

Theorie, die in der Landschaft ihre Berechtigung hat, auf die Darstellung der Menschen ausdehnt, wo nicht
die Luftreflexe sondern die Darstellung des Charakters, Handelns und Thuns den Ausschlag geben. Die oben
erwähnte Unsitte der Vernachlässigung des Details wirkt aber selbst in der Landschaft bei uns nachteilig, ja
bringt selbst da wahre Karrikaturen von Leere und Langweiligkeit hervor, die von der Hüngekommission auch
noch an die besten Plätze gehängt und im schreiendsten Widerspruch mit der öffentlichen Meinung von der
Jury sogar Prämiiert wurden, was denn freilich sehr abschreckend wirken mußte und das beim Publikum
herrschende Vorurteil gegen die Ausstellung am meisten bestärkt hat. So kam es, daß man darob selbst Meister-
werke der Landschaftsmalerei wie die Wengleins, Knüpfers, Willroiders und Schönlebers übersah. — Alan
Übertritt eben niemals die ans dem Wesen aller Kunst hervorgehenden Gesetze der Unterordnung des Neben-
sächlichen unter das Wesentliche, der Unabhängigkeit und Freiheit der individuellen Auffassung von allem
Schematismus, ohne sofort dadurch gestraft zu werden, daß man die Zwecke des Kunstwerks nicht mehr zu
erreichen, also auch den Anteil der genießenden Masse nicht mehr zu fesseln vermag.
Das aber ist gerade durch die jetzige Ausstellung aufs neue festgestellt worden, daß unsre Schule trotz
aller vorübergehenden Abirrungen einzelner doch eine so große Fülle gesunder Kräfte teils immer noch enthält,
teils neu hervorbringt, daß von einem wirklichen Zurückgehen einstweilen gar keine Rede sein kann. Gilt
doch auch in der Kunst noch mehr als in andern Lebensthätigkeiten das alte Wort: „Es irrt der Mensch, so
lang er strebt". Die Gunst der Nation ist darum auch jetzt innerhalb dieser Kunst alsbald wieder all denen
zugefallen, deren Bestrebungen die Neigungen und das innerste Wesen unsrer deutschen Art am energischsten
und wahrsten aussprechen. — Eben deßhalb weil es an solchen durchaus nicht mangelte muß man sich jetzt
auch für die Fortsetzung des einmal begonnenen Unternehmens der jährlichen Ausstellungen aussprechen, da
nichts gewisser ist, als daß die Künstler bald genug durch die Erfahrung belehrt, viele ihnen noch anhaftende
Mängel unterm Einfluß der Nation selber verbessern lernen werden. Das aber kann auch nach diesem ersten
Versuch bereits als festgestellt gelten, daß solche Ausstellungen allein der heutigen Ausdehnung unsrer Münchener
Schule entsprechen.
 
Annotationen