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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Brandes, Otto: Jules Dupré
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0088

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ling, das Skizzenbuch in der Hand, durch Feld und Wald
und reifte, von der Lehrmeisterin „Natur" allein unter-
richtet, zum jungen Meister heran, der bald die Führung
der glänzenden Künstlerschar übernahm, aus welcher die
Delacroix, Rousseau, Diaz, Corot, Millet, Decamps,
Troyon unvergänglichen Ruhm erworben haben. Der
Meister ist der Letztüberlebende geblieben. Die frische
Landluft in l'Jsle-Adam bei Parmain, der unausgesetzte
Kontakt mit der Natur hat den Künstler bis in sein
hohes Alter jugendlich frisch erhalten. Er hat nie etwas
von dem Pariser Leben wissen wollen, und, wie
Millet, zog es ihn stets aus dem geräuschvollen
Paris zu der stillen Beschaulichkeit des Landlebens
zurück. Glücklicher wie dieser hat er aber schon
bei Lebzeiten Anerkennung und Ruhm gefunden.
Die Landschaftsmalern stand in den dreißiger
Jahren, als das Talent Dupres sich zu entfalten
begann, auf niedriger Stufe. Die Vorbilder
Claude Lorrains, Ruysdaels, Hobbemas wurden
nicht beachtet. Man ahmte höchstens sklavisch
Poussin nach und verarbeitete im Winter die im
Sommer gesammelten Motive. Bei dieser Art
des Malens war es begreiflich, daß der unmittel-
bare Eindruck, den die Natur auf den Künstler
ausübte, gar nicht oder doch nur verwässert auf
den Bildern zum Ausdruck gelangte. Sei es
Rührung, sei es Begeisterung, eine Note der
Empfindung muß aus einem landschaftlichen Bilde
herausklingen, wenn es den Beschauer Packen soll.
Die Landschafter sind Lyriker des Pinsels. Neben
der Wahrheit und fast mehr noch als diese inter-
essiert uns die Stimmung, aus der sie ihr Werk
gefördert haben. Das erkannte der junge Dupre.
Er setzte sich hin und malte unter den ihn un-
mittelbar aus der Gottesnatur werdenden Ein-
drücken, bald vor ihrer gewaltigen Größe er-
schauernd, vor ihren geheimnisvollen Rätseln
melancholisch sinnend, oder jubelnd über ihre Herr-
lichkeit und Pracht. Der melancholische Zug ist
der häufigere, welchen wir in den Bildern Dupres
begegnen. Er war der erste also, der sich wieder
der Realität in der Landschaftsmalerei zuwandte,
nicht dem vulgären Realismus, sondern dem,
welcher die moderne Schule so hochgebracht hat,
und der die Vereinigung der Wahrheit und des
Gefühls, der innige Zusammenhang zwischen dem,
was das Auge sieht und das Herz empfindet, ist.
Das erste Salonbild kaufte dem jungen Künstler der
Herzog von Nemours für den damals stattlichen Preis von
1200 Franks ab. Damit war gewissermaßen die künstlerische
Stellung Dupres gemacht. Die Februar-Revolution schickte
den Herzog ins Exil. Unter der dritten Republik kehrte er
zurück. Dupre machte seinem Gönner als einer der ersten
seinen Besuch. Die beiden Männer sahen sich lange an.
Die Jahre hatten ihr Haar gebleicht, die Stirne gefurcht.
Der Herzog nahm den Arm Dupres und führte ihn vor
sein Bild: „Sehen Sie", sagte er, „das da ist glücklicher
als wir beide, es hat nicht gealtert".
Dupre hat, wie gesagt, eine Reihe glänzender
Schüler gebildet, aber er interessierte sich in seiner un-
erschöpflichen Herzensgüte nicht bloß für ihre künstlerische
Entwickelung, er sorgte auch für ihre materielle Lage.
Er war es, der Millets Zeichnungen bei Kunstfreunden

kolportierte und oft genug dafür sorgte, daß Brot in die
Heimstatt des zu spät gewürdigten Meisters kam, er zwang
die Kunsthändler Rousseaus Landschaften zu kaufen, er
war es, der Troyons Talent zuerst erkannte und prote-
gierte. Das Haus in Jsle-Adam, in welchem auch mit
dem wachsenden Vermögen die Schlichtheit nicht ver-
schwand, war denn auch der Sammelplatz aller dieser
Schüler und Freunde, die Dupre sehr häufig durch
schlagende Aphorismen über die Kunst unterhielt. Die
meisten dieser Künstler bewohnten das Land. So

Konsilium. Von A. F. Seligmann
Erste Münchener Iahres-Ausstellung ^889
Daubigny nicht weit von Jsle-Adam in Auvers. Der
fröhliche Corot, der Dupre so unendlich treffend den
Beethoven der Landschaft nannte, war ein viel und gern
gesehener Gast und Theodore Rousseau lebte lange Zeit
an der Seite Dupres in Jsle-Adam selbst.
Sechzig Jahre ununterbrochener Arbeit haben dem
Künstler bis zum letzten Augenblicke nichts von der
Frische seines Schaffens geraubt. Noch in den letzten
Jahren wandte er sich einem neuen Zweige der Ma-
lerei zu. Er verbrachte gewöhnlich einige Wochen des
Sommers in La/eux-sur-^ler. Eines Tages packte
ihn die Majestät der ewig rollenden Flut dergestalt,
daß er in die Worte ausbrach: „Das stets vor Augen
zu haben und nicht zu malen, ist dumm." Und von
jenem Tage an widmete er sich mit der Leidenschaft
 
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