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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Pecht, Friedrich: Zu Ludwig Knaus 60. Geburtstage
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0098

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SS

Zu Ludwig Knaus' so. Geburtstage


den Jahren rastlosen Strebens und Schaffens. Es war das NM so mehr der Fall, als in der Litteratur gleich-
zeitig Viktor Scheffel, Gustav Freitag, Fritz Reuter eine ganz ähnliche Richtung mit nicht geringerem Erfolg
einschlngen, in der Musik Richard Wagner die ganz verwälschte durch eine neue, nationale Kunst mit uner-
hörtem Erfolg ersetzte, in der Baukunst Semper, in der Bildhauerei Rauch, Rietschel und Hähnel ihre glän-
zendsten Triumphe davontrugen. Diese Männer alle haben durch ihr instinktives Zurückgreifen auf die
großen volkstümlichen Grundlagen jeder
Kunst das Jahr 1870 erst ermöglicht, weil
sie es waren, die mitten im unerbaulichsten
politischen Gezänk dem deutschen Volke
durch ihre Schöpfungen wieder eine neue
Jugend, Kraft und Selbstvertrauen Zurück-
gaben. Wenn man daher in unsrer Kunst
von einer klassischen Periode sprechen will,
so wird man darunter immer die nach
1848 zur Herrschaft kommende zu verstehen
haben, weil erst von da an die ganze
Nation mitwirkte, um eine nicht geringe
Anzahl ewig-gültiger Zeugnisse unsrer
nationalen Wiedergeburt zu ermöglichen.
Unter den Männern nun, welche
mit das größte Verdienst um diesen mäch-
tigen Aufschwung haben, steht Ludwig
Knaus, dessen sechzigsten Geburtstag wir
heute begehen, unstreitig mit in erster
Reihe. Nach Menzel ist er der erste jener
großen Volksschilderer und Humoristen,
durch die unsre Kunst sich jeder andern
überlegen erweist. — Er ist auch un-
zweifelhaft der erste unsrer Bauernmaler,
der es zu wirklich klassischen Leistungen
gebracht hat, wie er auch als der früheste
eigentliche Kolorist in Deutschland er-
scheint. — Aus dem Schoße des Volkes
entsprungen und darum ihm überall Ver-
ständnis entgegenbringend, wird er aber
doch, dank seinen frühen Erfolgen, bald
so viel in der Welt herumgeführt, daß er
sich nicht nur den Provinzialcharakter ganz
abstreift, sondern sich auch eine ebenso reiche
Bildung als durchdringende Menschen-
kenntnis aneignet, die ihn befähigen, später
die geistig höchstgebildeten Männer des
Nordens mit demselben feinen Verständnis
darzustellen, mit dem er früher die derben
Bauern Hessens, des Schwarzwaldes oder
Tirols wiedergegeben. Ja sie ermöglicht
Der erste Profit, von Ludwig Kn ans ihm, sich M so reizvoll edeln Schöpfungen,
Mit Genehmigung der Photographischen Gesellschaft in Berlin Ww es seNNL MüdlMNenbilder sind, eMPvr-
zuschwingen und so unstreitig der univer-
sellste unsrer großen Sittenbildmaler zu werden. Ein weiteres Verdienst teilt er allerdings mit Menzel: daß
sie beide unsre Kunst zuerst vom Bann der Antike befreit haben, der seit Jahrhunderten auf ihr lastete. Sie
sind die ersten, bei denen man den ewigen Gipskopf nicht mehr findet, dessen Spuren man selbst noch in der
ganzen Kunst der Romantik auf Schritt und Tritt begegnet, wie er zwei Jahrhunderte lang jede naive und
selbständige Auffassung der Natur verhinderte.
Wie bildet sich aber nun solch großer Künstler? Darüber haben wir bis jetzt nicht allzuviel gewußt,
da von unsres Meisters frühestem Lebensgang wenig oder nichts bekannt war, während doch erfahrungsgemäß
gerade die ersten Eindrücke durchaus bestimmend für die weitere Entwicklung bleiben. Man denke da nur an
 
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