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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Weihnachtsbücherschau
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Weibnachtsbücherschau. Vom Herausgeber


Lsrlenspirlende Schustrrjuingrn. von Ludwig Knaus

Mil Genehmigung der photographischen Gesellschaft in Berlin

Kaeseberg und Oertel, Feldweg, Scheu, Döring oder Richter, denen
die große Mehrzahl des Gebotenen angehört, kaum mehr von
einander zu unterscheiden sind, so daß man bald dem einen, bald
dem andern den Vorzug geben möchte. Unsre Holzschneider-
ateliers sind eben nachgerade große Werkstätten geworden, deren
Arbeiten gar keinen persönlichen Charakter, sondern den einer
mehr oder weniger gewandten Fabrikation tragen. Was von der
Behandlung, gilt auch von den Originalen und deren Stoffen,
da ihre Auswahl denselben widerwärtig kosmopolitischen Charakter
trägt, der den schlechtesten Neigungen unsres Publikums ent-
spricht. Fällt das denn französischen oder englischen Blättern
dieser Art ein? Geben sie jemals die Sittenbilder deutscher
Maler, wie wir die unsrer Nachbarn überm Rhein oder den Alpen?
— In alle dem stehen die „Fliegenden Blätter" und ihre Nach-
kommenschaft, welche nicht nur die Eigenart der Zeichner genau,
ja oft unübertrefflich wiedergeben, sondern auch den nationalen
Charakter streng festhalten, fast ganz allein, obwohl sie gerade
dem ihre Verbreitung in der ganzen Welt danken, die nur den
respektiert, der Charakter und Eigenart zeigt. — Ihrer starken
Lokalsärbung verdankt denn auch unstreitig die Beliebtheit, die
sie sich erworben, die nunmehr in einer ganz neuen Ausgabe
vorliegende „Münchener Bunte Mappe" (Verlagsanstalt
für Kunst und Wissenschaft vormals Fr. Bruckmann, elegant
kart. 10 M.), welche wohlweislich nicht nur die besten Auf-
sätze und Bilder ihrer beiden Vorgängerinnen zu einem an-
mutig frischen Ganzen vereinigt bietet, sondern daneben auch
diejenige mäßige Beigabe von lustigem Unsinn bringt, deren
die menschliche Natur nach Goethes Behauptung am aller-
vis tsunst für All« V

wenigsten entraten kann. Jedenfalls in Deutschland nicht! Das
leuchtet einem besonders ein, wenn man gleich darauf die „Ge-
lehrte und Männer der Kirche" enthaltende diesjährige Fort-
setzung des „Allgemeinen historischen Porträtwerkes"
(Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft vormals Fr. Bruckmann
in München, in Halbfrz. 50 M.) durchblättert, wo einem ein ganzer
Himmel von Ketzerverbrennern und sophistischen Haarspaltern
aufgeht und man, dank dem Scharfsinn des die Auswahl
treffenden Herrn von Seidlitz, unter einer Menge von an-
scheinend zur Illustrierung einer Geschichte der Verirrungen des
menschlichen Geistes bestimmten Gesichtern doch auch einer Anzahl
von wohlthuenden begegnet. Unstreitig ist ein guter Teil der
ersteren wohl mehr den Verirrungen der Porträtmaler als den
betreffenden Herren selber zuzuschreiben, aber es bleibt immer
noch genug übrig, um uns mit heiliger Scheu, wenn nicht vor
allen, doch besonders vor den „Gottesgelahrten" zu erfüllen.
Da scheint fast nur der kleine Schleiermacher neben den gött-
lichen Dingen noch etwas Raum für gesunden Menschenverstand
in seinem Kopfe behalten zu haben. Trotz alledem, ja selbst
trotz der unvermeidlichen Unvollkommenheit einer solchen Samm-
lung hat es doch eine fast dämonisch fesselnde Anziehungskraft,
die Gattung bomo sapiens in so besonders scharf ausgeprägten
Exemplaren zu betrachten, und wir begreifen den Beijall wohl,
welchen das Werk als unvergleichliche, wenn auch anscheinend
von Mephisto selber geschriebene Geschichtserläuterung gefunden.
Kann man bei diesem Porträtwerk die deutsche Volks-
oder vielmehr Gelehrtenart vom vierzehnten bis ins neunzehnte
Jahrhundert immer scharf, wenn auch nicht allemal gleich vorteil-
 
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