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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Zimmern, Helen: Die neapolitanische Malerschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0118

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Die neapolitanische Malerschule


Qa esnroris rniova cti vlsdl Zrotts. von F. Dalbono

Worte sind sehr wahr, und liegt in ihnen vielleicht der Grund, deshalb die so kräftige und thätige Schule
des modernen Neapels noch nicht genügend Anerkennung jenseits der Alpen gefunden hat. Charakteristische
Vertreter dieser Schule sind Morelli, Dalbono und Michetti. Dem Erstgenannten, einem armen Knaben, ge-
lang es nur nach Überwindung unzähliger Schwierigkeiten, an der damals auf keiner hohen Stufe stehenden
Akademie in Neapel zu studiren. Durch Erringuug verschiedener Konkurrenzpreise wurde ihm die Mög-
lichkeit geboten, nach Rom zu gehen und dort gingen ihm erst recht die Augen auf über die starre Rethorik
und die leeren Formen, die auf der Akademie in Neapel gelehrt wurden, und der Entschluß reifte in ihm,
sich von denselben aus eigener Kraft zu befreien. Seit frühester Jugend hatte sich Morelli mit Litteratnr ab-
gegeben und er gehört zu den wenigen Künstlern, die einsehen, daß die Kunst, will sie Großes, Weitumfassendes
leisten, derselben die Hand bieten muß. So lag der Gedanke nah, den Stoff zum ersten Bild aus seinem ge-
liebten Byron zu schöpfen; er wählte die Abschiedsszene aus dem Corsar. Das Bild erregte Aufsehen;
die Akademie weigerte sich zuerst, es aufzuhäugen, da unter der väterlichen Regierung König Bombas streng
darauf gesehen wurde, daß keine nackten oder frivolen Thematas behandelt werden; man hing cs zuletzt in
einer dunkeln Ecke auf, wo es trotzdem die große Menge anzog. Darauf ging er wieder nach Rom und
studirte unter Overbeck. Es ist interessant, den Einfluß zu beobachten, den dieser streng religiöse Meister auf
ein phantasiereiches, fruchtbares, südliches Gemüt ausübte, wenn man es mit den Arbeiten der Schüler Over-
becks in Deutschland vergleicht. Wer wollte nach solcher Untersuchung noch behaupten, daß die geographische
Lage keine Bedeutung habe. Aus dieser Zeit stammt Morellis Neigung, biblische Stoffe zu wählen, und mit
seiner „Madonna" die ihr Kind in den Schlaf wiegt und singt, während ihr Gesang von einer Legion Cherubine
auf Instrumenten begleitet wird, hat er die erste Probe des eigentümlichen Geistes abgelegt, mit dem er seine
religiösen Bilder belebt. Das Bild rief einen Sturm des Enthusiasmus unter den römischen Künstlern hervor
und machte seinen Namen schnell berühmt. Morellis Schwäche und Größe liegt in seiner Phantasie, deren
Exaltation nicht immer im Verhältnis zu der Fähigkeit der Wiedergabe sieht; aus diesem Grund machen seine
Bilder oft einen skizzenhaften Eindruck, denn während der Gedanke noch kaum angedeutet ist, hat sein frucht-
bares Gehirn schon wieder andre geschaffen. Hierher gehören „Episode während der sizilianischen Vesper"
„Ginevra" rc. In seiner ganzen Größe erscheint er in „Christus einbalsamiert" und „Christus verspottet",
 
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