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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Pecht, Friedrich: Anselm Feuerbach: Zur 10. Wiederkehr seines Todestages (4. Januar 1880)
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zz-4 Anselm Feuerbach. Zur io. Wiederkehr seines Todestages (4. Januar 1880)
Verstandes oder Neides. Dann, als der wohlverdiente Lorbeer schon längst seine Schläfe krönte, die gemeinste
Anfeindung in Wien, die ihn bald wieder von dort, wo er Boden fassen zu sollen schien, vertrieb. So kam
alles zusammen, ihn nirgends anwachsen zu lassen, nachdem er, durch vieljährige Einsamkeit in Rom entwöhnt,
alle Fähigkeit verloren hatte, sich in ein großes Ganze einzuordnen. Dazu trat bald das mangelnde Ver-
ständnis der deutschen Art, der er, immer im Ausland lebend, allmälig ganz entfremdet worden, ohne sich an
eine andre gewöhnen zu können. Endlich das Genie, das ohnehin immer isoliert. Da war denn zuletzt gar
kein Platz mehr auf der Erde für ihn übrig, als auch noch Krankheit und infolge derselben ein früher Nach-
laß der schöpferischen Kraft eintrat, so daß er vollständig zerfallen mit der Welt dieselbe verließ, bloß weil
dem früh Verwöhnten jene zähe Nachhaltigkeit für den Kampf des Lebens abging, welche sonst meistens die
Begleiterin des Genies ist.
Dennoch muß man jetzt gegenüber der Fülle von edlen Schöpfungen, mit welchen er den Schatz
unsrer Kunst vermehrt, sagen, daß er wahrlich ein besseres Los verdient hätte, als das, welches ihm zu teil
geworden. Hat doch unsre Zeit sehr wenige Künstler
hervorgebracht, die von allem Anfang an so durchaus
eigenartig und selbständig aufgetreten wären. Nimmt
man die ersten in Paris und Karlsruhe entstandenen
Werke aus, wo er sich, wie beim „Aretin", noch an Paul
Veronese anlehnte, so tritt dafür, sobald er erst die
italienische Kunst auf ihrem natürlichen Boden kennen
lernte, seine künstlerische Persönlichkeit alsbald vollkom-
men fertig in jenem „Dante mit edlen Frauen in
Ravenna" Wb. s. S. 115) auf, der nun auch lange Zeit
maßgebend für sein ferneres Schaffen bleibt. Die Größe,
Einfachheit und Ruhe der Komposition, ihr sich im Abend-
himmel zeichnender herrlicher Umriß sind so imponierend,
wie sich nicht viel Ähnliches in der bisherigen deutschen
Kunst findet. Denn es vereinigt sich damit eine Ein-
fachheit und Macht der koloristischen Stimmung, eine
feine Durchbildung des einzelnen, wie sie weder die
cornelianische Schule, noch die ihr folgenden Natura-
listen je erreicht haben. Die Vornehmheit des
Ganzen bleibt auch jetzt dauernder Charakterzug der
Feuerbachschen Kunst. Dabei sind diese Frauen echte
Italienerinnen und nur das ist mehr deutsch gemütvoll,
daß sie so viel Zärtlichkeit an den majestätischen alten
Herrn verschwenden. Das merkwürdigste scheint aber
immer, daß man da gar keine Anlehnnug mehr an
irgend einen Künstler alter oder neuer Zeit wahrnimmt,
wenn auch Einflüsse der italienischen Renaissance über-
haupt wohl fühlbar werden. Modern ist nur die
romantische Empfindung, die das Ganze belebt und es
von der antiken Unbefangenheit gründlich unterscheidet. —
Das Bild gewann ihm das Herz des Grafen Schack,
der von nun an für Jahre sein Beschützer ward und
ihm denn auch die schönsten Perlen seiner Galerie verdankt. Der geniale Mann, der eine magische Anziehungs-
kraft auf die Frauen ausübt, bleibt nun das Ideal des Künstlers und kehrt bald als Ariost, bald als Petrarca,
als Hafis am Brunnen und als Christus in der Pieta, wiederum einem romantischen Stimmungsbild ersten
Ranges, endlich als Alkibiades im „Gastmahl des Plato" Wb. s. d. Heft) und als Prometheus wieder.
Mit dem Gastmahl beginnt die zweite Periode, wo allmählich doch der Klassizismus bei ihm überwiegt,
und er den Formenreiz der Antike in die Malerei zu übertragen sucht. Doch vorher entquellen noch eine Fülle von
reizenden Schöpfungen seinem nimmerrastenden Pinsel, in welchen er sich ganz der Wiedergabe italienischer Frauen-
schönheit, wie in der köstlichen Figur der „Poesie" Wb. s. d. Heft), der hinreißend schönen „Franceska da
Rimini" oder der Anmut des dortigen Kinderlebens widmete, wie wir beides vereint in der „Madonna mit
musizierenden Engeln" (Abb. s. d. Heft) oder dem „Urteil des Paris" Wb. s. S. 119) finden, jener
grandiosen Schöpfung, wo er zum erstenmal direkt an Raffael erinnert und die Göttinnen in eine überaus an-
*) Die Skizzen auf Seite 114, 117, 118 und 120 sind mit gütiger Genehmigung des Verlegers Franz Hanfstängl A. G.
in München dem Werke „Anselm Feuerbach, Handzeichnungen" (33 Faksimiledrücke, Preis 100 M.) entnommen.


Kleine Lautensxielrrin
Aus A. Feuerbachs Skizzenbuch*)
 
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