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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Barth, Hans: Römerbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0188

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Römerbrief. Don H. Barth

Erker mit bunter Renaissancelampe und mit einer auf
Holz gemalten holländischen Bauernhochzeit an der Rück-
wand (die altdeutsche Einrichtung arrangiert und gestiftet
von den Bildhauern Hesekiel und Jordan); das
Vorstands zimmer mit einer an den Wänden ange-
brachten Galerie von ca. 50 photographischtreuen Kohlen-
porträts alter Mitglieder. Da erblicken wir die von
wildrevolutionärer Kravatte abgeschlossenen Sturm- und
Drangprofile der Riedel, Knaus, Böcklin, Feuer-
ba'ch, A. v. Werner, Begas, Romaco, Kopf,
Passini, Lisztu. a., allein der Manier der fünfziger
Jahre gehalten. Auch eine vom Zahn der Zeit scharf
zernagte geniale Tanzordnung A. v. Werners ist in
dem Gemach angebracht, wo der neue Vorstand des
Vereins bei zahllosen Seideln Biers über die Fortsetzung
der „Glanzära" beraten soll. Hier wird auch die von
Waizenberg geschaffene und dem Verein geschenkte Büste
des früheren Vorstands, Professor Gerhardt, zur Auf-
stellung kommen. — Ein ganz entzückendes Gelaß ist
endlich das kleine Billardzimmer mit gobelinartigen
Wandmalereien von Professor Knackfuß (1876), Bürck
(1876), Professor Schobclt und Romaco. Besonders
Knackfuß' lebensgroße Triade oder Baumnymphe, auf
dem Geäst sitzend und ein Vogelnest belauschend, ist in
ihrer einzig-göttlichen Nacktheit von bestrickender Wirkung;
nicht zu vergessen auch den trefflichen Gipsabguß von
Michelangelos Bacchus mit dem Trauben naschenden
Satyr. — Die unteren Lokale (Bibliothek- und Aktsaal,
Küche rc.) entziehen sich vorerst noch der Beschreibung.
Aus einem der großen Parterresäle soll — wie erwähnt
— ein Aktsaal gemacht werden, in dem (wie dies im
Internationalen Künstlerverein längst der Fall ist) die
jungen Künstler an den Winterabenden nach lebenden
Modellen zeichnen können. Damit ist das — wie
jedermann zugestehen wird — in der That reiche Kapitel
der neuen Vereinsräume erschöpft, über deren in der
Tagespresse bereits behandelte Einweihung wir nur
wenige Worte nachschicken wollen. Wie oben erwähnt,
war die Einweihung des Lokales mit der Enthüllung
der Gerhard tschen Kaiserbüste verbunden. Der Schrift-
führer des Vereins, Herr Dawison, übergab namens
des Stiftes und des Künstlers die Büste dem neuen
Vereinspräsidenten, Prof. Kopf, der mit einigen Worten
des Dankes antwortete. Dann folgte ein fröhliches
Bankett und später freie Vereinigung bei Musik und
Künstlerhumor in den verschiedenen Sälen. Anwesend
bei der Feier waren Graf Solms (selbst ein geschickter
Maler), Herr von Schlözer und Baron Podewils,
der im Verein überaus beliebte Gesandte Bayerns. Die neue
Glanzära, wie sie mit Vorliebe und, bis jetzt wenigstens
auch mit vielem Recht genannt wird, hat also für den
deutschen Künstlerverein ausgezeichnet begonnen und, wenn
der gute Wille und der Enthusiasmus der Mitglieder
anhält, so gehen wir einer Festsaison entgegen, die sich
den goldenen Zeiten von einst würdig an die Seite
stellen darf. Möge die Energie des neuen Vereins-
vorstandes — die sich bereits so vorzüglich bewährt
hat — nicht erlahmen und der deutsche Künstlerverein
in Rom wird wieder — wie sichs gebührt — in die

t-r
Reihe der ersten Künstlergenossenschaften Deutschlands
treten. — Daß diesem Streben die heutigen Zustände der
ewigen Stadt nicht übermäßig hold sind, haben wir schon
anfangs angedeutet. Denn Rom ist — die Thatsache
läugnet sich nicht hinweg — das heutige Rom ist mehr
oder weniger zu einem Kunstmarkt herabgesunken
und zwar zu einem Kunstmarkt oft etwas minder-
werthiger Qualität. Was soll man beispielsweise dazu
sagen, daß seitens vieler „Künstler" von Namen —
„Künstler" aller Nationen — die Kunst-
fabrikation in schamlosester Weise betrieben wird,
die (exempluckocent) sogar mitunter zu — „Pleiten"
führt? Wenn Künstler — die allerdings die Bastarde
ihres Pinsels (wenn es überhaupt nicht Kinder fremder,
bezahlter Väter sind), wenn Künstler, die ihre „Werke"
allerdings keiner ernsten Ausstellung einzusenden
wagen, auf den Hereinfall exotischer Gimpeln spekulieren
und auch spekulieren müssen, um überhaupt auf ihre
Kosten zu kommen? Wer nicht selbst in Rom ist, um
einen Einblick in solche, vielfach von Glück begünstigte
„Kunstfabrikation" en gros zu gewinnen, der würde es
nicht glauben. Und doch ist es so: daß Künstler von
scheinbar gutem Namen sich ein Heer geschickter Kunst-
gehilfen halten; daß sie Farbendrucke, Statuen,
und Büsten, so handwerksmäßig fabrizieren lassen,
als dies in einer Dreherei oder sonst bei einem
braven Handwerksmeister geschieht; daß sich manche
dieser Jünger Apolls mit Hotelbesitzern, Fremdenführern,
ja sogar Portiers assozieren und so mit Geschick den
Fang der kunstliebenden Spezies John Bull und Jankee
betreiben. Da werden riesige Ateliers gemietet und
eingerichtet mit blendenden Dekorationen, mit sinn-
berückendem Reichtum an Farben- und Marmor-Effekten,
mit Seide- und Sammtstaffagen und goldenen Rahmen
von großartigem Werte. Was Wunder dann, wenn der
eine oder andre dieser Kunstfabrikanten falliert, wie ein
bankrotter Geschäftsmann? Daß es Künstler dieser Art
gibt, die bei Nacht und Nebel verduften, um in irgend einem
Armenhaus zu sterben und zu verderben? Wir schreiben hier
keine Moralepistel aber doch sei es wiederholt, daß das
künstlerische Rom nicht mehr auf derselben Höhe steht, wie
einst. Desto freudiger ist darum der deutsche Nachwuchs
zu begrüßen, der mit Knnstidealen und freier, offener
Stirn in die altehrwürdige Roma gezogen kommt. Und
da sei es uns vergönnt den Blick auf einen jungen
bayerischen Künstler hinzulenken, dessen ernstes
Schaffen auch in seinem Heimatlande schon die nötige
Beachtung gefunden hat. Wir meinen den Bildhauer
Balthassar Schmitt, dessen Weiherelief bekanntlich
für die neue Münchener Kunstakademie angenommen
worden ist und der mit einem Stipendium der bayerischen
Regierung sich in Italien weiterbildet. Zwei sinnige
und ernste Arbeiten des jungen Künstlers — eine „Aus-
treibung aus dem Paradiese" und eine „St. Agnesebüste"
— werden zur Ausstellung nach München gelangen und
Zeugnis davon ablegen, daß es der deutschen Kunst an
jungen Kräften nicht gebricht, so großes Geschrei auch
gerade in dem Adoptivvaterlande der deutschen Kunst, in
Italien, die Afterkunst erheben mag.



VIe Kunst sür Alle V
 
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