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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Pietsch, Ludwig: Wilhelm Allers
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0198

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1^6 Wilhelm Alters
Er zeichnet die in den Mikado-Aufführnngen mitwirkenden nnvergeßlichen englischen Künstler und
Künstlerinnen jener ersten und besten der verschiedenen damit bei uns gastiert habenden Truppen in ihren
Garderoben, beim Schminken, Frisieren und Ankleiden, beim Ausruhen, beim Erwarten ihres Stichwortes,
beim Betrachten des Publikums durch das Gucklöchelchen im geschlossenen Vorhänge; einzeln und in Gruppen
von zwei bis sechs und acht Gestalten. Nichts entgeht ihm. Alles, was er sieht, wird ihm zum Bilde und reizt
ihn zu dessen Darstellung und alles schreibt er nach raschem Sehen im schnellen Fluge in seiner schlichten Weise
echt und wahr auf das Papier nieder.
Die zweite Folge enthielt nicht minder treffliche Blätter; eine Gesellschaft von Mitgliedern einer Spezialitäten-
bühne nach der Vorstellung mit ihren Freunden und Verehrern beim Abendessen im Restaurant; der Interviewer
unter den kleinen Herren und Damen des Zwergentheaters, der Hauptkünstler des letzteren, Franz Ebert, dem
Hervorruf folgend und den großen Lorbecrkranz mit stummem Dank entgegennehmend; die Siesta im Ticr-
zirkus; der Elefant im traulichen Beisammensein mit seinem Wärter; Ninon und Nanon in der Damengarderobe
der Operettenbühne; Mr. Barklay führt die Riesenschlange vor, wozu die Musikanten auf ihrer Estrade Trom-
peten und Klarinetten blasen; eine Kunstpause, in welcher ein Clown hinter den Kulissen ans der Spiritus-
lampe sich eine Schokolade im Blechgefäß kocht, von dem sein Töchterchen erwartungsvoll den Deckel abhebt;
die Primadonna, die bereits im Kupee, bei ihrer Abreise sich von ihren Freunden verabschiedet; die Soubrette
auf der Gastspielreise; die erste Liebhaberin nach ihrem Benefiz. Andre Zeichnungen dieses Zyklus stellen

theatralische Charaktertypen in ganzen Gestalten und
Helden und Liebhaber, den jugendlichen Liebhaber,
den alten muntern Garderobier im Begriff eine
Nadel einznfädeln, der Charakterschauspieler, von
Zorn und Grimm übermannt nach der Lektüre eines
Zeitungsblattes mit einer abfälligen Kritik seiner
jüngsten Leistung; das Stubenmädchen, das beim
Abstäuben seine erste Rolle für die Vorstellung im
Liebhabertheater einstudiert; den hübschen, kleinen
Zirknsjungen, das reizende, kleine Töchterchen des
Clown.
Diese hier ausgestellt gewesenen Blätter
sind nicht die ersten ihrer Gattung, welche Allers
gezeichnet hat und nicht die ersten Arbeiten, durch
welche er in Berlin bekannt wurde. Vor drei Jahren
kam der damals kaum dreißigjährige Künstler hierher.
Man wußte hier nichts von seiner Person und
seinem Talente. Aber an einen aus Hamburg
stammenden geschätzten humoristischen Schriftsteller
empfohlen, zeichnete er dessen Bildnis in Bleistift.
In der Zeit von anderthalb Stunden hatte er in
diesem Kopf von frappantester Ähnlichkeit, leben-
digstem geistigem Ausdruck und feinem Formen-
verständis ein kleines Meisterwerk der Porträt-
zeichnung geschaffen, das ihm in den, auf die
Meinung der Berliner Gesellschaft einflußreichsten
litterariichen Kreisen rasch Ruf und Gunst erwarb.
Kaum eine der zu letzteren gehörigen bekannteren
Persönlichkeiten Berlins, kaum ein Mitglied ihrer
Familien, die damals nicht von Allers gezeichnet
worden wären; bald einzeln, bald in ansprechenden
ruhigen oder bewegten Gruppen, die völlig den Ein-
druck machten, als seien sie, wie sie sich zufällig in
Wirklichkeit gebildet hätten, dieser im glücklichen
Moment abgelauscht.
Nicht nur sein Talent, seine ungewöhn-
liche Gabe der raschen, sicheren Auffassung und
zeichnerischen Wiedergabe der charakteristischen Er-
scheinung'und des individuellen Wesens der Menschen,
der Kinder wie der Erwachsenen, erwarb Allers die

in großen Halbfiguren dar: den Komiker, den ersten

Der Zirkusjungr. Von <L. w. Allers
 
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