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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Unsre Bilder
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Unsre Bilder, vom Herausgeber

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anderthalb Jahrhunderten, die uns von Gampenrieders
fröhlichem Paar trennen. Sie stellt im Gegenteil un-
zweifelhaft das Bleibende dar in der Erscheinungen Flucht,
denn wahrend sich seither die gnädigen Gräfinnen samt
deren Lakaien und Karossen, wie man sieht, ebenso sehr
geändert haben als die Parkgitter und die Urnen über
denselben, so sind doch glücklicherweise der Frühling, die
Mädchen und Blumen, die Tauben und die Husaren ziem-
lich dieselben geblieben, was uns ganz ungeheuer beruhigen
muß inmitten der allgemeinen
Vergänglichkeit. Sieht man
doch daraus, daß es der armen
Menschheit nicht an Trost ge-
bricht auch in Zukunft und
unserm Künstler gebührt be-
sondrer Dank dafür, daß er
uns dies so durchaus glaub-
würdig dargestellt hat. Denn
wer lebte im Winter und sähe
melancholisch die Schneeflocken
vor den Fenstern tanzen, ohne
sich nicht sofort merkwürdig ge-
hoben zu fühlen, wenn ihm ein
wenig Maienluft und Maien-
lust auch nur durch die Kunst,
die große Trösterin, vor-
gcgaukelt wird? Wenn ge-
malte Öfen allerdings schlecht
Heizen, so können uns doch ge-
maltes Glück und Sonnenschein
den Trost wirklich vertreiben.
Zeigte uns Karl Gampen-
rieder mit ungewöhnlichem
Geschick eine Vergangenheit,
die wenigstens für die be-
treffenden nicht ohne großen
Reiz war, so lange die Wogen
des Geschicks sie obenauf
schwimmen ließen, so führt uns
dagegen Diez mit unübertrof-
fener Meisterschaft eine Szene
aus Deutschlands schrecklichster
Zeit vor, wo es lange Jahre
der Tummelplatz aller fremden
Abenteurer, die willkommene
Beute aller Räuber und Heuchler
war. Dieser Überfall eines
feindlichen Dörfchens durch
wilde Söldner des dreißig-
jährigen Krieges, wahre Bestien
in Menschengestalt, ist mit einer künstlerischen Kraft und
Wahrheit dargestellt, die geradezu unerreicht dastehen.
Selbst Wouvermann, der doch ihr Augenzeuge war, hat
jene furchtbare Periode nicht mit solcher überzeugender
Macht dargestellt, da seine Menschen weit nicht so indi-
viduell und mannigfaltig gegeben sind. Hat er doch das
eigentliche Deutschland kaum je gesehen und schildert
darum zumeist nur Wallonen als Soldaten, während
man bei Diez alle möglichen Volksstämme trifft. — Man
glaubt, das wilde Geschrei der Männer, das Gebrüll
der weggeschleppten Tiere, das Gejammer der Frauen
und Kinder zu hören, wenn man diesen surchbaren Zug
sieht. Derselbe fesselt uns gleich sehr durch den rein

malerischen außerordentlichen Reiz alles einzelnen wie die
meisterhafte Stimmung eines stürmischen Herbsttages, die
so vortrefflich zur Wildheit der ganzen Szene paßt. In
diesem rein malerischen Verdienst, welches das kleine Bild
zu einem der größten Meisterstücke der letzten Ausstellung
machte, steht Diez vollkommen unerreicht da, kein Künstler
des In- oder Auslandes kann sich im prickelnden Reiz
des Vortrags oder der feinen Berechnung der Gegensätze
wie der Wahrheit der ganzen Erscheinung mit ihm

ls As rkers? von T. kV. Alters
messen. Weder Meissonier, der in seiner Gleichmäßigkeit
der Ausführung trocken neben ihm erscheint, noch Fortuny,
der manieriert daneben aussieht, ja selbst kaum Menzel
erreicht ihn da, wenn sie ihn auch nach andren Seiten
hin übertreffen. Wir Deutsche aber könnten diesem Bilde
noch ganz andre Dinge als malerische Finessen ent-
nehmen, wenn die Völker ja aus der Geschichte etwas
lernen wollten. Umsomehr wäre das notwendig, als
Fanatismus, Klassenhaß und Parteigeist auf dem besten
Wege sind, uns einen ähnlichen Krieg aller gegen alle
heraufzuführen, wenn wir nicht rechtzeitig zur Vernunft
kommen. Aber was helfen die größten Kunstwerke denen,
die ihre Lehren weder sehen noch hören wollen?
 
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