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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Wollseiffen, Mathias: Albert Baur
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0318

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Von Ak. IVollseiffen

24z


schmerzlichen Wandlung. In München hatte Piloty eine Schule gegründet, die auf gesunder Naturanschauung
fußte und schon bei der Komposition gleich auch die malerischen Elemente in Betracht zu ziehen verlangte. Von
einer großen Zahl von Schülern wurde er verstanden; die Schwindschen und andern noch romantisch ange-
hauchten Schüler der Münchener Akademie konnten sich noch nicht zu dem Gedanken bequemen, daß die
Sprossen zu jeder auch der idealsten Leiter von festem, kernigem Material sein müssen und daß große Geister,
wie Cornelius und Overbeck, gut daran gethan hätten, auch „nach der Natur malen" zu lernen und ihren
Sinn für die malerische Erscheinung auszubilden. Es war ein Kampf zwischen Karton und Bild, zwischen
schöner Linie und malerischer Stimmung.
So rang man damals sich durch und stritt
heute für diese und morgen für jene Auf-
fassung. Baur, am großen Dramatischen
sich haltend und das Neue und Malerische
mit aller Energie sich erringend, wollte
manches vergessen und vieles lernen. Als
er glaubte, an dem Zeitpunkt angelangt zu
sein, wo er eigene Kompositionen ausführen
müsse, begann er auf eigene Hand einen
großen Karton: Die Leiche Otto III. wird
über die Alpen nach Deutschland gebracht.
Dieser erste Karton wurde gelegentlich
einer Konkurrenz in Prag, als er eben
das Atelier verlassen hatte, von der „Ver-
bindung für historische Kunst" prämiiert
und bestellt. Baur begann also sein erstes
größeres Bild, das er 1864 vollendete.
Alsdann sehen wir seine Malerei in stei-
gender naturalistischer Entwickelung sich
entfalten, immer getragen von einem ernsten
und heitern, stets zur vollen Klarheit
dringenden Gedanken und von strenger
Schönheit der linearen Entwickelung. Wäh-
rend der junge Künstler an seinem Otto III.
emsig malte, konkurrierte er s. Z. mit
vielen andern Zeitgenossen um die Aus-
malung des Elberfelder Schwurgerichts-
saales. Sein Stern war im Steigen, als
er mit seinem Entwurf siegte und infolge
dessen im Aufträge des damaligen Kultus-
ministers von Mühler das fast vierzig Fuß
lange Bild, eine Episode aus dem jüngsten
Gericht mit besonderer Beziehung auf das
Schwurgericht darstellend, vollendete. Das
Gemälde zeigt den Heiland als Welten-
richter, wie er die Guten von den Bösen
sondert. Zu seiner Linken sind in leben-
digen Gruppen die dem Schwurgericht an-
heimfallenden Verbrechen, wie Meineid,
Diebstahl, Unzucht, Hochverrat, Kindesmord,
Mord und als Epilog der unbußfertige Schächer von Dämonen verfolgt dargestellt. Zwischen Christus und
den Verworfenen steht hochaufgerichtet Michael in voller Rüstung, während zu seiner Rechten die von ähnlichen
Vergehen durch Gottes Gnade und eigene Reue gereinigten Sünder, wie Adam, Eva, David, Petrus,
Magdalena, der verlorene Sohn und als Epilog der bußfertige Schächer von Gabriel, dem Vermittler der Gnade,
dem Heiland zugeführt und von Engeln aufgerichtet werden. Es folgte bald nachher das von der Düsseldorfer
Galerie erworbene Staffeleibild „Christliche Märtyrer" (Abb. s. d. H.), eine der hervorragendsten
Schöpfungen der Düsseldorfer Schule. Dazwischen liegen manche Porträts und dekorative Wand- und Deckenbilder.
Nach solchen Erfolgen konnte es nicht wundern, daß Baur 1866 einen Ruf nach Weimar zur Über-
nahme einer Professur erhielt. Da er jedoch glaubte, noch nicht die zum Unterricht nötigen Erfahrungen in

Jugendlicher Poel, von Albert Baur
sshotographleoerlag v. Gust. Schauer in^Berlin
 
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