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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Ein neuer französischer Importartikel
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0328

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Lin neuer französischer Importartikel

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Im Dampfhammer. Entwurf zu einer kvanddekoration für Schalke, von Albert Bauc


des jeweiligen Direktors verdanken, während ein Privat-
mann selten ohne sachverständigen Beirat kauft, jedenfalls
Selbstgewähltes verschiedenen Meinungen aussetzt und
nach einsichtsvoller Prüfung das Erwählte behält und der
Sammlung einreiht oder vor der Einreihung wieder ver-
äußert. Es ist nun gewiß anerkennenswert, wenn so
ein führender Mäcen auf die Erwerbung guter Franzosen
ausgeht und mit Verständnis deren Werke wählt, nicht
sowohl der Namen, als auch der Arbeiten wegen. „Mir
fehlt ein Corot" — der Händler Horts und bringt
einen guten Corot. Mit dem Händler hat dieses Wort
aber auch ein andrer Sammler gehört. Corot! Das
Wort allein wirkt Wunder! Viele Corots hat er nicht
gesehen, Landschaften wenige, Figuren, auf deutschem
Markt, gar nicht, aber Corot hat der Herr gesagt.
„Ich muß auf alle Fälle einen Corot haben!" Der
erbötige dienstbeflissene Händler fährt nach Paris —
er nimmt wirklich ein Billet.dorthin — läuft in die
Privathäuser, wie vor Jahren der Perser und der
Türke, als man deren Teppiche begehrte, und sammelt
eine Kommissionskollektion. Auf der Rückfahrt, die er,
an das Wort denkend: „Schmiede das Eisen so lange
es heiß ist", möglichst beschleunigt, kalkuliert er die
Preise. Je höher, um so begehrter, denkt er, billige
Ware imponiert nicht, wir müssen dem Geschmacke entgegen-
kommend, den Blick durch unsre Zahlen entflammen!
Wer solche Wünsche hegt, muß deren Erfüllung teuer
bezahlen, sonst denkt er am Ende, ein jeder könnte sich
den Luxus solcher Begierden erlauben! Aber Corot
thuts nicht allein: Rousseau, Tupre, Ribot, Lambert,
Vollon, Trohon, Ziem, Jacque, Decamps, Roybet
müssen dabei sein — ein Ehrengefolge! Der biedere
Händler kommt an. Reklame verkünden sein Erscheinen.
Ter gemietete Salon wird mit klangvollen Namen, deren
Träger schon lange die Unsterblichkeit erworben, tapeziert,
das Publikum wird besonders auf die nie wiederkehrcnde
Gelegenheit eines wohlfeilen Kaufes echter Perlen auf-
merksam gemacht — der Händler lacht sich in seiner
Mußestunde ob der erzielten Wirkung seines Erscheinens
ins Fäustchen. Seine Atelierbesuche haben eine große
Ernte ergeben, Private haben ihn unterstützt — der
Künstler hatte die Freude, Skizzen, mißlungene Entwürfe

und Lagerstücke los zu werden; dem Privaten ist Chance
geboten, billig Erstandenes zehnfach bezahlt zu sehen.
Wer verliebt ist, zahlt, ob der Gegenstand seiner Ver-
ehrung schön oder häßlich ist, ist ihm gleich — das
weiß der Händler gar zu gut und — zu dieser
Stimmung stimmt er seine Leier. Die Wißbegierigen
können dem Lockrufe nicht widerstehen. Lernen wollen
sie und sehen, mit neidloser Freude das bewundern, was
nur den Wohlhabenden zu erwerben vergönnt ist. Sie
gehen mit dem festen Vorsatze hin, das Gebotene zu
studieren, das ihrem Geschmack Widersprechende wenigstens
des Urhebers wegen zu bewundern, von allzu kühnen
Kompositionen auf alle Fälle das Gute herauszulesen
und zu versuchen, Unverständliches zu begreifen.
Es liegt in der menschlichen Natur begründet, daß
jemand — in Bezug auf Bildersammeln — für seine
Geschmacksrichtung Propaganda zu machen versucht,
zumal dann, wenn sich dieselbe in seinem Besitztum ver-
treten zeigt. Die Mäcene, die ihr Hauptaugenmerk auf
die Erwerbung guter französischer Meister gerichtet haben,
werden ohne Zweifel in ihrem Umgangs- und Bekannten-
kreise dahin zu wirken trachten, daß immer mehr und
mehr Interesse für eine Technik und Malweise rege wird,
die bislang wenig Begeisterung zu entfachen vermochte,
die sie aber als bedeutend erkannt haben. Was Wunder,
daß sie große Erfolge erzielen: es schmeichelt dem Un-
verständigen, bei dem Kenner und dem renommierten
Mäcen den Glauben an ein gewecktes Verständnis erregt
zu haben.
Wir betreten nunmehr den mit Bildern reich gefüllten
Salon. Gleich bei dem Entree stoßen wir auf einen
Freudetrunkenen. „Sehen Sie sich die Sachen einmal an.
Großartig! Freilich teuer, aber wertvoll für alle Zeiten.
Ich habe mir auch einige Stücke zugelegt." Wir
halten Umschau. Gleich nach flüchtiger Betrachtung fragen
wir uns: Ist das Kunstverständnis so weit verbreitet,
so tief in die Schichten unsrer Bevölkerung gedrungen,
daß „der Herr" aus Überzeugung schwärmt? Unmöglich!
Wir sehen Schönes, sogar' sehr viel Schönes, aber das
Schöne offenbart sich nur dem kunstverständigen Auge.
Nicht dem Namenanbeter, nicht dem Preisbewunderer —
nein einzig und allein nur dem Farbenkcnner, also dem
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