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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Hausmann, S.: Die neueste Entwicklung der deutschen Panoramamalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0337

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Die neueste Entwicklung der deutschen jdanerameninalerei

daß sich den deutschen Künstlern ohne weiteres der Gedanke aufgedrängt hätte: Wenn diese eigenartige Wieder-
gabe einer Episode aus der Zeit der größten Erniedrigung einen solchen Eindruck auf die stolzen Franzosen
machte, welche Erfolge müßten sich da in Deutschland mit einer gleichartigen Verherrlichung unsrer Siegesthaten
erzielen lassen?
In Wirklichkeit nahm die Sache einen andern Gang, entsprechend der merkwürdigen Erscheinung, daß
die Franzosen aus ihren Niederlagen viel mehr als wir Deutsche aus unfern Siegen Anlaß zum Aufschwünge
der Schlachtenmalerei genommen haben. Großenteils hängt diese sonderbare Thatsache damit zusammen, daß
die Franzosen mit außerordentlichem Geschicke ihre kleinen wirklichen oder erdichteten Erfolge in dem großen
Kriege zu einem künstlerischen Selbsttroste zu verarbeiten verstanden, so daß sie auf manchem ihrer Schlachten-
bilder als die moralischen Sieger gegenüber einer rücksichtslosen barbarischen Übermacht erscheinen. Andrerseits
aber hat bei uns in Deutschland das geringe Interesse, das man in hervorragenden Kreisen Süddeutschlands
der künstlerischen Verherrlichung des letzten Krieges entgegenbrachte, natürlich ebensowenig zu einem Aufschwünge
der Schlachtenmalerei beitragen können, als der Widerstreit zwischen künstlerischer Auffassung und der Rücksicht
aus militärische Genauigkeit, der bekanntermaßen in Berlin sich geltend machte.
So kam es denn, daß die neueste großartige Entwicklung des Panoramas bei uns in Deutschland
nicht durch die deutsche Schlachtenmalerei, sondern vielmehr, so unangenehm es uns klingen mag, durch das
Großkapital und noch dazu durch außerdeutsches Kapital herbeigeführt worden ist.
Ein reicher Holländer, ein Herr Diemont aus Arnheim war es, der zuerst dem Gedanken näher
trat, durch deutsche Künstler die deutschen Kriegsthaten von 1870/71 im Rundbilde verherrlichen zu lassen.
Er wandte sich im Jahre 1879 an Franz Adam in München, dann an Hünten und Bleibtreu in Berlin
und als er von allen dreien abschlägigen Bescheid erhalten, an den Münchener Schlachtenmaler Louis Braun
mit einer darauf abzielenden Anfrage.
Braun hatte bei der Weltausstellung auch zu den Bewunderern des Panoramas von Philippoteaux
gehört, erklärlicherweise aber hatte er, der sich niemals um Panoramen gekümmert hatte, keine Ahnung, wie
die Sache praktisch anzufassen sei. Trotzdem nahm er den eigenartigen Auftrag des Herrn Diemont an und
machte sich mit größter Energie an das schwierige Unternehmen. Nachdem er sich in die technische Seile rasch
eingearbeitet und eine Skizze, die im Maßstabe von Üi« der wirklichen ans nicht weniger als 120 Meter
Länge und 15 Meter Höhe berechneten Größe des Rundbildes gehalten war, in überraschend kurzer Zeit
fertig gestellt hatte, konnte er bereits im Jahre 1880 in Frankfurt a. M., wo inzwischen auch der Rundbau
für das Panorama vollendet war, mit der Ausführung beginnen, wobei er für die Architektur den jungen bei
Qnaglio in München ausgebildeten Dekorationsmaler Frosch, für die Landschaft die Landschaftsmaler Biberstein
und Lohr (den letzteren erst gegen Ende der Arbeit) zu Hilfe nahm. Und bereits am 1. September des gleichen
Jahres, am Jahrestage der Schlacht von Sedan, die das Rnndgemälde darstellte, konnte der Künstler das
fertige Bild übergeben.
Das Braunsche Panorama war ein Ereignis, das nicht nur in künstlerischen Kreisen, sondern überhaupt
in ganz Deutschland das größte Aufsehen erregte. Tausende und tausende von Besuchern lockte es an und die Über-
treibung ist nicht sehr groß, wenn Pecht in seiner Geschichte der Münchener Kunst sich folgendermaßen äußert:
„Die Nation war entzückt, endlich einmal ihre Siege in einer ihrer Größe besser als bisher angepaßten Form
zu sehen und berauschte sich förmlich darin. Die bisher so verachtete Schlachtenmalerei ward Plötzlich die
volkstümlichste aller Künste und die ärmsten Bauern scheuten tagelange Reisen nicht, um nur den Ort und
das Bataillon zu sehen, wo ihre Söhne gejochten." Auch die Kunstkritik nahm das neue Werk wohlwollend
ans. In mancher hervorragenden Zeitung und Zeitschrift ward es „als hochbedeutsames künstlerisches Unter-
nehmen" gepriesen und selbst ein scharfer Kritiker, der in der Lützowschen Zeitschrift für bildende Kunst darüber
berichtet, meint, man könne gerne zugestehen, daß der Maler hier ganz vortreffliches in seiner Art geschaffen,
nur müsse man sich zuerst „über das Unkünstlerische der Grundtendenz, welche in der Herbeiführung einer
möglichst großen Täuschung, einer Verwechslung des Scheines mit der Wirklichkeit, besteht, hinwegsetzen".
Lübke in seiner jüngst erschienenen Deutschen Kunstgeschichte aber rühmt Braun nach, daß er „das moderne
Schlachtcnbild in großartig dnrchgesührten Panoramen zu einer neuen monumentalen Form durchgebildet hatte".
War so das erste deutsche Panorama im großen Stile aus der Anregung eines reichen holländischen
Privatmannes hervorgegangen, so wurde das zweite, das dem ersten auf dem Fuße folgte, von einer belgischen
Aktiengesellschaft, der societe anonyme ckes Uanoramas zu Brüssel, ins Leben gerufen: das Panorama der
Schlacht bei Gravelotte, von den Berliner Malern Hünten und Simmler vortrefflich ausgeführt.
Damit aber war der Anstoß gegeben und die großen Erfolge der ersten Rundbilder riefen alsbald
eine gewaltige Unternehmungslust auf dem neu geöffneten Gebiete wach. Kaum war das erste Panorama der
Öffentlichkeit übergeben, so bildete sich zu Frankfurt a. M. auf Anregung von Baron Erlanger eine Panoramen-
Aktiengesellschaft, auch an andern Orten entstanden weitere Aktiengesellschaften zu gleichem Zwecke und man
möchte fast sagen, die Panoramen schossen wie Pilze aus dem Boden der deutschen Kunst empor. Bei dieser
 
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