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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Unsre Bilder
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Unsre Bilder, vom Herausgeber

2S7

Hinknien verurteilt worden und sich jetzt sehr gedemütigt
nach den Genossen ninsieht. Näher dem katechisierenden
jungen Priester sitzen die Frommen der Gesellschaft, die
dafür allerdings auch schwerer zu begreifen scheinen.
Die Bürschchen sind aber so gut charakterisiert, daß man
jedem den Stand seines Vaters ansieht und z. B. den
dickköpfigen Sprößling eines Pizzicarrols hinter dem Lehrer
prächtig von dem neben ihm sitzenden Barbierssöhnlcin
wegkennt. Am besten ist aber der gerade im Feuer
stehende Jüngling geraten, offenbar der begabteste und
das Prunkstück der Gesellschaft, obwohl er die Frage, die
ihm gerade gestellt wird, sichtlich auch noch nicht recht
begriffen hat. Daß die andern cs noch viel weniger wissen,
das sieht man ihnen mehr oder minder deutlich allen an.
Der junge Geistliche sucht ihm mit der so ausdrucksvollen
Fingersprache der Italiener darauf zu helfen, aber bei
aller Intelligenz, die man dem Jungen ansieht, hat er es
doch noch nicht so weit gebracht, ganz zu verstehen, sondern
es dämmert ihm nur erst ein Licht auf. Nichtsdestoweniger
wird gerade er voraussichtlich auch einmal Prete werden
und dann andere über das schwitzen lassen, was ihn jetzt
so in Verlegenheit bringt. Über die ganze Schilderung
aber ist ein so glücklicher Humor und eine so feine Natur-
empfindung ausgegossen, daß man nicht satt wird, sich
an diesem Stück der giovine Jtalia zu freuen, das schon
durch die Abwesenheit jeder Roheit so erquicklich wirkt,
wie durch die vollendete Freiheit der Darstellung. Dennoch
muß man auch sagen, daß Passim seither noch einen
weiten Weg zurückgelegt hat bis zu der Meisterschaft, die
er z. B. in seinen auf einer Brücke versammelten „Neu-
gierigen" entwickelt, weil er eben siebzehn Jahre später
die Venezianer doch noch besser kannte als 1868 die
Römer. — Immerhin aber wird man gestehen müssen,
daß man auf unsrem Bilde schon in der anscheinenden
Absichtslosigkeit und Ungesuchtheit der ganzen Komposition
den großen Künstler bereits unzweifelhaft ausgesprochen
findet, als den er sich seither in immer steigendem Maße
erwiesen.
Dies Ungesuchte und Unbefangene kann man nun
den beiden „Waisen" Adolf Echtlers allerdings nicht
in gleichem Grade nachrühmen. Daß er dabei gesucht
hat, ist sogar unbestreitbar, und er unterscheidet sich von
weniger begabten nur dadurch, daß er auch gefunden.
Denn das Verlassene der armen beiden Kinder ist vor-
trefflich ausgesprochen, man fühlt gleich an der ganzen
Erscheinung des Bildes, daß man hier vor einem Stück
dunklen Menschenschicksals steht. Auch wie sie sich eng
aneinander schmiegen, das ist so rührend als der Ansdruck
der Mädchen, die dabei ihre noriuännische Herkunft nicht
verleugnen. Immer aber bleibt, wie tüchtig auch alles ein-
zelne gemacht sei, der mächtige erste Eindruck des Bildes
dieser in so früher Jugend schon vereinsamt und hilflos
Erscheinenden, und legt Zeugnis von der ungewöhnlichen
künstlerischen Kraft ab, die es zu so ergreifender Wirkung
bringt. Offenbar wollte der Künstler uns auch gar keine
Geschichte erzählen, oder durch die Charakteristik der beiden
fesseln, obwohl es zwei ganz verschiedene Wesen sind,
sondern es war ihm nur um die Darstellung ihrer Ver-
lassenheit zu thun, die noch rührender wirkt durch ihre
Jugend und Unschuld, da sie vollkommen wahr genug
gegeben sind, um uns an sie glauben zu machen.
Solch mächtigen Eindruck auf unser Gemüt durch
Darstellung einer zwingenden Stimmung hcrvorzubringen,

ist vielleicht der Landschaftsmalerei noch eher möglich.
Besonders wenn es ihr zugleich so glänzend wie Knüpfer
gelingt, uns das Unendliche der See so überwältigend
wahr darzustellen. Daß er dabei die ganze Farbenpracht
des Tyrrhencr Meeres bei Scirocco und einem italienischen
Sonnenuntergang über diese sich rastlos auf deu Ufersand
wälzenden Wogen goß, das vermehrt noch das fast
dämonisch wirkende der ganzen Szene, die mit einer
Meisterschaft geschildert ist, daß sie das Bild zum wirk-
samsten unter allen landschaftlichen machte, die unsre letzte
Münchener Jahres-Ausstellung zu bieten hatte, wie es
denn auch einen ersten Preis errang. Das durch Schön-
heit bezaubernde und verführende, wie finster drohende


Gut gelaunt, von A. v. Schwarzenfeld

und tückische der Flut war hier so wunderbar gegeben,
als der wilde Kampf, mit dem sie jeden Widerstand
wütend zu brechen versucht und doch am starren Fels
machtlos zerschellt.
Ist es eine der ersten und begründetsten Forderungen,
die man an ein Bild zu stellen hat, daß man den all-
gemeinen Charakter des Vorganges schon aus der bloßen
Verteilung der Massen von Licht und Dunkel, aus der
Strenge, dem Adel und rythmischen Wohllaut der Linien,
oder ihrer drolligen Verschlingung und Durchkreuzung
ahnen lasse, wenn die humoristische Darstellung eines
alltäglichen Vorgangs beabsichtigt ist, so gibt uns die
„Rast" dieses mit der Stallmagd scherzenden Reiters
von Meister Diez ein ganz besonders glänzendes Muster
der letzteren Gattung. Man könnte wirklich einen so
trivialen Vorgang, als es die derben Zärtlichkeiten eines
Soldaten gegen eine Dirne sind, nicht besser charakterisieren,
3H*
 
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