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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Pecht, Friedrich: Die zweite Münchener Jahres-Ausstellung, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0460

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von Friedrich Hecht

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da die Franzosen bei großem technischen Geschick und nüchtern verständiger Charakteranlage meist feine Beob-
achter sind. So bringt Bin et, dessen schlottriger Liebhaber vom vorigen Jahre wohl noch den meisten im
Gedächtnis blieb, diesmal eine Ausstellungsszene „Am Quai de Billy" von stupend feiner Beobachtung der
vom Eiffelturm rückkehrenden Pariser und Pariserinnen. Besonders ist unübertrefflich, wie ein junger Elegant
sich nach einer eben an ihm vorbeipassierten jungen Dame umsieht. Noch feiner vielleicht ist Courtois
vornehmer junger Mann in Zopftracht, der offenbar eine sich vor ihm abspielende Szene aufmerksam beob-
achtet. Aber das ist unnachahmlich graziös gegeben! Kaum weniger gut ist Duez junger Mann in schwarz
und weißer Salontoilette, der Viktor Hugos Enkel darstellen soll. Carolus-Durans Bildnis des norwegischen
Malers Thaulow ist dagegen derb, aber voll gesunden Lebens, während Bonnats Duc d'Aumale schon sehr
an Manier streift. Um so feiner ist Baschets Porträt einer alten Frau, und der Italiener Boldini bringt
gar eine ganze Reihe großer und kleiner Bildnisse, in denen er das Individuelle fast bis zur Karrikatur über-
treibt, aber immer interessant und geistreich bleibt.


Im Mtsrauruhmise. von Leo van Aken
Unter den Z-ranckss macbnnes ist Melchers Abendmahl irgend einer Sekte in einem höchst schmuck-
losen Zimmer ein Ideal von naturalistischer Nüchternheit, aber auch von sehr ernsthaftem Studium der
Charaktere. Ähnliches kann man von Haquettes „Segnung des Meeres" sagen, wo sowohl der segnende
Priester als das ihm beiwohnende Publikum von Bauern wahr und überzeugend der Natur abgestohlen sind,
die Einfachheit des Ganzen aber mit der ungeheuren Masse der blos aus lichtem Grau bestehenden Luft und
des Meeres doch eher den Eindruck des Gewollten und Ausgeklügelten, als der Natur oder gar der Inspiration
macht. Dieselbe Nüchternheit charakterisiert auch Jimenez riesige „Hospitalszene", wo der Professor eben die
Lunge einer Frau behorcht, während ihm seine gut nach der Natur studierten Schüler zusehen. Man braucht
das Bild aber nur mit dem ganz gleichartigen des Wieners Seligmann zu vergleichen, um sofort zu
sehen, wie viel lebendiger und überzeugender dieser den Vorgang darstellte. Am schlimmsten ist diese Art von
höherer Modellmalerei anf Rolls „Bauplatz" geraten, der ebenso schlecht komponiert als vollkommen Haltungs-
los ausgeführt ist, so daß man sich mit ein paar der Natur leidlich nachgeahmten Arbeiterköpfen begnügen
muß, bei dieser maßlosen Leiuwandverschwendung. Doch ist das immer noch besser, als wenn uns Aga che
 
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