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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Pecht, Friedrich: Die zweite Münchener Jahres-Ausstellung, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0483

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von Friedrich pecht

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ist, jedenfalls viel weniger als allen andren Nationen um uns herum. Darüber und über der Thatsache, daß
die Neigung zur Verflachung der Zopfmalerei so wenig zugenommen hat als die nüchterne Proletariats-
duselei, können wir wohl uns beruhigen, wenn unsre deutsche Ausstellung eine unleugbare Scheu vor dem
Großen, Erhabenen und Machtvollen nicht los wird. Dieses darzustellen kann eben immer nur die Aufgabe
einzelner genialer Naturen sein und solche hat unser Nachwuchs allerdings bis jetzt nicht hervorgebracht, wenn
auch einzelne, wie Delug oder Fugel wohl Sinn dafür zeigen.
Goethe hat uns einmal gemahnt, uns, die so vieles entstelle, wenigstens den „Ernst und die Liebe"
zu erhalten. Nun, er könnte auch heute in unsren Sälen sehen, daß die Deutschen diesem Vermächtnis treu
geblieben sind!
Nachträge
Die unaufhörlich sich folgenden nachträglichen
Aufnahmen von oft sehr bedeutenden Bildern in unsrer
Ausstellung sowohl, als das beständige Umhängen der-
selben, durch welches manches erst zur Wirkung kam,
bedingen eine Anzahl Ergänzungen zu unsrer Arbeit.
Verläßt einen doch ohnehin bei jeder solchen die fatale
Empfindung nicht, daß es vollständig unmöglich sei trotz
des besten Willens, allen Verdiensten gerecht zu werden
und nicht Vieles zu übersehen, was am Ende ebenso gut
eine Erwähnung verdient hätte, als andres, wo das
geschah. Doch das gehört nun einmal zu den unver-
meidlichen Unvollkommenheiten solcher Arbeit, suchen wir
also doch noch das Auffallendste zu verbessern. Zunächst
bei den Bildnissen, wo wir das schöne Porträt eines
Kardinals von Mosler-Pallenberg übersahen, wie
Schretters hübsches Kinderporträt und sogar Freund
Pietschs prächtigen Kopf von Koner, oder van
Hoves fein abgetönten, direkt an die Alten, wie
Holbein erinnernden Frauenkopf, samt Rolshofens
trefflichem Selbstbildnis. Viel später kam erst Frithiof-
Smiths von Leben förmlich sprühendes Bildnis Ibsens,
gewiß das Äußerste, was ein ebenso kecker als talent-
voller Naturalismus leisten kann! Auch des Verhas
Dame vor dem Spiegel wie Uh des sehr lebendige,
aber ob des zu braunen Teints nicht eben bestechende
Frauengestalt, sind noch bei den Bildnissen nachzutragen.
— Unter den religiösen Bildern ist dann noch Fugels
Grablegung zu gedenken, wo er indes zu ausschließlich
koloristisch wird, und des feingesümmten »iAai-ias clivi-
natio« v. Hößlins, der sich in seiner Auffassung wie
Ausführung immer seine zarte Eigenart wahrt. Auch
Velcs Tod des hl. Wenzeslaus frappiert wenigstens
durch die Kühnheit. —- Zu den Sittenbildern können
dann Paul Höckers in einem Laubgang voller Sonnen-
blitze betende Nonne, der ein großer Zauber nicht ab-
zusprechen ist, und v. Uhdes vielbesprochenes müdes
Ehepaar, das im Abendnebel die Herberge sucht, als ein jedenfalls tief empfundenes Stimmungsbild den
Übergang abgeben. Liebenswürdig phantastisch sind auch Bodenmüllers Amoretten, die über einem Wasser-
fall spielen, wozu freilich Flügel gehört hätten, um uns von jeder Besorgnis bei solch gefährlichem Thun
zu befreien. Durchs Wasser arbeiten sich auch Diez' Marodeure durch, die nachsetzenden Bauern zu ent-
fliehen suchen, ein vollendetes Meisterstück voll wilder, hochdramatischer Schilderung der Zustände zu Ende des
dreißigjährigen Krieges in ihrer ganzen Trostlosigkeit, die es mit ebenso viel schlagender Wahrheit als male-
rischem Reiz vorführt. Erquicklicher ist jedenfalls Bernatziks Heiligenmaler, dessen „Atelier für kirchliche
Kunst" köstlich wiedergegeben ist und das, wie auch Heims strickende Mädchen, zugleich so spezifisch deutsch
anmutet, daß man beide einem unsrer alten Meister zuschreiben möchte. Ein koloristisches Meisterwerk ist da-
neben Nonos „Gemüseverkäuferin", bei frappanter Naturwahrheit und von eben so gutem Humor getragen


David, von L. vander stoppen
 
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