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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 19.1903-1904

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Eckener, Hugo: Das "Wie" und das "Was" in der Kunst, [1]: ein paar neue Variationen über ein altes Thema
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https://doi.org/10.11588/diglit.12082#0059

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DAS „WIE" UND DAS „WAS" IN DER KUNST <ÄS^.

sog. „hübsches Lärvchen" wiedergibt und das
ihm deshalb langweilig und leer erscheint
oder ihm auch gefällt, wenn er nämlich ein
Mensch von wenig entwickeltem Geist und
Geschmack ist. Stellte dieses zweite Bild
einen Kopf von wunderbarer und ausdrucks-
voller Schönheit dar, so würde es auch dem
„Kunstkenner" ästhetischen Genuß bereiten.
Wie diese Bilder entstanden sind, das ist
vollständig gleichgültig. Das ist nur von
Belang für die Schätzung des Talentes des
betreffenden Künstlers, aber nicht für die
des Wertes des Kunstwerks, denn ich sehe
nicht die Darstellungsweise, sondern nur das
Dargestellte. Ich will z. B. den Fall setzen,
daß das ästhetisch schön wirkende Bild der
häßlichen Person nichts als eine getreue
Kopie einer Erscheinung ist, die der Maler
in Physiognomie, Haltung, Beleuchtungu. s. w.
genau so vorfand, und daß anderseits das
wertlose Bild eine von einem stumpfsinnigen franz stuck bildnis
Künstler versuchte „Idealisierung" in seinem Photographimriag von Franz Hanfitaeagl, Müncher.

Sinne von einer außerordentlich interessanten

Schönheit vorstellt. Wer kann das wissen? und Pinseleien, die weiter fortgeschrittenen
Es wäre ja in der Tat auch sehr merk- an ihren schlichten Weisen und Bildern als
würdig, wenn im Laufe der Kunstentwicklung kindliche oder naive Menschen, die hoch-
die Fähigkeit ästhetischen Genießens plötz- entwickelte Kunst aber soll mit einem Mal
lieh an die Entstehung eines neuen Organs nicht von bloß hochentwickelten Menschen-
geknüpft sein sollte. Die Naturvölker er- kindern gewürdigt werden können, denn ihr
freuen sich an ihren primitiven Schnitzereien wahrer Wert liegt angeblich in einem Myste-
rium, das nur der Fachmann kraft
seines besonderen Seelenorgans
durchschaut! In welchem Sta-
dium der Kunstentwicklung mag
sich wohl dieses Organ bilden?
Oder ein biederer Laie betrachtet
Rembrandts „Kreuzabnahme" und
fühlt sich sehr angeregt von die-
sem bedeutsamen und lebendig
dargestellten Vorgang, empfindet
lebhaft die Kraftanstrengung der
arbeitenden Männer, die Gefühle
der Greise im Hintergrunde nach.
Ein zweiter Betrachter siehtaußer-
dem noch die wunderbare Beleuch-
tung des Vorgangs, entdeckt, wie
der Leichnam, in sich gebrochen,
schwer lastend nach unten zieht
u. dergl. Ein dritter endlich
wird noch berührt von dem pracht-
vollen vertikalen Aufbau der
Gruppe, von dem Abfließen
des Lichtstroms nach unten hin
u. s. w. In welchem Stadium der
Betrachtung fängt das Organ für
die Apperception des „Rein-
künstlerischen" zu funktionieren

Photographieverlag von Franz Hanfstaengl, München ätl ;

'ranz stuck bildnisstudie

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