LOUIS GABRIEL MOREAU
ANSICHT DER HÖHEN VON MEUDON
DIE MEISTER DES PAYSAGE INTIME
Von Walther Gensel
I.
Seitdem wir in das Neuland des zwanzigsten
Jahrhunderts eingetreten sind und das
neunzehnte als ein abgeschlossenes Ganzes
zu überschauen vermögen, wird die Frage
immer lauter, was wohl von all den An-
strengungen, die in ihm auf künstlerischem
Gebiete gemacht worden sind, dauernd bleiben
wird, was dieses Jahrhundert den früheren
gegenüber zu setzen hat. Viele sind von
vornherein zu einer pessimistischen Antwort
geneigt. Niemals vorher ist so ungeheuer
viel und niemals auch nur entfernt so
viel Wertloses geschaffen worden. Ein ge-
waltiger Besen wird dazu nötig sein, all diese
Spreu hinwegzufegen. Aber des edlen
Weizens wird genug bleiben. Auf einem
Gebiete ist die neuere Kunst der älteren
jedenfalls völlig ebenbürtig und vielleicht
sogar überlegen, auf dem der Landschaft.
In Frankreich allein finden wir hier zwei
gewaltige Höhepunkte, in der Schule von 1830
und in den Meistern, die sich ein Menschen-
alter später um Manet und Monet scharten,
lieber diese letzteren ist das Urteil noch
Schwankungen unterworfen, die Meister des
Paysage intime aber gehören zu den wahrhaft
Großen aller Zeiten.
Es war bisher nicht leicht, sich einen
richtigen Begriff von dieser Schule zu machen.
Die wenigen kleinen Bilder in der Galerie
des neunzehnten Jahrhunderts im Louvre ver-
loren sich völlig unter den großen Leinwand-
flächen der Vernet, Ingres und Delacroix.
Jetzt sind durch die hochherzige Schenkung
des verstorbenen Sammlers Thomy - Thiery
von den Hauptmeistern beinahe je ein Dutzend
Werke ins Louvre gelangt und in geschmack-
voller und übersichtlicher Weise zusammen
aufgehängt worden. Sollte später, wie zu
hoffen steht, auch die mit einem Kostenauf-
wand von vielen Millionen zusammengebrachte,
bisher fast vollkommen unzugängliche Samm-
lung Chauchard an den Staat fallen, so wird
die Schule sogar in einer schier unvergleich-
lichen Vollständigkeit vertreten sein. Gute
Ergänzungen zur Louvre - Sammlung bilden
die Museen von Reims, Montpellier und
einigen andern französischen Provinzstädten
Mi Kunst fllr Alle XIX. .10 15. Februar 1904.
225
28
ANSICHT DER HÖHEN VON MEUDON
DIE MEISTER DES PAYSAGE INTIME
Von Walther Gensel
I.
Seitdem wir in das Neuland des zwanzigsten
Jahrhunderts eingetreten sind und das
neunzehnte als ein abgeschlossenes Ganzes
zu überschauen vermögen, wird die Frage
immer lauter, was wohl von all den An-
strengungen, die in ihm auf künstlerischem
Gebiete gemacht worden sind, dauernd bleiben
wird, was dieses Jahrhundert den früheren
gegenüber zu setzen hat. Viele sind von
vornherein zu einer pessimistischen Antwort
geneigt. Niemals vorher ist so ungeheuer
viel und niemals auch nur entfernt so
viel Wertloses geschaffen worden. Ein ge-
waltiger Besen wird dazu nötig sein, all diese
Spreu hinwegzufegen. Aber des edlen
Weizens wird genug bleiben. Auf einem
Gebiete ist die neuere Kunst der älteren
jedenfalls völlig ebenbürtig und vielleicht
sogar überlegen, auf dem der Landschaft.
In Frankreich allein finden wir hier zwei
gewaltige Höhepunkte, in der Schule von 1830
und in den Meistern, die sich ein Menschen-
alter später um Manet und Monet scharten,
lieber diese letzteren ist das Urteil noch
Schwankungen unterworfen, die Meister des
Paysage intime aber gehören zu den wahrhaft
Großen aller Zeiten.
Es war bisher nicht leicht, sich einen
richtigen Begriff von dieser Schule zu machen.
Die wenigen kleinen Bilder in der Galerie
des neunzehnten Jahrhunderts im Louvre ver-
loren sich völlig unter den großen Leinwand-
flächen der Vernet, Ingres und Delacroix.
Jetzt sind durch die hochherzige Schenkung
des verstorbenen Sammlers Thomy - Thiery
von den Hauptmeistern beinahe je ein Dutzend
Werke ins Louvre gelangt und in geschmack-
voller und übersichtlicher Weise zusammen
aufgehängt worden. Sollte später, wie zu
hoffen steht, auch die mit einem Kostenauf-
wand von vielen Millionen zusammengebrachte,
bisher fast vollkommen unzugängliche Samm-
lung Chauchard an den Staat fallen, so wird
die Schule sogar in einer schier unvergleich-
lichen Vollständigkeit vertreten sein. Gute
Ergänzungen zur Louvre - Sammlung bilden
die Museen von Reims, Montpellier und
einigen andern französischen Provinzstädten
Mi Kunst fllr Alle XIX. .10 15. Februar 1904.
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