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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 19.1903-1904

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Rosenhagen, Hans: Aus den Berliner Kunstsalons
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https://doi.org/10.11588/diglit.12082#0329

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II Kunst riibliuthek
Staatliche Museen
zu Berlin

-ir4^> AUS DEN BERLINER KUNSTSALONS *C3^

male, muß ich sie, um die Wirklichkeit getreu Lüster reflektiert. Auch ein paar Cafes und Theater-
wiederzugeben, mit Rücksicht auf die Entfernung logen mit entsprechender Damenstaffage sind sehr
malen, die sie mir handgroß erscheinen läßt. Velaz- bemerkenswert. Manche derartige Schilderungen
quez habe hierauf ganz genau geachtet und dadurch leiden unter Uebertreibungen. So wirkt jene in Weiß
die wunderbare Sicherheit in der Anordnung der gekleidete Kokotte, die bei sinkendem Abend auf der
Pläne in seinen Bildern erreicht. Aus dieser Theorie Promenade der Champs-Elysees daherkommt, gegen
nimmt Anglada die Berechtigung, seine kleineren den Hintergrund zu hell, ebenso die violettgeklei-
Bilder allein auf die großen Werte von Form und dete auf einem anderen Bilde, die der Maler lustig
Farbe zu stellen und jede detaillierte Ausführung als >Glühwürmchen< bezeichnet hat. Bei anderen
zu vermeiden. Indessen läßt diese auch bei seinen Bildern, besonders bei den Darstellungen von Pfer-
größeren Arbeiten zu wünschen übrig. Seine schil- den im Stall und im Freien, erscheinen die Formen
lernde Farbe, sein pastoser Auftrag eignen sich übertrieben und teilweise nicht genügend studiert,
nicht sonderlich für Bilder größeren Formats. Wie- Auch die aus Angladas Pariser Akademiejahren stam-
der unterscheidet man unter seinen Bildern solche menden Akte besitzen diesen Fehler. Sie sind ver-
mit spanischen und solche mit Pariser Motiven. ständnisvoll gezeichnet und zum Teil direkt mit
Wo er seiner Neigung, zu übertreiben, nicht nach- Maleraugen gesehen, aber fast alle übermodei-
gibt, bietet er sehr aparte Leistungen. So hat er in liert. Ohne jede Einschränkung indessen sind die
einem Bilde, das Zigeunerinnen mit ihren Hünd- glänzend gemachten handgroßen Oelstudien des
chen auf dem Arm in wildem Tanze darstellt — Malers zu loben, die Motive von den Boulevards,
sie befinden sich zur Abendzeit am Strande — eine Zeitungskioske, Läden, Straßenwinkel, Cafes, Caba-
wunderbare Harmonie leuchtender, tiefgestimmter rets, Moulin-Rouge und auch zwei prächtige Land-
Farben, ein entzückendes Durcheinander von Linien schäftchen darstellen und ein hervorragendes Können
erreicht und auch eine sehr interessante Komposi- offenbaren. Dieses Können birgt die Gefahr in
tion. Ein sehr gelungenes Stück ist die Darstellung sich, daß es zur Geschicklichkeit verführt. Hier
eines Obstmarktes. Bei Nachtzeit ist eine alte und da macht sich diese schon in Angladas Arbeiten
Zigeunerin mit ihrem Sohn und einer Ladung bemerkbar und damit im Zusammenhang ein Mangel
Granatäpfel gekommen. Eine Laterne steht unter an Naivität. Die Sorge über die Weiterentwicklung
einem Baum. Der in einen weißen Kittel geklei- des Künstlers aber ist kein Grund, ihm für das
dete Junge hat sich müde auf die Erde geworfen, Geleistete die Anerkennung zu versagen. Seine
während die rotkostümierte Alte Sack um Sack der Fähigkeiten, seine Anschauung, seine Farbe, sein
Früchte auf den Boden ausschüttet. Die Farben Temperament machen ihn zu einer eigenartigen und
Rot, Gelb und Weiß klingen im Schein der Laterne sehr beachtenswerten Erscheinung Seine Verehrung
prächtig zusammen. Angladas größtes Bild stellt für Velazquez hindert ihn nicht, für Rembrandt zu
einen >Hahnenmarkt< dar bei dämmerndem Morgen- schwärmen. Bei einem Romanen gewiß ein gün-
licht. Es wirkt mit seinem vielfach nuancierten stiges Zeichen. — Eine rechte Ueberraschung und
Weiß, Braun, Blau, Grün, Rot wie ein üppiges
Bouquet fremdländischer Blumen, ist aber zu
sehr auf den bloßen Farbeneffekt hin gemacht
und dadurch zu weit ab von der Wirklich-
keit. Die hier gleichfalls vorhandene Skizze
ist viel feiner als das Bild. Von den in Paris
entstandenen Bildern sind die, welche die
Wirkungen des elektrischen Lichtes auf ele-
gante Kostüme, extravagante Hüte, üppige
Schultern und geschminkte Gesichter wieder-
geben, weitaus die besten. Dieses grelle,
erbarmungslose, von allen Seiten kommende
und deshalb alle Schatten aufhebende Licht
hat bisher kein Maler mit dieser Aufmerk-
samkeit, mit dieser Rücksichtslosigkeit gegen
alte Gewohnheiten geschildert, wie der spani-
sche Künstler. Die frappanteste Leistung dieser
Art ist das »Nachtrestaurant«, wo im Vorder-
grund, mit dem Rücken gegen den Beschauer,
eine Dame mit einem riesigen, blumenge-
schmückten Strohhut sitzt und wo der licht-
blaugrüne Ueberzug eines Sessels die dunkelste
Farbennote des Bildes liefert. Man ist zuerst
vollkommen von diesen hellen Farben ge-
blendet und unterscheidet erst nach und nach
die schimmernden Wände, die gedeckten
Tische, die Blumen und Spiegeltüren eines
eleganten Restaurants. Ausgezeichnet ist die in
einem Konzertgarten breit und pompös vor
ihrem petit verre in großer heller Toilette im
Schein des elektrischen Lichtes sitzende und
wartende Demimondaine, charmant die ins Pa-
riserische übersetzte alexandrinische >Mur ce-
ramique<aus Pierre Louys bekanntestem Roman
und ein kleines Meisterstück das Interieur mit
dem Flügel, in dessen aufgestelltem Deckel sich
eine Bilderwand spiegelt, während ein im Hin-
tergrunde befindliches Fenster den brennenden HANS THOMA QUELLNYMPHE (1895)

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