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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 19.1903-1904

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David, J. J.: Rudolf Weyr: eine Würdigung seiner Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12082#0340

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Er ist ein Wiener Kind. Ein Schotten-
felder, das heißt, einem Bezirke entstam-
mend, in dem das echteste Wienertum zu
Hause war und ist.

Nun ist, nach einem feinen Wort von
Wilhelm Goldbaum, dem trefflichen Publi-
zisten und Mitarbeiter der „Neuen Freien
Presse", die Wiener Renaissance das Barock.
Und so hat es denn das Barock dem Urwiener
Rudolf Weyr angetan.

Er ist nun ein Mann von sechsundfünfzig
Jahren. Ueber mittelgroß, von ansehnlicher
Körperkraft und trotz harter Jugend und
schlimmer Erlebnisse von unbesieglicher
Frische und Lebensfreudigkeit. Er liest gern
und viel und mit Urteil. Ohne ein Redner
zu sein, meistert er, innerlich bewegt und an-
geregt, das Wort in ungemeinem Maße.

Es ist etwas vom Naturburschen an ihm —
auch in der Gewitztheit. Erstaunlich ist seine
Arbeitskraft. Die Erfindung ist reich und
fast mühelos; sein technisches Können groß
und sicher. Woran andere Wochen, ja Monate
wenden müssen, das mag ihm ein glücklicher
Nachmittag bescheren. Ihm quillt es, in einer
Zeit, in der auch die Besten und Tüchtigsten
ängstlich suchen und immer wieder probieren.

Und niemals hat ihn diese glückliche An-
lage zur Leichtfertigkeit verführt. Unfertiges
kommt nicht aus seinem Atelier, da unten
tief im Prater, ganz nahe der Krieau mit
ihren schönen alten Bäumen, auf denen die
Krähen nisten, da er rastlos und nach Arbeit
als seinem Jungbrunnen verlangend, fast den

ganzen Tag am Werke ist. Er kennt keine
Müdigkeit; es ist ihm eine Lust, immer
Neues anzugehen. So hat er denn seine
Sonderstellung und behauptet sie alle die
Jahre her, fast seitdem er mit dem Arrangement
der unvergeßlichen „Jagdgruppe" in Makarts
Festzuge zuerst populär wurde: hat seine
künstlerische Note seit seinem „Bacchanten-
zug" in seiner kühnen und freien Bewegung,
der das Burgtheater schmückt und leider so
hoch angebracht ist, daß nicht einmal das
Opernglas alle seine Fülle, alle seine Anmut
und Lebendigkeit offenbart.

Was die Künstlergenossenschaft an Ehren
zu vergeben hat, ist ihm geworden. Er stand
in schlimmen Zeiten an ihrer Spitze, bestrebt,
zu leimen, so viel möglich war bei einer
in sich zusammenbrechenden und an sich
glaubenslosen Körperschaft. Er hat die Gabe,
zu beschwichtigen und sich die Gemüter zu
verbinden, in nicht gemeinem Grade. Die
Sezession aber, die sonst mit manchen Größen
in ein grimmiges Gericht ging, ließ ihn un-
angefochten. Denn sein Können erzwingt
sich Achtung, auch beim Widerpart.

Er ist ein Grenzkünstler. Er steht dort
am freiesten, wo sich Malerei und Plastik
berühren, wie er sich denn immer noch gerne
in Farben versucht und mit ihnen ergötzt.
Er liebt kühne Ueberschneidungen, eine
mannigfaltige Bewegung; ohne spielerisch zu
werden, wie manche unter den Italienern einer
knapp vergangenen Zeit, sucht er im Marmor
die Wirkungen von Stoffen, etwa wehenden

Die Kunst fllr Alle XIX. 14. 15. April 1904

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