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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 19.1903-1904

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Pauli, Gustav: Die deutsche Kunstausstellung in Bremen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12082#0382

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christian conradin waldschloss
Frühjahr-Ausstellung der Münchener Sezession

am Ende miteinem kleinen Heidebild und Vogeler
mit einem seiner merkwürdigen Werke, in denen
die allerliebevollste Nachbildung der Natur mit einer
traumhaften Phantastik eng verwoben ist — der
>Mutter mit dem Kinde in der Rosenlaube«, die
den Besuchern der letzten Berliner Sezessionsaus-
stellung wohl bekannt ist. Vinnen erschien noch
nach der Eröffnung der Ausstellung mit einem rie-
sigen Gemälde von leuchtender Schönheit der
Farben, einem Ausblick auf weite Moorflächen im
Lichte eines klaren Herbstabends.

Den größten Erfolg der Ausstellung hatte dies-
mal — wenigstens unter den Gemälden — ZCgel
davongetragen mit vier Bildern aus der Lüneburger
Heide. Zwischen den beiden größeren, einer Morgen-
und einer Abendstimmung mit ausziehender und
heimkehrender Schafherde, waren die Sympathien
geteilt. Meine persönliche Vorliebe gehörte dem
Abend, dem größeren Bilde. Alles verkündete hier
die reifste Meisterschaft — die fabelhaft sichere
Darstellung der Tierkörper, die weise, fein erw'ogene
Gruppierung und namentlich die schöne, weich ge-
stimmte Harmonie der Farben, ein tiefes, ins Violett
hinüberspielendes Blau des Himmels und der Ferne,
warmbraune Töne der Heide und ein goldiges Licht
auf den Vließen der gedrängten Schafe.

Einen andern Hauptanziehungspunkt bildete eine
kleine Gruppe von Bildern Thoma's, unter denen
ein ausgezeichnetes Selbstbildnis vom Jahre 1875
hervorragte. Hinter dem Maler erschien — nach
einer alten, später auch von Böcklin behandelten
Idee — der Tod. Wie der Maler die großen braunen
Augen erstaunt öffnet und sich halb zurückwendet,
um dem Raunen des unheimlichen Gastes zu lauschen,
das ist gemalt, wie es nur in der Eingebung ge-
segneter Stunden gelingt. Man spricht so gern von
Thoma's inniger deutscher Art, daß man ganz darüber
den Meister der Farbe vergißt, als den er sich in

vielen seiner Bilder und namentlich auch in diesem
Selbstbildnis offenbart. Im übrigen war Karlsruhe
durch Dill, Volkmann, Schönleber, Weishaupt
und Trübner sehr gut vertreten. Von den drei
Bildern Dills ist das bedeutendste, >Am Moorbach«,
der Kunsthalle zum Geschenk gemacht worden.
Ebenso wurde eine der breit gemalten neueren
Landschaften Trübners (Amorbach) erworben.

Von Kalchreuth erschien außer zwei älteren
und bekannten Bildern das im letzten Jahr vollendete
Bildnis seines Töchterchens in der Tracht einer
Velazquezprinzessin, eine liebenswürdige Schöpfung
von feiner einheitlicher Farbenwirkung. Ein paar
orangefarbene Schleifen im Haar und an der Brust,
denen gleichfarbige Streifchen im Muster des Kleides
entsprechen, leuchten aus einer Harmonie von
diskreten grauen, bräunlichen und bläulichen Tönen
hervor. Einige Gemälde H aug's, unter ihnen nament-
lich ein Interieur und zwei leicht stilisierte Land-
schaftsbilder des begabten jungen Heine Rath,
waren unter den übrigen Stuitgarter Einsendungen
das Bemerkenswerteste.

Indem ich auf eine weitere Aufzählung verzichte,
hebe ich unter den Malern als gut vertreten nur
noch Kuehl,Leistikow,Olde,Hagen,Dettmann,
Jac Alberts und Arthur Kampf hervor. Von
Liebermann sah man leider nur ein älteres Bild,
freilich ein besonders ausgezeichnetes, das Amster-
damer Altmännerhaus. Auch einige im Ausland
lebende Deutsche waren erschienen, Neven du Mont
mit zwei seiner fein abgestimmten Bildnisse (Graf
Hohenau und Frau v. W.), Max-Arthur Stremel
mit drei recht guten Bildern und Dreydorff mit
ein paar Interieurs, die sich rasch die Gunst des
Publikums eroberten. Neven du Monts Beispiel ist
ungemein lehrreich. Wie es scheint, muß man nach
England gehen, um zu lernen, wie man eine Dame
künstlerisch darstellen kann, ohne sie in eine Demi-

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