VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN <ö*»*-
zahl feiner Töne und Untertöne zu bilden. Seine Aepfel
sehen rot, grün, gelb aus. Man meint, die Farbe sei ein-
fach hingestrichen. In Wirklichkeit ist sie aus lauter
Nuancen ineinander gemalt, die Einfachheit also nur
scheinbar. Dabei ist die sorgsamste Rücksicht aufdas
Material genommen. Seit den Holländern des 17. Jahr-
hunderts ist die Stofflichkeit der Objekte nicht
liebevoller zur Darstellung gebracht worden, nur
daß die Bilder von Cezanne nicht fein und delikat
ausgepinselt, sondern von einer leidenschaftlichen
Hand mit Kraft auf die Leinwand geworfen sind.
Ein Glanz, eine Pracht der Farbe ist diesen Still-
leben eigentümlich, die mit nichts Bekanntem, außer
mit der Natur selbst verglichen werden können.
Alles ist gesehen und erlebt. Das gilt in noch
höherem Maße von den Landschaften, bei denen
die Materialität der Farbe mit der fortschreitenden
Entwicklung des Künstlers mehr und mehr auf-
gehoben erscheint. Sieht man in den frühen Natur-
schilderungen Cezannes die Mauer einer Vorortvilla
etwa mit der Liebe gemalt, mit der Rembrandt die
verwetterten Züge eines Greisenantlitzes schildert,
mit einem Feingefühl ohne gleichen Ton zu Ton
gesetzt, so malt er zum Schluß nur noch mit ein-
zelnen Farbenflächen und Luft und einigen Kon-
turen. Die Wirkung ist in allen beiden Fällen er-
franz von lenbach
staunlich; aber die späten Landschaften des Künstlers
übertreffen an Wahrheit des Ausdrucks, an Feinheit
der Stimmung, an Fülle und Kraft der Farbe nicht
nur alles, was man sonst kennt, sondern auch Ce-
zannes frühere Leistungen. Aber man könnte ebenso
leicht den Duft des Veilchens mit Worten schildern,
als das Aussehen dieser Bilder nach der farbigen
Seite. Ueber nicht wenigen von ihnen lagert eine
ungeheure Melancholie; hier am stärksten vielleicht
auf der kleinen Bucht in der Umgebung von Mar-
seille und einigen größeren Landschaften mit be-
wegtem Terrain. Die Figurenbilder Cezannes üben
auf das Publikum die abschreckendste Wirkung aus;
aber je öfter man besonders die Porträts betrachtet,
um so schöner werden sie. Mit einem unerhörten
Feingefühl ist der Charakter herausgeholt und auf
koloristischem Wege eine Stimmung über diese
Menschendarstellungen ausgegossen, die sie unver-
geßlich macht. Er hat sich selbst gemalt dieser
unruhige Geist mit seinem wirren, ergrauenden
dunklen Bart, den blitzenden, etwas mißtrauischen
Augen, den lebhaft gefärbten Wangen und dem
mächtigen, kahlwerdenden Schädel. Ganz wunder-
voll ist das Bildnis einer blonden, zarten Frau, die,
en face, eine Spitzmantille über den Schultern, die
Hände im Schoß, ruhig dasitzt. Mit fast einem
Nichts von Mitteln ist das Stoffliche der Haut, des
Haares, der Kleidung gegeben. Um den Mund
herum gibt es direkt ein Grün; aber es hat keinen
anderen Zweck, übt keine andere Wirkung aus, als
daß es die zarte Bildung des Gesichts modelliert
und die Delikatesse des Teints zur Geltung bringt.
Dann sind zwei Bilder da mit kartenspielenden Ar-
beitern. Welche Beobachtung steckt darin! Wie sind
die sonnengebräunten Gesichter und Hände, die von
Regen und Sonne verfärbten Röcke gemalt! Ein
franz von lenbach frau hecht graues Jacket, eine gelbeWachstuchdecke sind Wunder
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zahl feiner Töne und Untertöne zu bilden. Seine Aepfel
sehen rot, grün, gelb aus. Man meint, die Farbe sei ein-
fach hingestrichen. In Wirklichkeit ist sie aus lauter
Nuancen ineinander gemalt, die Einfachheit also nur
scheinbar. Dabei ist die sorgsamste Rücksicht aufdas
Material genommen. Seit den Holländern des 17. Jahr-
hunderts ist die Stofflichkeit der Objekte nicht
liebevoller zur Darstellung gebracht worden, nur
daß die Bilder von Cezanne nicht fein und delikat
ausgepinselt, sondern von einer leidenschaftlichen
Hand mit Kraft auf die Leinwand geworfen sind.
Ein Glanz, eine Pracht der Farbe ist diesen Still-
leben eigentümlich, die mit nichts Bekanntem, außer
mit der Natur selbst verglichen werden können.
Alles ist gesehen und erlebt. Das gilt in noch
höherem Maße von den Landschaften, bei denen
die Materialität der Farbe mit der fortschreitenden
Entwicklung des Künstlers mehr und mehr auf-
gehoben erscheint. Sieht man in den frühen Natur-
schilderungen Cezannes die Mauer einer Vorortvilla
etwa mit der Liebe gemalt, mit der Rembrandt die
verwetterten Züge eines Greisenantlitzes schildert,
mit einem Feingefühl ohne gleichen Ton zu Ton
gesetzt, so malt er zum Schluß nur noch mit ein-
zelnen Farbenflächen und Luft und einigen Kon-
turen. Die Wirkung ist in allen beiden Fällen er-
franz von lenbach
staunlich; aber die späten Landschaften des Künstlers
übertreffen an Wahrheit des Ausdrucks, an Feinheit
der Stimmung, an Fülle und Kraft der Farbe nicht
nur alles, was man sonst kennt, sondern auch Ce-
zannes frühere Leistungen. Aber man könnte ebenso
leicht den Duft des Veilchens mit Worten schildern,
als das Aussehen dieser Bilder nach der farbigen
Seite. Ueber nicht wenigen von ihnen lagert eine
ungeheure Melancholie; hier am stärksten vielleicht
auf der kleinen Bucht in der Umgebung von Mar-
seille und einigen größeren Landschaften mit be-
wegtem Terrain. Die Figurenbilder Cezannes üben
auf das Publikum die abschreckendste Wirkung aus;
aber je öfter man besonders die Porträts betrachtet,
um so schöner werden sie. Mit einem unerhörten
Feingefühl ist der Charakter herausgeholt und auf
koloristischem Wege eine Stimmung über diese
Menschendarstellungen ausgegossen, die sie unver-
geßlich macht. Er hat sich selbst gemalt dieser
unruhige Geist mit seinem wirren, ergrauenden
dunklen Bart, den blitzenden, etwas mißtrauischen
Augen, den lebhaft gefärbten Wangen und dem
mächtigen, kahlwerdenden Schädel. Ganz wunder-
voll ist das Bildnis einer blonden, zarten Frau, die,
en face, eine Spitzmantille über den Schultern, die
Hände im Schoß, ruhig dasitzt. Mit fast einem
Nichts von Mitteln ist das Stoffliche der Haut, des
Haares, der Kleidung gegeben. Um den Mund
herum gibt es direkt ein Grün; aber es hat keinen
anderen Zweck, übt keine andere Wirkung aus, als
daß es die zarte Bildung des Gesichts modelliert
und die Delikatesse des Teints zur Geltung bringt.
Dann sind zwei Bilder da mit kartenspielenden Ar-
beitern. Welche Beobachtung steckt darin! Wie sind
die sonnengebräunten Gesichter und Hände, die von
Regen und Sonne verfärbten Röcke gemalt! Ein
franz von lenbach frau hecht graues Jacket, eine gelbeWachstuchdecke sind Wunder
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