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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 19.1903-1904

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Fuchs, Georg: Stil, Kultur und Kunstbedarf
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https://doi.org/10.11588/diglit.12082#0494

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STIL, KULTUR UND KUNSTBEDARF

von Georg Fuchs

Es ist von größter Wichtigkeit — ganz beson-
ders auch für München, — daß wir das
Verhältnis der „hohen" Künste zu den „an-
gewandten" Künsten, oder besser zur all-
gemeinen Kultur richtig erfahren und richtig
wahren. Eine Menge verhängnisvoller „kunst-
politischer" Fehler sind gerade in München
gemacht worden, weil man sich hier durch
Vorurteile den Blick trüben ließ für das,
was der Kunst im allgemeinen vorteilhaft ist.
Dadurch hat München seinen Rivalen nur
allzuoft in die Hände gearbeitet; und wenn
man sich auch selbstverständlich nur auf-
richtig freuen kann, daß die von Goethe
stets so hoch gepriesene „Dezentralisation"
Deutschlands in Dingen der Kultur und Kunst
neuerdings so erfolgreich fortschreitet und
neue Mittelpunkte schafft, so wäre doch nicht
nötig, daß München mit seiner alle anderen
überragenden und einfach unersetzlichen Tra-
dition darüber zugrunde ginge. Vor allem
müßte mehr mit der unabänderlichen Tat-
sache gerechnet werden, daß auch Wohl und
Wehe der Malerei und Plastik abhängig sind

davon, ob, wo und wie weit die sich durch die
Bewegung der „angewandten Kunst" sympto-
matisch ankündigende nationale Kultur-Erhe-
bung Deutschlands voranschreitet, getragen von
einem wirtschaftlichen Aufschwünge. Ueber
diese Zusammenhänge gibt die uns heute
überhaupt wieder nahe gerückte und in ihrem
tiefsten Grunde eigentlich noch gar nie recht
gewürdigte „Biedermeierzeit" einige Auf-
schlüsse, so daß es der Mühe wert sein mag,
ihr zunächst eine kurze Betrachtung zu wid-
men. — War Deutschland bis gegen 1800
nur ein Teil der großen italienisch-französi-
schen Kulturprovinz, so kam jetzt schüchtern
der Formengeist des deutschen Volkstumes
wieder zur Geltung. Zunächst natürlich nur
in einer Maske. Man wollte die Griechen
und Römer nachahmen, man wollte bauen,
malen, Theaterspielen, wie die es angeblich
getan. In Wirklichkeit wußte man von den
Griechen so gut wie gar nichts, trotz Winckel-
mann, und von den Römern wenig und das
wenige war irrtümlich. Man hatte ganz ver-
schwommene, mehr pathetisch-deklamato-

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