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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Manskopf, Johannes: Böcklins Kindergestalten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12355#0166

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ARNOLD BOCK LIN KNABENBILD MS

BÖCKLINS KINDERGESTALTEiN

Von Johannes Manskopf

Wer sich an der Hand des bekannten großen
Böcklinwerks*) einen Gesamtüberblick
über die Schöpfungen des Meisters zu ver-
schaffen sucht, muß immer wieder staunen
über den universellen Reichtum dieser Künst-
lerseele. Zu einer wunderbar reichen Sym-
phonie klingen seine Bilder zusammen. Von
dem zarten Arioso der „jungen Hirtin" zum
wilden Furioso des „Kentaurenkampfs", vom
jubelnden Allegro der Frühlingsbilder zum
leisen Adagio der „Herbstgedanken" und zum
schwermütigen Largo der „Villa am Meer",
vom ausgelassenen Scherzo der Nixenbilder
zum Mästoso der „Toteninsel" — welch ver-
schwenderische Fülle von Klängen und Stim-
mungen in endlosen Variationen und Ueber-
gängen!

*) Arnold Böcklin, eine Auswahl der hervorragend-
sten Werke des Meisters in Photogravüre, nebst einer
Biographie von H. A. Schmid. 4 Bände in Groß-
folioformat je 100 M. (München, Photograpliische
Union).

Auf eine Melodie wollen wir heute hören,
die aus der vielstimmigen Musik seiner Werke
nicht eben häufig, aber immer besonders frisch
und klar heraustönt, bald zart und leise,
bald ausgelassen jubelnd, das ist das Lied
von der Kindheit. Wer erst einmal an dieser
oder jener seiner Kindergestalten seine Freude
gehabt hat, der wird weiter suchen, und bald
aus diesem, bald aus jenem Bilde werden ihn
träumerische oder lustig blitzende Kinderaugen
anschauen, bis er die ganze kleine Schar um
sich gesammelt hat, die ihrem Schöpfer stets
eine der ersten Stellen unter den Kinder-
malern aller Zeiten sichern werden.

Neuere Veröffentlichungen über Böcklin,
besonders die Schrift von Frey, haben uns
immer tiefere Blicke in das Seelenleben des
Künstlers tun lassen, und so ist uns auch
klar geworden, was ihn zu den Kindern hin-
ziehen und ihn befähigen mußte, in seinen
Kinderdarstellungen eine so wahre Psychologie
des Kindes zu geben. Einen Hauptreiz seines

Die Kunst für Alle XX. 7. 1. Januar 1905.

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