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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Von Ausstellungen und Sammlungen - Personal- und Atelier-Nachrichten - Vermischtes - Neue Bücher
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4355. VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN <öS-*~

adolf hengeler kinderbildnis

gebreitete melancholische Stimmung noch zu ver-
stärken schien, so liebt er neuerdings die Zeit kurz
vor dem Dunkelwerden. Der Widerschein von röt-
lichen Abendwolken in dem von den kühlen Far-
ben des Abends schon angerührten Wasser macht
eines seiner neuesten Grunewaldbilder zu einem
auch koloristisch höchst interessanten Stück. Vor-
trefflich ist ferner ein durch das Laub der Büsche
und Bäume am Ufer gesehener >Märkischer See«
in Abendstimmung. Und hat der Künstler nicht
allen Zauber des Lenzes in seinem abendlichen
>Obstgarten in der Mark« festzuhalten gewußt?
Das künstlerisch Feinste aberbietet Leistikow sicher-
lich in seinen Aquarellen. Da ist eine völlige Hingabe
an die Natur, ein instinktives Begreifen ihrer Schön-
heit. Und welch ein glänzendes Können! Aber
so ganz im Dienste der Sache, daß man überhaupt
nicht daran denkt, wie diese wundervollen Dinge,
diese schneebedeckten Berge und diese rauhe Luft
im »Winter in Meran«, diese feuchtgrünen Almen
im »Motiv aus Gastein«, diese regenkalte Luft im
»Thüringer Wald«, gemacht sind. Und bei aller
Objektivität des Schauens und Darstellens ist in
diesen Schöpfungen doch soviel von dem eigenen
Wesen des Künstlers, daß sie niemals mit den
Leistungen anderer verwechselt werden könnten,
daß sie vielmehrals ganz charakteristische Leistikows
würdig neben seinen umfangreicheren Bildern stehen.
Nächst dem ausgezeichneten und originellen Berliner
Landschafter ist Curt Herrmann in dieser Aus-
stellung die interessanteste Erscheinung. Der Maler,
dessen Versuche, in der Art der Neo-Impressionisten
zu malen, in den letzten Jahren soviel Kopfschütteln
erregten, beginnt sieh mehr und mehr zur Freiheit
durchzuringen. Das durch das Theoretische der
neuen Technik erdrückt gewesene Temperament

rührt wieder seine Schwingen. Der Künstler nimmt
vom Neo-Impressionismus nur noch, was ihm nütz-
lich scheint, und geht im übrigen die Wege, die ihm
Neigung und Geschmack weisen. Seine neuesten
Stilleben: »Rosa Rosen«, »Kapuzinerkresse«, »Iri-
sierende Schale und blaue Kugelvase« können an
Glanz und Feuer der Farbe mit der Natur wetteifern.
Die stärksten Fortschritte aber hat er wohl auf einem
Gebiete gemacht, das ihm eigentlich »nicht liegt«, in der
Landschaft. Er gibt sie immer noch zu sehr als Still-
leben; an Schönheit, Reinheit und Natürlichkeit der
Farbe, an aufmerksamer Beobachtung der Lichtwir-
kungen aber kommt er in seinen neuesten Arbeiten den
feinsten Franzosen unendlich viel näheralsallejungen
BerlinerMalerzusammen. Voreinem »blühenden Gar-
ten« von Herrmann denkt man unwillkürlich an Renoir
und freut sieh dieser Aehnlichkeit. Aber es gelingt
dem Künstler wohl auch noch, diesen französischen
Ton in seiner so harmonisch gewordenen Malerei
zu überwinden, besonders da man die Empfindung
hat, er ist nicht absichtlich hineingebracht, sondern
eine Folge des Operierens mit Gelb und Blau, den
Kardinalfarben der neo-impressionistischen Technik.
Manchmal sind wohl die Schatten auf Gartenwegen
und dergleichen zu schwer und massiv, an Leistungen
aber wie das »englische Landhaus« am Bach mit
dem heiteren Himmel darüber kann man schon
seine bedingungslose Freude haben. Gar nicht tief
gehen die Wirkungen, die Ernst Oppler mit
seinen Bildern hervorruft. Diese haben oft etwas
Distinguiertes und verraten einen an guten Vor-
bildern — den Holländern des 17. Jahrhunderts,
an Whistler, Lavery und anderen Engländern — ge-
schulten Geschmack; aber die eigentliche Potenz,
das Schöpferische, fehlt durchaus. Diese wohlüber-
legte, kluge und geschickte Kunst reißt nicht hin.

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