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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Zuckerkandl, Bertha: Die XXIII. Ausstellung der Wiener Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12355#0476

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ALOIS KOLB

HARLEKIN, EIN FASTNACHTSSPIEL

23. Aasstellung der Sezession in Wien

DIE XXIII. AUSSTELLUNG DER WIENER SEZESSION

Von B. ZöCKERKANDL

Es ist nicht zu leugnen, daß in der Wiener
Sezession zwei Strömungen herrschen,
daß sich im Laufe der Jahre zwei Parteien
herausgebildet haben, die scharf sich gegen-
überstehenden künstlerischen Prinzipien hul-
digen. Es gibt eine Stil-Gruppe und eine reali-
stische Gruppe. Die einen betrachten „Kunst"
als Einheit, als großen dekorativen Zusammen-
hang architektonischer, bildnerischer und an-
gewandter Gestaltungen; die anderen wollen
von der Unterordnung, von der Harmonie-
sierung des Kunstwerkes mit dem Ganzen
nichts wissen. Das Bild oder die Plastik als
Selbstzweck erscheint ihnen als wesentlich.
In früheren Jahren nun waren die Stilisten,
oder sagen wir es geradeaus, war die Klimt-
Gruppe meist für den Charakter der Aus-
stellungen maßgebend. Moll, Hoffmann,
Moser, Bernatzik, Roller brachten Pro-
gramm-Ausstellungen, Vorführungen mit
großem gedanklichen Untergrund und mit
weiten Kultur-Ausblicken. So war die Beet-
hoven-Ausstellung ein hochinteressanter Ver-
such, neue architektonische und plastische
Schmuckart zu dekorativen Zwecken zu schaf-
fen und das Fresko wieder zu beleben. Eine
kunstgewerbliche Schau brachte die Wesens-
art der Mackintosh mit den verwandten
Neigungen der Wiener Moderne in Berührung.
Die Revue über den Impressionismus war ein
lehrreicher Rückblick auf einen der stolzesten

Entwicklungs-Momente der Malerei; die Ge-
samt-Vorführung von Klimts Schaffen eines
der erlesensten, edelsten Beispiele, in welcher
Art der Ausschnitt einer seltenen Indivi-
dualität dem Publikum am eindringlichsten
zum Bewußtsein gebracht werden kann. Eine
Ausstellung der Oesterreicher hatte zum Pro-
gramm : dem Einzelnen den Einzelraum, die
andere wieder suchte den Akt, das Figuren-
bild gegen die einreißende Bequemlichkeit der
Landschaftsskizze auszuspielen. Immer war
ein höherer Standpunkt, ein gemeinsamer Ge-
danke der Impuls der jeweiligen Aussprache.

Dieses Jahr nun sind die Realisten zu Wort
gelangt, und sie haben sich beeilt, ihre Aus-
stellungs-Ansichten zu vertreten. Sie sind
eigentlich zur etwas außer Kurs geratenen
Ansicht des l'art pour l'art zurückgekehrt.
Sie betonten in allen drei Vorführungen des
Jahres den Grundsatz, möglichst gute Ergeb-
nisse fremder oder einheimischer Kunst in
möglichst guter Aufstellung zu zeigen. Denn
auch die vorausgegangene Plastiken-Ausstel-
lung gab kein scharf umrissenes Bild weder
einer Richtung noch kämpfender Gegensätze,
sondern nur ziemlich zufällige Aneinander-
reihungen moderner Produktionen. Was der
Tag dem Schaffen des Einzelnen brachte, da-
von allein erzählte dieses Jahr uns die Wiener
Sezession, nicht aber wie der Einzelne dem
Ganzen gegenüber sich verhält.

Die Kunst für Alle XX. 19. i. Juli 1905.

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