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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Kuzmány, Karl Michael: Die sechste internationale Kunstausstellung von Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.12355#0507

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DIE VI. INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG DER STADT VENEDIG

hermenegildo anglada der weisse pfau

VI. Internationale Kunstaasstellung in Venedig

Zuloaga macht selbstverständlich auch in
seinem Spanien Schule, in dessen Saal es
nicht an Vergleichsobjekten fehlt. Aber schon
wird ihm der Ruhm, der am meisten Genannte
zu sein, von Anglada (s. Abb. S. 471) be-
stritten; dieser Farbenorgiast kehrt öfter als
in den nicht eben reinlichen Gassen seiner
Heimatsorte in Pariser Vergnügungslokalen
ein, wo die „Blumen der Nacht" bei selt-
samsten Beleuchtungseffekten geistern. Im
Gegensatz zu Anglada und dessen virtuos
wiedergegebener Atmosphäre überreizter Ge-
nüsse und lockender Künstlichkeit bevorzugt
Rusinol, ein namhafter Landschafter, die
freie, gesunde Gottesnatur. Pralles Sonnen-
licht spielt um die „Segelnäherinnen" des
Sorolla y Bastida (s. Abb. S. 473), 1890
in der breiten Manier ebenso „zeitgemäß"
wie vor einem Menschenalter die geleckte
Spitzpinselei des Luis Jimenes.

Die Italiener überließen es heuer den Aus-
ländern, sich je nach Geschmack ihre Nieder-
lassungen zu bereiten; das ist das Neue am
Rahmen der Ausstellung. Sie selbst haben
die vor zwei Jahren ausgestalteten Räume

wieder bezogen und beseitigt, was überladen
an den Dekorationen war oder sonst als ver-
fehlt erkannt worden ist. Von der ebenfalls
beibehaltenen Einteilung nach Landschaften
— regioni — sehe ich ab, denn bei der Fülle
der Namen müßte ich einen homerischen
Schiffskatalog anfertigen. Auch gleichen sich
hier im Zeichen des künstlerischen Verkehrs
die sonst klüftenden Stammesunterschiede
immermehr aus, bei aller Mannigfaltigkeit
ihrer Aeußerungen. Just daß wir gerade im
toskanischen Saal noch den meisten frei er-
fundenen figuralen Kompositionen begegnen;
bei dem anglisierenden De Karolis und dem
phantastischen Nomellini. Dieser ist so recht
bezeichnend für die Eigenheit der Italiener,
die Poesie der Linie gegen die der Farbe
zurücktreten zu lassen. Einen Ausgleich strebt
mit wachsendem Gelingen Cesare Laurenti
(Venedig) an, wenn man nach seinem Ent-
wurf für einen dekorativen Fries, einem früh-
lingsduftigen Mädchenreigen, urteilen darf.
Nach wie vor huldigt Morbelli einem hand-
greiflichen Symbolismus, mit Armenhaus-
bildern, die durch eine besondere Strichel-

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