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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 28.1912-1913

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Michel, Wilhelm: Gaston La Touche
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https://doi.org/10.11588/diglit.13091#0328

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nicht ein Hauch von der Stimmung des achtzehn- matt erhellt, das zarte Wunder irgend eines

ten Jahrhunderts in diesen Gemälden, in den nackten weiblichen Körpers leuchtet. Er erzählt

liebenswürdig-tänzerischen Bewegungen der Fi- die romantischen Entzückungen venezianischer

guren, in der üppig-leichisinnigen Komposition, Nachtfeste, wo zwischen bunten Lampions und

in der arkadisch-heiteren, fast pastoralen Note Raketen, die eilig in den Himmel schlüpfen

mancher Freilicht-Szenen, die Gaston La Touche und selig daraus zurücksinken, die kalten

gemalt hat? Ich glaube, es läßt sich nicht hin- Lichtfünkchen der Sterne flimmern. Pelze, die

wegleugnen. Und mag auch die heutige Pariser sich duftig um feine Schultern schmiegen, das

Malerei längst andere, problematischere Wege entzückende Gewirre gefältelter Volants an

eingeschlagen haben, er setzt mit seinem rauschenden Toiletten, bacchantisch aufgebaute

Schaffen eine gute und echt französische Tra- Gruppen tafelnder Gäste, neckische Indiskre-

dition fort. In „sein" achtzehntes Jahrhundert tionen aus dem Leben zwischen Kulissen und

ist und bleibt Frankreich ja doch verliebt, Souffleurkasten, — überall dieselbe galant-ge-

wenn seine Maler heute auch im Louvre lieber nießerische Stimmung, dasselbe wohlgelaunte,

zu den alten Assyrern wallfahrten als zu kavalierhafte Leben. Immer ist die Luft bei

Boucher, Watteau und Fragonard. Gäb's keinen ihm etwas schwül, von Leidenschaften hold

anderen Beweis dafür, man könnte es am Kunst- erhitzt, von den Erregungen der Geselligkeit

gewerbe sehen: Der Louis XV.-Fauteuil steckt durchflutet und von einer höchst romantischen

jedem neufranzösischen Stuhle wie die Erb- Beleuchtung gleichsam dramatisch bewegt. Die

sünde im Leibe. Geheimnisse des Halbdunkels hat er nach

La Touche ist von Passion Geschichtenerzäh- allen Seiten hin erforscht, den Kampf zwischen

ler, Illustrator, mit einiger Neigung zum Roman- verschiedenen Lichtquellen hat er mit Feinheit

tischen, ja zum Märchenhaften. Manche alte und Geschmack auf seine malerischen Reize

Novelle voller Intrigen, Verkleidungen, Ueber- hin ausgebeutet. Selbst die Jungen lassen ihn,

raschungen könnte man sich von ihm illustriert bei aller herablassenden Geringschätzung für

denken. Er liebt die schwüle Luft verschwiegener seine erzählerischen Passionen, als Maler

Boudoirs, in denen, von verlorenen Reflexen einiger höchst pikanter Innenraum-Stimmungen

1 GASTON LA TOUCHE IN DER SÄNFTE

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