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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 28.1912-1913

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Tietze, Hans: Cézanne und Hodler
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https://doi.org/10.11588/diglit.13091#0409

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schworen werden kann. Aber Cezanne und einem Gesetz geistiger Oekonomie, an dem wir
Hodler grenzen auch die formalen Probleme doch nicht zweifeln sollten, keine unverbraucht

der neuen Kunst ein und hierbei möchte ich, zu Boden sinken. Sondern jede Ursache gabelt
vom Buche Burgers fortspinnend, besonders sich, jede Wirkung ist mit einer Gegenwirkung
verweilen; denn zum Unterschiede von jener verkettet und all diese ins Leben gesetzten
philosophischen Ausdeutung der Kunst, die aus Keime sammeln sich an den Polen einer Zeit-
dem absolut andersartigen Tun und Streben kunst. In allen Perioden, in die wir tieferen
der Maler die reinen Erkenntnisprobleme heraus- Einblick haben, werden wir solcher Zweiteilung
kristallisiert, führt uns die Betrachtung der gewahr; jede Zeit ist zwar eine Einheit, aber
Bedeutung beider Künstler für die Weiterem- die Elemente, die sie hervorbringen, sind nach
wicklung zu einer historischen Fragestellung entgegengesetzten Richtungen gerichtet und die
und wir begreifen ihre unlösliche Zusammen- polar orientierten Energien, die sich bisweilen
gehörigkeit aus ihrer polaren Gegensätzlichkeit, in eine Schar verschiedenartiger Erscheinungen
Cezanne und Hodler ist die geschichtsphilo- zersplittern, verlaufen auch häufig an beiden
sophische Synthese von Cezanne oder Hodler. Enden in einen überragenden Einzelnen, der
Eine solche Behauptung kann nur solange sie zusammenfaßt. Michelangelo und Tinto-
paradox erscheinen, als wir uns künstlerische retto, Rembrandt und Poussin, Goya und Thor-
Entwicklung als eine Linie vorstellen, die waldsen, Cezanne und Hodler, jedes Paar eine
durch die Fortbewegung eines Punktes ent- Zusammenfassung, die der Folgezeit als Basis
standen wäre; eine populär-mathematische Vor- dient; jedes Paar eine Einheit, deren Hälften
Stellung, die dem Wesen der Kunst völlig einander ergänzen und ausschließen,
widerspricht. Denn diese ist ein reiches In- Cezanne und Hodler sind der Sockel der
einanderspiel von Kräften, ein tausendfältiges Zukunft, weil sie mit mächtigen Armen alles
Ausdrücken der schöpferischen Persönlichkeit auffangen, was die Vergangenheit zu vererben
und ein ebenso vielfaches Einwirken auf andere; hatte; sie tragen die Malerei des zwanzigsten
von all diesen wirkenden Kräften kann nach Jahrhunderts, weil sie alles zusammenfassen,

; LUCIEN SIMON DER MENHIR

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