ADOLF HENGELER f
Tief betrauert von den Seinigen und der Münch-
ner Kirnstlerschaft und darüberhinaus von einer
überaus großen Gemeinde von Verehrern, ist
Adolf Hengeler am 4.Dezember 1927 in seinem
65. Lebensjahr nach langer, schwerer Leidens-
zeil, die Tatkraft und stolze Männlichkeit dieses
außergewöhnlichen Künstlers und Menschen
brach, verschieden. Es ist nicht zuviel gesagt,
wenn man Hengeler einen der bekanntesten und
volkstümlichsten Künstler Deutschlands nennt.
Diese Volkstümlichkeit hat ihren Grund darin,
daß Hengeler vordem einer der Hauptmit-
arbeiter der Münchner „Fliegenden Blätter" in
deren Blütezeit war. Mehr als fünftausend Bei-
träge hat er in etwa dreieinhalb Jahrzehnten
für dieses einst meistgelesene Monopol-Blatt
deutschen Humors und deutschen Witzes ge-
schaffen; neben Adolf Oberländer und Eduard
Harburger war er der künstlerische Führer der
„Fliegenden". Treffend war sein Witz, kurz,
prägnant, originell die Form, in die ihn sein
Zeichenstift kleidete. Viele Tausende hat er so
tausendmal lachen gemacht, und darüber wurde
sein Name populär wie der nur weniger Künstler.
Zur Zeichnung und Illustration war Hengeler
vom Handwerk hergekommen. In seiner Vater-
stadt Kempten im Allgäu hatte er das Litho-
graphenhandwerk erlernt, aber er hatte sich
damit nicht zufrieden gegeben, sondern hatte
weiter gestrebt und war endlich nach München
an die Kunstgewerbeschule gekommen, wo Fer-
dinand Barth seinLehrer wurde. Barth erkannte
Hengelers starke zeichnerische Begabung, auch
seine humoristisch-satirische Nuance, und
brachte ihn zu den „Fliegenden", womit er
Hengelers glänzende Laufbahn begründete.
Studien, die der junge Künstler bei Wilhelm
von Diez an der Münchner Akademie machte,
waren zunächst ohne Belang: zwei Jahrzehnte
hindurch blieb die Illustration seine ausschließ-
liche „Liebe"; erst um die Jahrhundertwende
brach das malerische Element in seinem Schaf-
fen durch; es gewann in der Folge die Oberhand.
Hengeler tat sich anfangs sehr hart; niemand
hat auch zwanzig Jahre hindurch ungestraft
nur illustriert. Ludwig von Herterich, Henge-
lers engster Freund, half da mit seinem guten
Rat weiter, und bald beherrschte Hengeler dieses
Metier ebenso meisterhaft wie die Zeichnung.
Er arbeitete aber auch mit der ihm eigenen
Leidenschaft, mit seinem ganzen feurigen Tem-
perament an seiner malerischen Vervollkomm-
nung. Die Ausstellungsbesucher sahen nur die
liebenswürdigen, scheinbar ganz und gar unbe-
schwerten Bilder Hengelers, die Pullen, die
märchenseligen und legendären Gestallen, und
fühlten die bald behagliche, bald zauberhafte
Wirkung, die von diesen Bildern ausstrahlte,
bei denen das Motivische und Thematische nie
gering geschätzt war. Aber sie wußten nur selten
und bemerkten es nie, wieviel Arbeit, Fleiß und
Unverdrossenheit der unermüdliche Künstler
an seine Gemälde gesetzt hatte. Hengeler war
auch unerbittlich im Zerstören solcher Bilder,
die er für nicht ganz gelungen hielt. Mit seiner
strengen Selbstzucht, mit seiner herzhaften
Menschlichkeit, mit seinem eminenten zeich-
nerischen Können und seinen auf experimen-
tellem Wege gewonnenen reichen malerischen
Erfahrungen eignete sich Hengeler ausgezeich-
net zum akademischen Lehrer und ist zwei
Jahrzehnte hindurch zahlreichen jungen Kunst-
beflissenen an der Münchner Akademie ein
hervorragender Führer gewesen.
In seinen letzten Lebensjahren, d. h. in seinen
letzten Schaffensjahren, ehe Krankheit und
seelisches Leiden seinen Weg verdunkelten, hat
sich Hengeler malerisch und zeichnerisch phan-
tastisch-spukhaften Gegenständen zugewandt.
Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel d. Ä.
scheinen seine Vorbilder geworden zu sein.
Immer aber — das sieht man an seinem großen
Zeichen werk „Phantasien" — sprang auch der
Humor herein, dem man ein so prächtiges Buch
wie die Münchner Schulfibef verdankt. Daß
die Münchner Abc-Schützen an der Hand
von Zeichnungen Hengelers in die Geheim-
nisse des Alphabets eingeführt werden, ist
den Freunden Hengelers ein besonders lieber
Gedanke. YVolf
154
Tief betrauert von den Seinigen und der Münch-
ner Kirnstlerschaft und darüberhinaus von einer
überaus großen Gemeinde von Verehrern, ist
Adolf Hengeler am 4.Dezember 1927 in seinem
65. Lebensjahr nach langer, schwerer Leidens-
zeil, die Tatkraft und stolze Männlichkeit dieses
außergewöhnlichen Künstlers und Menschen
brach, verschieden. Es ist nicht zuviel gesagt,
wenn man Hengeler einen der bekanntesten und
volkstümlichsten Künstler Deutschlands nennt.
Diese Volkstümlichkeit hat ihren Grund darin,
daß Hengeler vordem einer der Hauptmit-
arbeiter der Münchner „Fliegenden Blätter" in
deren Blütezeit war. Mehr als fünftausend Bei-
träge hat er in etwa dreieinhalb Jahrzehnten
für dieses einst meistgelesene Monopol-Blatt
deutschen Humors und deutschen Witzes ge-
schaffen; neben Adolf Oberländer und Eduard
Harburger war er der künstlerische Führer der
„Fliegenden". Treffend war sein Witz, kurz,
prägnant, originell die Form, in die ihn sein
Zeichenstift kleidete. Viele Tausende hat er so
tausendmal lachen gemacht, und darüber wurde
sein Name populär wie der nur weniger Künstler.
Zur Zeichnung und Illustration war Hengeler
vom Handwerk hergekommen. In seiner Vater-
stadt Kempten im Allgäu hatte er das Litho-
graphenhandwerk erlernt, aber er hatte sich
damit nicht zufrieden gegeben, sondern hatte
weiter gestrebt und war endlich nach München
an die Kunstgewerbeschule gekommen, wo Fer-
dinand Barth seinLehrer wurde. Barth erkannte
Hengelers starke zeichnerische Begabung, auch
seine humoristisch-satirische Nuance, und
brachte ihn zu den „Fliegenden", womit er
Hengelers glänzende Laufbahn begründete.
Studien, die der junge Künstler bei Wilhelm
von Diez an der Münchner Akademie machte,
waren zunächst ohne Belang: zwei Jahrzehnte
hindurch blieb die Illustration seine ausschließ-
liche „Liebe"; erst um die Jahrhundertwende
brach das malerische Element in seinem Schaf-
fen durch; es gewann in der Folge die Oberhand.
Hengeler tat sich anfangs sehr hart; niemand
hat auch zwanzig Jahre hindurch ungestraft
nur illustriert. Ludwig von Herterich, Henge-
lers engster Freund, half da mit seinem guten
Rat weiter, und bald beherrschte Hengeler dieses
Metier ebenso meisterhaft wie die Zeichnung.
Er arbeitete aber auch mit der ihm eigenen
Leidenschaft, mit seinem ganzen feurigen Tem-
perament an seiner malerischen Vervollkomm-
nung. Die Ausstellungsbesucher sahen nur die
liebenswürdigen, scheinbar ganz und gar unbe-
schwerten Bilder Hengelers, die Pullen, die
märchenseligen und legendären Gestallen, und
fühlten die bald behagliche, bald zauberhafte
Wirkung, die von diesen Bildern ausstrahlte,
bei denen das Motivische und Thematische nie
gering geschätzt war. Aber sie wußten nur selten
und bemerkten es nie, wieviel Arbeit, Fleiß und
Unverdrossenheit der unermüdliche Künstler
an seine Gemälde gesetzt hatte. Hengeler war
auch unerbittlich im Zerstören solcher Bilder,
die er für nicht ganz gelungen hielt. Mit seiner
strengen Selbstzucht, mit seiner herzhaften
Menschlichkeit, mit seinem eminenten zeich-
nerischen Können und seinen auf experimen-
tellem Wege gewonnenen reichen malerischen
Erfahrungen eignete sich Hengeler ausgezeich-
net zum akademischen Lehrer und ist zwei
Jahrzehnte hindurch zahlreichen jungen Kunst-
beflissenen an der Münchner Akademie ein
hervorragender Führer gewesen.
In seinen letzten Lebensjahren, d. h. in seinen
letzten Schaffensjahren, ehe Krankheit und
seelisches Leiden seinen Weg verdunkelten, hat
sich Hengeler malerisch und zeichnerisch phan-
tastisch-spukhaften Gegenständen zugewandt.
Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel d. Ä.
scheinen seine Vorbilder geworden zu sein.
Immer aber — das sieht man an seinem großen
Zeichen werk „Phantasien" — sprang auch der
Humor herein, dem man ein so prächtiges Buch
wie die Münchner Schulfibef verdankt. Daß
die Münchner Abc-Schützen an der Hand
von Zeichnungen Hengelers in die Geheim-
nisse des Alphabets eingeführt werden, ist
den Freunden Hengelers ein besonders lieber
Gedanke. YVolf
154