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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 43.1927-1928

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Wolf, Georg Jacob: Zu den Bildern von Walther Teutsch
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Delius, Rudolf von: Die Zweckmässigkeit der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.16477#0232

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Geheimnisse der Valeurs, der Helligkeits- und
Dunkelheitswerte innerhalb der einzelnen Far-
ben; es ist das Geheimnis der hohen malerischen
Qualität französischer Bilder .Teulsch ist darüber
zu merkwürdigen Resultaten gelangt, und
aus der Umwelt der verschiedenen Ausstel-
lungen, in denen man im letzten Jahre Bilder
von Teutsch sah, Helen sie ordentlich heraus:
etwas Schwingendes und Klingendes war in
ihnen, nicht aber wie von Musik, sondern wie
von einer geschmeidigen Florettklinge, etwas
Fechterisches sozusagen, Esprit, der das Hand-
werk durchdrang und überwand.
Über diesem Experimentieren und seinem
Gelingen wäre mancher andere ein einseitiger
Doktrinär, ein Theoretiker, ein Nur-Maler
geworden, der die Stimmung, die vom Bild-
inhalt kommt, verleugnet oder gering geschätzt
und damit gewissermaßen seine ganze Ver-
gangenheit negiert hätte. Bei Teutsch verhält
es sich nicht so. Das Motiv spricht ihn an, wird
ihm Stimmungsträger, bestimmt den male-
rischen Ausdruck. Er hat z. B. von der Eich-

stätter Landschaft, vom Eichstätter Stadtbild
starke Eindrücke und Anregungen erfahren.
Ein Haus, das er in klassisch edler Malerei
hinsetzt, ist nicht ein beliebiges Farbproblem,
sondern man verspürt, wie da etwas Persön-
liches, Erlebtes mitspricht. Und so ist es auch,
wenn er eine Familie im Gartengrün, eine bi-
blische Szene oder Begebenheit malt. So ist es
besonders bei seinen Bildnissen, die viel inniger,
empfundener, naturhafter, menschen-natur-
hafter sind, als sie einem Berufsporträtisten ge-
lingen können, der seinerseits Teutsch in jeder
Bildnisgeschicklichkeit überlegen sein mag.
Immer auch verspüre ich,selbst beiden kleinsten
Formalen, den Zug des Künstlers ins Monu-
mentale, seinen Wunsch, einmal eines seiner
Bilderaifresco zumalen. io,22,aufderDeutschen
Gewerbeschau in München, fand man ein Fresko
von Teutsch; es war ein Versuch, interessant,
eindrucksvoll — aber um wieviel besser würde
Teutsch heute vor einer solchen Aufgabe be-
stehen, nachdem er inzwischen Meister seines
Handwerks, seiner Kunst geworden! Wolf

DIE ZWECKMASSIGKEIT
DER KUNST

Seit Kant gilt als Hauptsatz der Ästhetik, daß
die Kunst „zwecklos gefallen" solle. Das ist ja
nun gewiß richtig, wenn man unter „Zweck"
etwas ganz roh Praktisches versteht. Aber man
übersieht dabei, daß die Kunst einen tief inneren
Zweck hat, daß sie durchaus nicht nur ein sinn-
loses Spiel mit Formen ist. Kunst ist das große
Mittel der seelischen Verständigung unter den
Menschen, sie ist die Brücke von Flerz zu Herz.
Wenn in uns chaotisch, unruhig, gärend ein
Gefühl entsteht, so gibt es für mich nur eine
Möglichkeit, dies Gefühl den anderen Menseben
verständlich zu machen: ich kristallisiere dies

Gefühl, ich presse es hinein in Linie,Ton, Gestalt.
Jetzt erst kann das Unsagbare gesagt werden,
das Zarteste ans Licht treten. Kunst hat also
diesen unendlich wichtigen „Zweck": Klärung
des Inneren, Mitteilung des Geheimsten. Ohne
die Kunst ständen wir einander hilflos gegen-
über, das Seelenhaus mit seinen Schätzen bliebe
verschlossen. Das ist die feine praktische Bedeu-
tung der Kunst: Licht flutet auf, das von dem
intimsten Geschehen des Ich erzählt. Nur durch
die Kunst öffnet sich das Wesen, der verborgene
Kern, das Tiefste und Letzte.

Rudolf von Delius

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