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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 53.1937-1938

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Waldmann, Emil: Zu Leibls Briefen über seinen letzten Bildnisauftrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.16486#0038

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Zu Leibis Briefen über seinen letzten Bildnisauftrag. Von Emil Waidmann

Leibis Ruhm ward, nachdem der Künstler nach
dem Mißerfolg des Wildschützenbildes einige Jahre
lang etwas vereinsamt gewesen war. Anfang der
neunziger Jahre neu lebendig durch die Leibi-Aus-
stellung bei Littauer in München 1892 und durch
die Ausstellung bei Gurlitt in Berlin im folgenden
Jahre. Seither ging es bis zu seinem Tode immer
weiter aufwärts mit ihm. auch in seinen äußeren
Lebensumständen.

Erstaunlich, daß, trotzdem man nun wieder wußte,
daß Leibi unser größter Menschendarsteller war, so
wenig Bildnisaufträge auch damals an ihn gelang-
ten. Gewiß war nach seinem eigenen Wort das
„Gastrollengeben im Porträtfach"" nicht seine Sache.
Aber wenn ein menschliches Gesicht ihn durch
Schönheit und Ausdruck fesselte, malte er auch
gerne einmal ein Bildnis. Vornehmlich die Gesichter
seiner vertrauten Freunde, wie Arzt und Apotheker
und Tierarzt in Aibling oder seines Gönners Ernst
Seeger. Sonst aber kam niemand, außer jenem
Kommerzienrat Wilke aus Guben. Dem folgte
dann, gleichfalls aus Mitteldeutschland, der Kom-
merzienrat Roßner aus Zeitz, der gleich zwei Bild-
nisse von Leibi haben wollte, sein eigenes und als
Gegenstück das seiner Frau.

Leibis Briefe an dieses Ehepaar haben sich erhalten
und werden hier, in etwas gekürzter Form, der
Öffentlichkeit übergeben. Zuerst malte Leibi die
Frau. Zu dem geplanten Bildnis des Ehegatten ist
es nicht mehr gekommen. Leibi starb darüber hin-
weg: er kränkelte damals, im Frühling und Som-
mer des Jahres 1900 schon und erlag dann im De-
zember des Jahres seinem Herzleiden; das auch
eine Xauheimer Kur hatte nicht mehr heilen kön-
nen.

So ist das im Jahre 1912 von der Bremer Kunst-
halle erworbene Bildnis der Frau Roßner das letzte
fertige Auftragsporträt geblieben, das wir von
seiner Hand besitzen. Weshalb der Besitzer sich zu
Lebzeiten seiner Frau von diesem Meisterwerk
trennte, weiß man nicht. Vielleicht war er um die
85 000 Mark, die er dafür erlöste, verlegen.
Im Jahre 1956 besuchte die damals 68jährige
Dame die Bremer Kunsthalle, um sich ihr 54 Jahre
vorher entstandenes Porträt einmal wieder anzu-
sehen. Sie erzählte einiges über die Entstehungsge-
schichte, Dinge, die den Inhalt der Leibibriefe er-
gänzen :

Einige Wochen lang hat sie fast täglich anderthalb
Stunden lang Modell gesessen. Unbeweglich. Leibi
sprach beim Malen nicht und die Sitzungen waren
nicht nur Freude, sondern bedeuteten auch eine ge-
wisse Anstrengung. Damit nun aber bei diesem
hartnäckigen wortlosen seelischen Zwiegespräch
zwischen dem Maler und seinem Modell der Ge-
sichtsausdruck des Modells nicht müde oder starr
wurde, ließ Leibi den Gatten der Dame vorlesen.
Leibi liebte gute deutsche Prosa. Befragt, ob sie

sich noch erinnere, was Leibi während dieser Mo-
dellsitzungen vorlesen ließ, sagte die. wie gesagt,
68jährige Frau Roßner:

,-Ja: genau. Es war aus .Brehms Tierleben', der
Abschnitt über die Raubtiere Löwen und Tiger."
Leibi kannte dies beinah auswendig. Die Stimme
des Vorlesers lenkte ihn von seiner Arbeit also nicht
ab, sondern entspannte ihn ein wenig. Das Modell
aber hörte aufmerksam zu. so aufmerksam wahr-
scheinlich, wie seiner Zeit Mona Lisa dem Saiten-
spiel, durch das Lionardo da Vinci den Ausdruck
ihres Gesichts und ihrer Seele lebendig erhalten
wollte.

Aus Leibis Briefen an Kommerzienrat Roßner in
Zeitz:

Kutterling, den 28. XI. 99.

Für die wundervollen Photographien, welche Sie
die Güte hatten, mir übersenden zu lassen, sage ich
Ihnen meinen herzlichsten Dank. Die 2 Holbeins
besonders das Bildnis mit der Xelke sind wohl das
Vollendetste was je gemacht worden ist und zwin-
gen zur ehrfurchtsvollsten Bewunderung. Der Kopf
des Papstes von Velasquez jedoch muß für einen
Maler das höchste Entzücken erwecken. Ich kann
mir nichts Schöneres mehr denken und glaube nun.
daß das Kniestück in Born nicht ächt ist, wenn auch
die Kunstgelehrten gegentheiliger Meinung sind.
Augenblicklich habe ich wieder in wenigen Tagen
das Brustbild eines jungen Bauernmädchens gemalt
um mich für die bevorstehende Aufgabe einzuüben.
Es ist mir glaube ich nicht schlecht gelungen, was
wohl dem Lmstand zuzuschreiben ist, daß ich ganz
für mich ohne störenden Besuch von Fremden oder
Collegen, in Ruhe arbeiten kann. Da ich die Ab-
sicht habe. Ihnen das künstlerisch Beste, was ich zu
leisten in Stande bin, bei Ihren Portraits zu liefern
so muß ich des Umstandes Erwähnung thun, daß
es von jeher meine Gewohnheit war. allein ohne
jeglichen Besuch von Fremden oder Collegen zu
arbeiten, wenn ich etwas Gediegenes hervorbringen
wollte.

In diesem Fall läge mir ganz besonders daran, daß
Alles vermieden wird, was irgendwie störend auf
meine Arbeit einwirken könnte damit ich meine
ganze Kraft einsetzen kann, um die beiden Por-
traits zu Ihrer ganzen Zufriedenheit herzustellen.
Die beiden Vergrößerungen nach den Photogra-
phien Ihrer werthen Frau Gemahlin sind höchst
interessant und lassen erkennen, daß es eine ganz
besonders dankbare künstlerische Aufgabe ist, ein
solches Portrait malen zu können.
Gestern erhielt ich die wunderbaren Apfel u. danke
Ihnen herzlichst für dieses köstliche Geschenk wie
für Ihren liebenswürdigen Brief und Ihre so außer-
ordentlich wohlmeinenden Vorschläge betreff der
Reise nach Italien u. der freundlichen Einladung
zum Besuch in Ihrem Hause. Es ist übrigens jetzt
hier seit einigen Tagen die Witterung sehr schön

Kunst f. Alle. Jahre. SS. Heft 0. November 1937

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